Mittwoch, 24. April 2024, 03:12:22

Whiskyszene Deutschland: Interview mit Tim Tünnermann (Whisky-Investments.de)

Wir sprechen über Whisky als Leidenschaft und Geldanlage.

Deutschland und der deutsche Sprachraum haben eine aktive, vielfältige und interessante Whiskyszene. Persönlichkeiten in der Industrie, im Handel und unter den Whiskyfreunden haben sie geprägt und ihren Weg bestimmt.

Auf Whiskyexperts wollen wir in lockerer Abfolge diese Personen zu Wort kommen lassen, um so ein umfassendes Bild dieser Szene zu entwerfen. Heute sprechen wir mit Tim Tünnermann. Tim Tünnermann ist The Glenlivet Brand Ambassador, Gründer von Die Whiskybotschaft GmbH, einem Online-Shop mit über 1000 Whiskys, Veranstalter von Seminaren und Verkostungen – und der Whiskyfair NRW. Zudem führt er gemeinsam mit Marco Jansen die Firma Whisky Investments GmbH, die sich auf Whisky als Anlageobjekt spezialisiert hat.

Vornehmlich zum Thema „Investieren in Whisky“, aber auch zu seinem Werdegang und seinen Vorlieben bei Whisky haben wir mit ihm ein Interview geführt, das wir hier veröffentlichen:

Lieber Herr Tünnermann, zunächst einmal Danke, dass Sie sich für dieses Interview zur Verfügung stellen. Vielleicht einmal ein paar Worte zu Ihnen. Wie entstand Ihre Leidenschaft zu Whisky, wo und wie sind Sie ihm zum ersten Mal begegnet?

Ganz klassisch. Auf einer Motorradtour 2003 durch Schottland haben meine Frau Michaela und ich unseren ersten Single Malt – Laphroaig 10yo – probiert und eine Destillerie besucht. Da war es um uns geschehen. Wir sind also über Schottland zum Whisky gekommen, nicht umgekehrt.

Dann hat sich irgendwann einmal der Whiskyhandel daraus entwickelt?

Nach mehreren Schottlandbesuchen und vielen Whiskykäufen war unsere Lagerfähigkeit zuhause 2005 erschöpft. Micha meinte, ich solle ein paar Flaschen verkaufen. Um meine Frau zufrieden zu stellen, habe ich einen Onlineshop gebastelt und ein Gewerbe angemeldet – mit der Annahme da kauft sowieso niemand – und meine Whiskysammlung eingestellt. Weit gefehlt – es lief direkt gut an. Da war mein Ehrgeiz geweckt. Im gleichen Jahr lernten wir Richard Paterson kennen, das war unsere Initialzündung. Richard ist unser Mentor und väterlicher Freund. Neben wichtigen News aus der Whiskywelt hat er mir ermöglicht, in 4 verschiedenen Destillerien in Schottland zu arbeiten. Das war nicht nur ein großer Vertrauensbeweis, sondern hat mir Einblicke ermöglicht, die es mir gestatten, unsere Kunden bestmöglich zu beraten.

Richard Paterson und Tim Tünnermann
Richard Paterson und Tim Tünnermann

Und wie kam es dann dazu, dass Sie angefangen haben, Whisky als Investment zu betrachten und daraus ein Geschäft zu machen?

Jeder Sammler, der einmal eine Flasche Whisky gekauft und später mit Gewinn wieder verkauft, ist im Prinzip auch Investor und Anleger. Er kauft und verkauft – hoffentlich – mit Gewinn. Marco Jansen, mein Geschäftspartner, ist Vermögensberater und Whiskyliebhaber, er und ich haben nur umgesetzt, was uns logisch erschien. Viele Menschen verfügen über mehr finanzielle Mittel als sie benötigen. Warum nicht in ein so schönes Produkt wie Whisky investieren und dabei noch bessere Ergebnisse erwirtschaften als bei vielen Aktien? Wir haben also Investoren gesucht und gefunden, die von der Idee genauso überzeugt sind wie wir.

Das Thema Whisky und Wertanlage ist ja sehr emotional besetzt, und viele, die sich dafür interessieren, tun es lieber diskret. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Es ist natürlich, dass die meisten Anleger nicht möchten, dass ihr Umfeld erfährt, über wieviel Geld sie verfügen. Schnell wird dann aus Freundschaft Neid. Die Erfahrung machen wir gerade bei Whiskyfreunden, die sehr emotional an Whisky gebunden sind. Für sie ist Whisky als Geldanlage geradezu Frevel. Schaut man sich aber im Internet um, stellt man sehr schnell fest, dass oft gerade diejenigen, die am vehementesten dagegen sind, die Ersten sind, die limitierte Abfüllungen kaufen und in Versteigerungsportalen mit Gewinn wieder verkaufen. Ich weiß, dass diese Aussage provokant ist, spiegelt aber nur unsere Erfahrung wieder.

