Donnerstag, 19. September 2024, 23:06:04

Echt jetzt? Was bringen Frauen dem Whiskybusiness?

Ein Beitrag von Jasmin Haider-Stadler, GF Waldviertler Whisky und Obfrau der Austrian Whisky Association

Eine wirklich kompetente Auseinandersetzung mit dem Thema “Frauen im Whiskybusiness” kann eigentlich nur von einer Frau aus dem Whiskybusiness kommen, dachten wir uns vor einiger Zeit. Und haben daher mit Jasmin Haider-Stadler Kontakt aufgenommen. Sie ist nicht nur die Geschäftsführerin der größten österreichischen Whiskybrennerei Whisky-Destillerie Haider & Erlebniswelt (deren zweite Geschäftsführerin ebenfalls eine Frau ist), sondern auch die Obfrau der AWA, der Austrian Whisky Association, dem Zusammenschluss vieler österreichischer Whiskydestillerien. Sie kennt Whisky von der Pike auf – und wie es ist, eine Frau im Whiskybusiness zu sein.

Mit diesem Wissen und dieser Erfahrung hat Jasmin Haider-Stadler für Whiskyexperts den nachfolgenden Text über das Thema geschrieben. Und zu dem haben wir nichts mehr hinzuzufügen außer eines: Absolute Leseempfehlung.

GastartikelAutor: Jasmin Haider-Stadler

Echt jetzt?

WAS BRINGEN FRAUEN DEM WHISKYBUSINESS?

Ob Whisky ein „Männergetränk“ ist, ist ja fast schon eine abgenutzte Fragestellung. Die Vorstellung, dass Whisky „männlich“ sei, ist tief in kulturellen und historischen Stereotypen verwurzelt. Lange Zeit wurde in Werbung und Popkultur Whisky als Getränk für starke Männer dargestellt. Diese Darstellung hat dazu geführt, dass sich viele Frauen nicht angesprochen fühlten oder dass ihr Interesse an Whisky als „untypisch“ abgetan wurde.

Doch diese Klischees werden immer mehr infrage gestellt. Die Realität ist: Frauen haben schon immer Whisky getrunken – und viele von ihnen sind leidenschaftliche Whiskyfans.

„Die Emanzipation der Frauen ist nicht mehr aufzuhalten, seitdem die Damen dazu übergegangen sind, den Whisky nicht mehr heimlich zu trinken“.

Oscar Wilde

Dennoch werden Frauen in der Whiskyindustrie prinzipiell als Konsumentinnen unterschätzt. Whiskywerbung richtete sich traditionell fast ausschließlich an Männer, und das Bild des Whiskytrinkers wird noch immer hauptsächlich durch Stereotype von Männlichkeit geprägt. Die Zeiten ändern sich zwar langsam, nicht zuletzt durch Initiativen wie OurWhisky, die sich seit 2018 für Sichtbarkeit und Förderung von Frauen in der Whiskybranche einsetzt, aber das traditionelle Image der Industrie besteht nach wie vor. Nur Tröpfchen für Tröpfchen fühlt sich das Fass der Gleichstellung und ist dabei noch nicht mal annähernd halb gefüllt.

Fotorechte: OurWhisky Foundation, Fotografin: Jo Hanley

Wirtschaftlich wertvoll: Absatzmotor Frau

Frauen stellen heute definitiv eine wachsende und bedeutende Konsumentengruppe für Whisky dar, und viele Marken erkennen den wirtschaftlichen Wert, den sie mitbringen.

Studien haben gezeigt, dass Frauen zunehmend Whisky trinken – sowohl in Bars als auch zuhause. Ihr Interesse an hochwertigem Single Malt, Bourbon oder irischem Whiskey nimmt stetig zu. Laut einer Analyse von International Wine & Spirit Research haben Frauen einen bedeutenden Einfluss auf den Whiskykonsum zu Hause, auch wenn Männer oft als Hauptkäufer auftreten.

Besonders interessant ist, dass Frauen oft sehr bewusst und qualitätsorientiert konsumieren. Sie erkunden gerne die unterschiedlichen Aromen, probieren neue Marken aus und sind offen für Nischenprodukte. Diese differenzierte und engagierte Herangehensweise macht Frauen zu einer besonders wertvollen Zielgruppe für die Whiskybranche. Belege dafür liefern mehrere Studien, darunter eine von The Spirits Business, die darauf hindeutet, dass Frauen beim Kauf von Whisky tendenziell qualitätsbewusster sind und sich für Geschichte, Herkunft und Herstellung des Produktes interessieren, während Männer eher markentreu sind.

