Heute findet zum ersten Mal der Internationale Tag der Whisky-Frauen statt, mit dem die Leistungen von Frauen in der Whisky-Industrie besonders gewürdigt werden. Aus diesem Anlass finden Sie heute auf Whiskyexperts ausschließlich Beiträge von Frauen aus der Whiskyszene. Den Beginn macht MargareteMarie vom Blog whiskyundfrauen. Sie nimmt diesen Tag zum Anlass, einen genaueren Blick auf das Verhältnis von Whisky und Frauen zu werfen.
Frauen sind in der Whisky-Industrie noch immer eine kleine Minderheit, die von der Männerwelt allzu gerne übersehen wird. Während in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft Frauen längst eine Selbstverständlichkeit geworden sind, gilt Whisky bis heute als absolute Männerdomäne, in der Frauen nicht mehr als eine Randnotiz sind.
Nur ganz allmählich kommt eine Trendwende in Sicht, nur zögerlich wird auch Frauen Zutritt zu diesem Heiligen Gral der feinen Geister gewährt. Doch wie konnte es eigentlich dazu kommen, dass Frauen so lange dieses Terrain gemieden haben, und Männer bis heute die Whisky-Szene so nachhaltig dominieren?
Um dieses Phänomen zu verstehen, muss man einen Blick zurück in die Vergangenheit werfen. Denn nicht immer war das Verhältnis von Frauen und Whisky so entspannt und fröhlich wie in unserer modernen Zeit, und nur allzu oft war diese Beziehung von Problemen, Missverständnissen und sogar Ablehnung geprägt – und zwar auf beiden Seiten.
Die Ursprünge für diese schwierige Beziehung finden wir bereits im 18. und 19. Jahrhundert, als infolge der Industrialisierung sowohl Alkohol-Produktion als auch Alkohol-Konsum drastisch anstiegen, und traurige Begleiterscheinung einer weit verbreiteten sozialen Verelendung wurden. Es waren vor allem die Frauen und Kinder, die unter den negativen Seiten dieser Entwicklung zu leiden hatten.
„Lips that touch liquor shall not touch ours“ – „Lippen, die Alkohol berühren, werden nicht unsere Lippen berühren“ – so lautete ein Leitspruch, der in jenen Tagen entstand und der nur ahnen lässt, wie viel Leid und Kummer diese Frauen durch alkoholisierte Männer wohl erfahren mussten. Männer, die ihr ganzes Geld im Alkohol ertränkten, die Frauen schlugen, die Kinder vernachlässigten, waren keine gute Werbung für das hochprozentige Wasser des Lebens.
Wen mag es da verwundern, dass es vor allem Frauen waren, die in Amerika und Europa aktiv und vehement für das Verbot von Alkohol kämpften. Großen politischen Einfluss hatte damals die „Woman’s Christian Temperance Union“, der „Christliche Frauenbund für Abstinenz“, der als nationale Organisation im November 1874 in Ohio gegründet wurde und rasch weltweit viele Anhänger fand.
Unter dem erheblichen Druck der Abstinenz-Bewegung begann 1919 in den USA schließlich die Zeit der Prohibition, in vielen anderen Ländern geriet Alkohol zunehmend in Verruf. Anti-Alkoholiker-Verbände erfuhren auch in England, Schottland und Wales großen Zuspruch. 1921 hatte die WCTU bereits 345.000 Mitglieder, die in mehr als 12.000 lokalen Gruppen und 53 Staaten aktiv waren und damit zur größten Frauen-Organisation der damaligen Zeit wurde. Denn die WCTU kämpfte nicht nur für ein Verbot von Alkohol, sondern auch für mehr Rechte der Frauen und für soziale Reformen. Es ist kein Zufall, dass fast zur gleichen Zeit, als die Forderungen nach einem absoluten Alkoholverbot in Nord-Amerika und Europa laut wurden, auch in vielen Ländern das Frauenwahlrecht ein wichtiges Thema wurde.
Auch wenn die Prohibition bereits 1933 wieder abgeschafft wurde – Frauen und Whisky haben noch Jahrzehnte danach in einem schwierigen Beziehungsstatus verweilt. Whisky, das war etwas für harte Männer, nichts für Sissies und erst recht nichts für das Weibervolk.
Und doch gab es immer wieder Frauen, die gegen den Strom schwammen, die sich weder vor Männern noch vor Hochprozentigem fürchteten und sich nicht mit festgefahrenen Rollenmustern zufrieden geben wollten.
Fred Minnick hat in seinem Buch „Whiskey Women“ (2013) viele dieser Frauen beschrieben. Frauen wie die Amerikanerin Catherine Spears Frye Carpenter, deren Rezept von 1818 für einen „Sweet Mash Whiskey“ erhalten blieb. Oder Mrs. Meriwether, die 1783 von Thomas Jefferson damit beauftragt wurde, eine bestimmte Menge Rye Whisky zu brennen.
Auch in Schottland gab es solche Frauen: Helen Cumming beispielsweise, die jahrelang mit ihrem Ehemann John im schottischen Hochland illegal Whisky brannte und schmuggelte, ehe sie 1824 eine offizielle Lizenz für die Brennerei Cardhu erwarben. Bessie Williamson, erst Managerin und schließlich auch Besitzerin von Laphroaig, die von der englischen Queen für ihr soziales Engagement mit dem St. Johns-Orden ausgezeichnet wurde. Margaret McDougall, die 1853 Anteile an der Brennerei Ardbeg erbte, jahrelang als Brennmeisterin in der Brennerei lebte und 15 Angestellte hatte. Ann Matheson, die mit ihrem Sohn John die Brennerei Glenmorangie von 1862 bis 1887 leitete. Die Robertson-Schwestern, die ihr Whisky-Erbe in eine Stiftung überführten, die bis heute besteht und eine der größten Wohltätigkeits-Organisationen Schottlands ist.
Und wer kennt nicht die berühmte Film-Szene mit Greta Garbo als „Anna Christie“ (1930), als sie einen Whisky bestellt. Man muss sich das einmal vorstellen: mitten in der Hochphase der Prohibition tritt die Garbo zum ersten Mal in ihrer Karriere in einem Tonfilm auf und die aller ersten Worte, die die Göttliche jemals auf der Leinwand spricht, sind: „Give me a whiskey“ – „Gib mir einen Whisky“. Alkohol ist damals in den USA bereits seit über einem Jahrzehnt verboten. Man kann nur ahnen, wie furchtbar gerne die Mehrheit der Männer im Publikum dieser Frau zugerufen hätte: „Yes, yes, give me a whiskey!“
Doch die meisten Frauen wagen es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr, ihre Stimme zu erheben, wenn es um Whisky geht. Zu nachhaltig hat der Kreuzzug der Frauen gegen das teuflische Getränk ihre eigene Wahrnehmung beeinflusst. Whisky und Frauen, das gehört sich nicht.
Erst in jüngerer Zeit entdecken Frauen wieder vermehrt die positiven Seiten des goldenen Getränks, und immer häufiger gelangen Frauen auch in der Whisky-Industrie in Schlüsselpositionen. Endlich. Der Anfang ist gemacht.