Am Spiritsafe von Jura
Am Spiritsafe von Jura

Wenn wir sagen würden, dass das Investieren in Whisky ein sehr spekulatives Geschäft ist, wie würden Sie darauf antworten?

Keine Wertanlage oder Investition ist ohne Risiko. Whisky hat nur den Vorteil, dass man seine Anlage im Zweifelsfall genießen kann. Man bekommt im worst case nicht nur eine Mitteilung, dass das Portfolio leider nichts mehr wert ist. Man hat einen physischen Gegenwert, der einem im besten Fall auch noch schmeckt!

Wert ist ja immer eine Übereinkunft am Markt. Dass sich diese Übereinkunft rasch ändern kann, hat man ja zum Beispiel bei Bordeaux gesehen. Kann es passieren, dass Whisky, so wie dieser, einmal aus der Mode kommt und damit seinen Wert verliert?

Das Risiko besteht auf jeden Fall, vor allem bei „Hype“ Whiskys, also z.B. bei Abfüllungen, die gerade sehr gefragt sind, aber im Grunde nur Marketingkreationen sind. Bei klassischen Jahrgangswhiskys sehe ich die Gefahr weniger, ich glaube hierfür wird man immer Abnehmer finden. Aber man sollte den Markt auf jeden Fall im Auge behalten. Gerade jetzt, wo viele Destillerien neu gebaut werden, besteht die Gefahr, dass es in vielleicht 10 Jahren zu einem Überangebot an Whisky kommt. Auch wirtschaftliche Faktoren sind wichtig. Geht es in Asien und Russland wirtschaftlich bergab, kann das natürlich auf die Whiskypreise Einfluss haben.

Was zeichnet nach Ihrer Ansicht einen Whisky aus, in den man investieren kann?

Das ist relativ einfach. Limitierung, wenn möglich Originalabfüllungen oder bekannte unabhängige Abfüllungen, Jahrgangswhisky. Natürlich ist auch der Zustand extrem wichtig. Auch gute Punktzahlen bei Jim Murray oder Serge können ein Indikator sein.

Gibt es für den Anleger so etwas wie Faustregeln, nach denen man einkaufen sollte? Soll ich zum Beispiel überhaupt in Neuerscheinungen investieren oder eher in alte Abfüllungen?

Im Prinzip zählen die gleichen Punkte wie bei der vorherigen Frage. Gute Informationsquellen können Whiskyforen oder Whiskyblogs sein. Hier erfährt man oft Trends und Meinungen von Whiskyfreunden. Das ist nicht zu unterschätzen! Eine Anlage ist nur so gut wie sein Käufer. Es gibt Whiskys mit theoretischem Wert – nur wenn sie keiner kauft, bringt einem die Wertanlage nichts.

Und wie langfristig muss ich als Investor denken?

Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Whiskys, die entwickeln sich vom Wert unheimlich schnell – innerhalb von Monaten. Diese Whiskys erreichen aber meist auch schnell ein Plateau, nachdem nicht mehr viel passiert. Bei Klassikern bekannter Marken geht das oft langsamer, dafür auch beständiger. Ich würde sagen, ein guter Anlagehorizont sind 5-10 Jahre.

timwarehouse fettercairn
Im Warehouse von Fettercairn

Eine gängige Meinung, die man immer wieder in Gesprächen hört ist, dass es eigentlich schon zu spät sei, um in Whisky zu investieren, weil wir uns nahe den Höchstpreisen befänden. Sehen Sie das auch so?

Ich bin der Meinung, das Gegenteil ist der Fall. Gerade jetzt kommen noch viele gute, bezahlbare Qualitäten auf den Markt. Ob das in Zukunft auch noch so sein wird, steht zur Diskussion. Gute Fässer sind knapp, die Destillerien gehören meist großen Konzernen, bei denen es um Profit geht. Ob sich da die Qualität halten kann werden wir sehen.

Wie ist die Situation bei den Lost Distilleries? Da gibt es ja welche, von denen kaum mehr Fässer vorhanden sind – und seltsamerweise sind es nicht diese, wie zum Beispiel Coleburn oder Millburn, die die besten Preise erzielen, sondern solche, bei denen man getrost davon ausgehen kann, dass man noch längere Zeit mit Abfüllungen rechnen kann, wie zum Beispiel Port Ellen. Wie sehen Sie das?