Marken, die bewusst die weibliche Zielgruppe ansprechen, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil. Dies zeigt sich nicht nur im Absatz von klassischen Whiskys, sondern auch in der wachsenden Popularität von speziellen Abfüllungen und limitierten Editionen, die oft besonders auf qualitätsbewusste Konsumenten abzielen.

Viele Whiskyhersteller haben inzwischen erkannt, dass Frauen eine wichtige demografische Gruppe für den Absatz von Whisky sind. Marken wie Glenfiddich, ArdbegoderThe Macallan haben ihre Marketingstrategien erweitert, um gezielt Frauen zu adressieren. Statt nur auf traditionelle Männlichkeitsbilder zu setzen, werben sie zunehmend mit einer moderneren, inklusiveren Ansprache, die Vielfalt und Gemeinschaft betont. Diese neuen Marketingansätze sind erfolgreicher denn je und sprechen ein breites, gemischtes Publikum an.

Durch die gezielte Ansprache von Frauen, schaffen Marken nicht nur Umsatzwachstum, sondern auch eine inklusivere, moderne Whiskywelt.

Bereiche in denen dieser Ansatz greift sind etwa Verpackung und Design, das sowohl Männer als auch Frauen anspricht. Whiskyflaschen und Etiketten werden moderner und stilvoller gestaltet, um ein breiteres Publikum zu erreichen.

Immer mehr Marken organisieren Whiskyverkostungen speziell für Frauen oder schaffen Plattformen, auf denen Frauen sich über ihre Leidenschaft für Whisky austauschen können. Solche Events bieten Frauen nicht nur die Möglichkeit, neue Whiskys zu entdecken, sondern auch, Teil der Whisky-Community zu werden.

Frauen legen oft großen Wert auf die Geschichte hinter einer Marke. Marken, die transparente Einblicke in ihre Herstellung, Herkunft und Philosophie bieten, sind bei Konsumentinnen besonders beliebt. Das Storytelling wird zunehmend authentischer und greifbarer – ein wichtiger Aspekt, der Frauen anspricht.

Viele Frauen, die in der Whiskybranche tätig sind, nutzen soziale Medien erfolgreich, um ihre Expertise und Leidenschaft zu teilen. Sie kreieren Inhalte, die sowohl unterhaltsam als auch informativ sind, und schaffen so eine persönliche Verbindung zu ihrer Community. Diese direkte Kommunikation mit Konsumenten ist ein wichtiger Faktor für die Markenbildung und den Absatz.

Untersuchungen zeigen auch, dass Frauen Whisky anders entdecken. Während Männer traditionell eher durch Bars und Freunde an neue Marken herangeführt werden, nutzen Frauen häufiger Whiskyverkostungen und Social Media-Plattformen, um Empfehlungen zu erhalten.

Fotorechte: OurWhisky Foundation, Fotografin: Jo Hanley

Und was bringt den Frauen das Whiskybusiness?

Die Whiskyindustrie ist geprägt von Geschichte, Tradition und Handwerkskunst – doch oft wird vergessen, dass Frauen seit Jahrhunderten eine entscheidende Rolle in dieser Branche spielen. Frauen haben immer wieder Meilensteine erreicht und die Industrie nachhaltig geprägt.

Etwa Bessie Williamson, die in den 1930er Jahren als Sekretärin bei der Laphroaig-Destillerie auf der schottischen Insel Islay begann und später zur Besitzerin und Managerin der Destillerie wurde – eine beachtliche Leistung in einer Zeit, in der Frauen kaum in Führungspositionen vertreten waren. Unter ihrer Leitung wurde Laphroaig zu einer der bekanntesten Marken der Region, und sie gilt als die erste Frau, die eine große schottische Destillerie leitete.

In den letzten Jahrzehnten haben viele Frauen in der Whiskyindustrie begonnen, sich erfolgreich selbst zu vermarkten – sowohl als Fachkräfte als auch als Markenbotschafterinnen. Sie nutzen ihre Expertise und Leidenschaft, um die Vielfalt und Qualität von Whisky zu betonen und gleichzeitig Geschlechterklischees in der Branche aufzubrechen.

Ein bemerkenswertes Beispiel, für eine der wenigen Frauen, die den prestigeträchtigen Titel Master Blender tragen, ist Rachel Barrie. Barrie ist für die Kreation außergewöhnlicher Whiskys bekannt und hat für einige der renommiertesten Destillerien gearbeitet, darunter GlenDronach, BenRiach und Glenglassaugh. Sie nutzt ihre Rolle als Vorbild für andere Frauen in der Branche und um die Bedeutung von Expertise über Geschlechtergrenzen hinweg zu betonen und gleichzeitig ein breiteres Publikum für Whisky zu begeistern. Barries Fähigkeiten und ihr Wissen haben zahlreiche preisgekrönte Whiskys hervorgebracht.

Oder auch Heather Nelson, die mit der Toulvaddie Distillery eine der ersten ökologisch betriebenen Whisky-Destillerien in Schottland betreibt. Nelsons Ansatz verbindet Nachhaltigkeit und traditionelle Whiskyherstellung. Sie ist eine Pionierin auf dem Gebiet der nachhaltigen Whiskyproduktion und zeigt, dass Innovation und Umweltbewusstsein auch in traditionellen Branchen, wie der Whiskyindustrie, möglich sind.

Neben den Leistungen einzelner Frauen spielen auch Initiativen und Stiftungen eine wichtige Rolle dabei, Frauen in der Whiskybranche zu fördern. Eine der bekanntesten dieser Initiativen ist OurWhisky, die 2018 von Becky Paskin gegründet wurde. OurWhisky setzt sich für die Sichtbarkeit und Förderung von Frauen in der Whiskybranche ein und zielt darauf ab, das traditionelle, männerdominierte Image der Industrie aufzubrechen. Paskin hat es geschafft, sich als eine der führenden weiblichen Stimmen in der Whiskybranche zu etablieren.

Authentizität und Fachwissen als Schlüssel zu erfolgreicher Selbstvermarktung, in einer traditionell männerdominierten Branche.

All diese Beispiele zeigen, dass Frauen eine entscheidende Rolle spielen in diesem Business und das sie aktiv die Zukunft der Branche mitgestalten.

Voller Körpereinsatz – eine unterschätzte Herausforderung

Die Herausforderungen, denen Frauen aber in der Whiskyindustrie gegenüberstehen, beginnen oft subtil und sind doch tief verwurzelt. Kleine Gesten wie abfällige Kommentare oder ungläubiges Lächeln, wenn eine Frau über Whisky spricht, können zu einem Umfeld führen, in dem Frauen weniger ernst genommen werden. Solche Situationen summieren sich und schaffen eine Atmosphäre, in der Frauen sich oft stärker beweisen müssen, um die gleiche Anerkennung wie ihre männlichen Kollegen zu erhalten – sei es in Meetings, auf Messen oder bei Verkostungen.

Viele Männer sind sich möglicherweise nicht bewusst, wie ihr Verhalten oder ihre Kommentare wahrgenommen werden. Oft handelt es sich nicht um absichtliche Abwertung, sondern um unbewusste Voreingenommenheit, die tief in unserer Gesellschaft verwurzelt ist.

„Wenn du es nicht verkraftest, dann bist du falsch in dem Business.“

Ein Beispiel aus der Branche, das zeigt das diese Problematik durchaus bekannt ist. Es ist in der Denkweise dieses Brancheninsiders fest verankert, dass es in Ordnung sei, unangebrachte oder vielleicht sogar anzügliche Sprüche gegenüber Frauen zu machen und es die Aufgabe der Frau sei, damit umzugehen.

Es kommt vor, dass Frauen bewusst oder unbewusst auf ihr Äußeres reduziert werden. Dies kann zu Missverständnissen führen, bei denen ihre Präsenz nicht als beruflich wertvoll, sondern als „Verkaufsstrategie“ interpretiert wird. Diese Art von Wahrnehmung ermutigt manche Männer dazu, Frauen mit „harmlosen“ Sprüchen oder sogenannten „positiv gemeinten“ Kommentaren zu begegnen, die in Wirklichkeit sexistische Untertöne haben.