Also prinzipiell glaube ich, dass fast jede Abfüllung einer Lost Distillery eine gute Anlage ist. Gerade auch die genannten Coleburn und Millburn sind gefragt. Port Ellen ist meiner Meinung nach „der Vater“ der Lost Distilleries. Ein zu seiner Zeit verkannter Whisky, viele Emotionen und außergewöhnlicher Geschmack. Port Ellen hat einfach alles, was ein Whisky mit Wertsteigerungspotential braucht.

Und wie sieht das mit extra für Sammler aufgelegten Sonderausgaben aus? Würden Sie selbst in solche investieren?

Aber natürlich! Nur – das sind typische Whiskys für die kurz- bis mittelfristige Anlage. Oder man muss sehr lange warten. Die Wertentwicklung dieser Whiskys ist meist auch nicht linear, sondern verläuft in einer Wellenbewegung.

Welche Summe müsste man in die Hand nehmen, um sich einmal vernünftig auszustatten?

Die Frage ist: Ausstattung zum Genießen oder als Geldanlage. Mein Lieblingswhisky kostet keine 30€. Als Geldanlage gibt es vieles zu beachten – vom steuerlichen Aspekt über Lager- und Versicherungskosten – da gibt es einige Fallstricke, denen sich viele nicht bewusst sind. Prinzipiell kann man auch mit wenig Geld viel erreichen. Wir haben Kunden, die monatlich einen kleinen dreistelligen Betrag investieren in etwa wie bei einem Bausparvertrag oder Lebensversicherung. Wir haben aber auch Kunden, die einen 6 stelligen Betrag investiert haben.

Als Investor möchte man ja irgendwann seine Anlageobjekte wieder verkaufen – welche Tipps haben Sie da? Eher über Auktionshäuser? Als ganze Sammlung? Einzeln an Private?

Das kommt auf die Menge und Wert der Whiskys an. Wer Einzelflaschen hin und wieder aus seiner Sammlung verkauft, ist sicher auf einer Versteigerungsplattform gut aufgehoben. Wobei man hier auf die Gebühren achten muss – die können leicht den Gewinn auffressen. Bei Sammlungen ist es wie bei Autos – mit Einzelteilen verdient man in der Regel mehr als mit der ganzen Sammlung, allerdings ist das auch mühsamer.

Wo sehen Sie momentan die größten Potentiale, wo die größten Gefahren für Leute, die in Whisky investieren?

Die größten Potentiale sind mit Sicherheit die noch recht gute – und in Relation günstige – Verfügbarkeit von Top Whiskys. Eine große Gefahr stellen Fälschungen dar, oft aus Süd- und Osteuropa. Wir haben immer wieder Anrufe von Leuten, die unser Leergut (von der Whiskybotschaft, hier schenken wir aus) kaufen wollen. Mit Verpackung noch besser. Wer kauft Leergut und dann noch massenweise??

timtuennermann

Kommen wir noch einmal zurück auf Whisky als Genuss- und Verbrauchsmittel. Was ist ihre Lieblingsrichtung bei Whisky? Was sollte man unbedingt einmal probiert haben?

Ich glaube, beim Whisky ist es ähnlich wie beim Wein. Beim Wein fängt man meist süß an und hört trocken auf. Beim Whisky ist es ähnlich, nur das man hier meist in der Torfschiene landet. Das Schöne beim Whisky ist ja, dass es so unglaublich viele Geschmacksnuancen gibt. Für jede Gelegenheit gibt es den richtigen Malt. Wenn man sich mit Whisky beschäftigt, sollte man versuchen, aus jeder der größeren Regionen Schottlands einen Whisky zu probieren. Darüber hinaus ein paar Exoten aus Indien und Japan etwa. Und natürlich aus Deutschland! Wir haben in der Zwischenzeit ausgezeichneten Whisky aus unserem Land!

Und unsere Standardfrage zum Abschluss: Wären Sie ein Whisky, dann welcher – und warum?

Es kann nur einen geben… Laphroaig. Der Whisky, mit dem für meine Frau und mich die Whiskyleidenschaft begann!

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Tünnermann.

2 Kommentare

  1. Sehr interessanter Bericht!
    Ich beschäftige mich viel mit der Sache, habe mein Erspartes in Whisky angelegt.
    Ich finde, man könnte öfter über solche Themen berichten, nicht immer nur das gleiche: neue Distillerien, neue Abfüllungen…
    Mehr davon!

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