Fotorechte: OurWhisky Foundation, Fotografin: Christina Kernohan

Die Realität in der Whiskybranche

Trotz der Fortschritte in der Gleichstellung bleibt die Whiskybranche ein Bereich, in dem patriarchale Strukturen bestehen, wie das folgende Zitat aus einem Verkostungsvideo auf YouTube zeigt:

„Es ist für die meisten nicht mehr außergewöhnlich, dass Frauen im Whiskybusiness mit dabei sind – aber das ist ja auch in Ordnung“.

Unterschiede sind tief in der gesellschaftlichen Wahrnehmung verankert.

Frauen dieselben Chancen, dieselbe Anerkennung und denselben Respekt zuteil werden zu lassen wie ihren männlichen Kollegen bedeutet nicht Männer zu benachteiligen oder ihnen Rechte zu nehmen. Es geht darum, Gleichberechtigung zu schaffen und sich nicht vor der Realität zu verschließen:

  • Frauen erleben in Meetings, auf Messen und in ihrer alltäglichen Arbeit immer noch Vorurteile. Viele berichten, dass ihr Wissen oder ihre Kompetenz infrage gestellt wird, vor allem in männlich dominierten Räumen wie Whisky-Verkostungen.
  • Frauen in der Whiskybranche werden oft auf ihr Aussehen reduziert, und ihre berufliche Kompetenz wird häufig an ihr Alter und ihre Attraktivität gekoppelt. Jüngere Frauen sehen sich mit Vorurteilen konfrontiert, die ihre Fähigkeiten infrage stellen, während älteren Frauen mehr Kompetenz zugeschrieben wird – allerdings oft nur, wenn sie nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechen.
Fotorechte: OurWhisky Foundation, Fotografin: Christina Kernohan

Wie war noch mal die Frage?

Auch in Interviews erhalten Frauen häufig andere Fragen als ihre männlichen Kollegen, gestellt. Das zeigt etwa eine Umfrage von OurWhisky aus dem Jahr 2023, die 600 Frauen, die in der Whiskybranche arbeiten, interviewte.

„Trinken sie denn überhaupt Whisky?“

80% der befragten Frauen gab an, dass ihnen diese Frage schon einmal gestellt wurde. 70% der Frauen hatten schon Erfahrungen mit unangenehmen, sexuellen Bemerkungen ihnen gegenüber und 33% sogar unangemessene Berührungen erlebt. Vor allem bei jenen Frauen die in direktem Kundenkontakt arbeiten, wie bei Messeständen oder im Vertrieb.

Die Frauen gaben außerdem an bei Tastings unterbrochen zu werden und dass ihr Wissen in Frage gestellt wurde. Männer verließen sogar teilweise den Raum, bei Tastings die von einer Frau geleitet wurden.

Außerhalb der Whiskyblase lässt sich das an Beispielen fest machen, wie die Frage nach der Kindererziehung, die meist nur Frauen gestellt wird. Oder die Frage, ob sich eine Frau als Powerfrau bezeichnen würde. Was ist ein Powermann? Ebenso wie Karrierefrau vs. Karrieremann oder Familienvater und Familienfrau. Es werden Unterschiede gemacht in der Sprache und so Frauen auf ihr Geschlecht reduziert, anstatt ihre berufliche Leistung zu würdigen.

Um die bestehenden Herausforderungen anzugehen, ist es wichtig, ein Bewusstsein für die Problematiken zu schaffen. Ziel ist es nicht, Männer in der Whiskybranche zu benachteiligen, sondern Frauen die gleichen Chancen, die gleiche Anerkennung und den gleichen Respekt zu gewähren.

Die Whiskyindustrie besitzt das Potenzial, sich weiterzuentwickeln und ein Umfeld zu schaffen, in dem Männer und Frauen gleichberechtigt agieren können. Dieser Veränderungsprozess kann emotional aufgeladen sein und erfordert, dass traditionelle Denkweisen hinterfragt werden. Letztendlich geht es jedoch darum, dass Whisky allen offenstehen sollte – unabhängig vom Geschlecht.

Es ist an der Zeit alte Rollenbilder abzulegen und die Whiskybranche für alle Menschen gleichermaßen zugänglich zu machen. Whisky zu lieben und zu genießen ist keine Frage des Geschlecht.

Machosprüche sind nicht mehr zeitgemäß, auch wenn sie in der (Whisky-)Bibel stehen.

Fotorechte: OurWhisky Foundation, Fotografin: Christina Kernohan

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