Freitag, 22. November 2024, 00:24:30

Single Malt am Hühnerstall – Mit Nc’Nean auf Bio-Landpartie

Annabel Thomas kam mit einem neuen Nc'Nean Whisky nach Deutschland ins Biogut Wulksfelde - unser Autor Peter Eichhorn war dabei

Vor kurzem lud der deutsche Importeur der Whiskys der Nc’Nean Distillery, Kirsch Import, zu einem Event auf dem Biogut Wulksfelde in der Nähe von Hamburg, bei dem unter anderem auch die Gründerin und Geschäftsführerin der Destillerie, Annabel Thomas anwesend war.

Über das, was dort vor Ort geschah, hat unser Autor Peter Eichhorn einen Bericht geschrieben. Kommen Sie also mit auf das Biogut und erfahren Sie mehr über den Whisky, der in keiner passenderen Umgebung hätte präsentiert werden können:

GastartikelAutor: Roland Graf

Single Malt am Hühnerstall – Mit Nc’Nean auf Bio-Landpartie

Grimmig hat sich der Himmel verdunkelt, der Regen prasselt in Strömen hernieder. Und in wenigen Minuten soll sich die Schar der Whisky-Experten und Pressevertreter auf einem Bio-Bauernhof an der Schnittstelle zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein einfinden, um die ökologische Landwirtschaft dort kennenzulernen und mit einem Glas Whisky zu zelebrieren. Immerhin legt das einladende Team von Kirsch Import einen Regenschirm, hergestellt aus recycelten Materialien, für die Teilnehmenden bereit. Wie heißt es doch so schön: Der Regen von heute ist der Whisky von morgen!

Doch wie durch ein Wunder bricht plötzlich der Himmel auf, die Regenwolken ziehen weiter und die Mienen der Anwesenden hellen sich schlagartig auf. Also hinein in das ländlich Idyll und auf zur Erkundung von Nc’Nean Whisky.

Unsere Gastgeberin ist Annabel Thomas, die Gründerin und Geschäftsführerin der Destillerie, idyllisch gelegen am Sound of Mull. Quasi vis à vis von Tobermory. Das junge Whisky-Projekt entstand 2017 und seit 2020 können auch die ersten Whiskys der Destillerie probiert werden. Das Team um Annabel Thomas schreibt sich auf die Fahnen, aufregende Destillate zu erzeugen und dabei zugleich ein Vorreiter im Hinblick auf Nachhaltigkeit zu sein. 2012 erhielt Nc’Nean als erste schottische Destillerie das Zertifikat, das die Brennerei als Null-Emissions-Unternehmen auszeichnet.

Nach einem entspannten Whisky-Soda mit Minzzweig unternehmen wir zunächst eine Begehung des traditionsreichen Gutshofs Wulksfelde. In Schleswig-Holstein gelegen, verweist es dennoch auf eine Hamburger Geschichte als Staatsgut der Hansestadt, das seit 1989 mit Hof und knapp 270 Hektar Land an die Betreiber des mittlerweile größten Biobauernhofes der Region verpachtet wird. Wir erhalten spannende Einblicke in die Kreisläufe einer Bio-Landwirtschaft und die erforderliche Balance aus Tieren, Dünger, Anbau und Wasser. Nach einem Besuch der Hofbäckerei, die täglich 4.500 Brote in 26 verschiedenen Variationen fertigt, geht es zu fröhlichen Schweinen und glücklichen Hühnern. Zur Fütterung gibt es für die Hühner Korn, für die Whisky-Enthusiasten wird Whisky ausgeschenkt. Die Landluft, die Bio-Tradition und Aura der Nachhaltigkeit setzen die Atmosphäre für die kommenden Stunden und die Gespräche rings um den Whisky und die Zukunftsvision von Nc’Nean.

Ein vorzügliches Menü, auf Whisky-Basis kreiert vom Küchenchef des gutseigenen Restaurants, Matthias Gfrörer, und abwechslungsreiche Drinks von den Barkeepern des Kirsch-Teams, bildeten den Rahmen für das Gespräch mit Annabel Thomas.

Schmunzelnd erinnert sie sich an die Anfänge: „Früher war ich London als Beraterin tätig. Berater sind stets gut darin, Pläne zu verfassen. Aber sie müssen diese Pläne in den seltensten Fällen selbst ausführen. Somit war der Aufbau einer eigenen Destillerie für mich komplettes Neuland und eine große Herausforderung. Doch Investoren wurden gefunden und auch die wichtigen Fragen rings um Energie, Holz, Biomasse und alle damit verbunden Anlagen wurden nach und nach geklärt, auch wenn der Transport der Gerätschaften zu unserer eher abgelegenen Destillerie doch etwas beschwerlich waren.“

Unbedingt wollte Annabel Flaschen aus wiederverwertetem Glas: „2020 hatten wir urplötzlich etwas, was wir abfüllen konnten. In was sollten wir es hineintun? Wir wollten, dass die Leute unser Destillat sehen können, also galt es, eine klare Flasche zu verwenden.“ Eine schwierige Jagd begann, die in Berlin auf dem BCB begann und von dort über Spanien und Italien nach Polen führte und schließlich so von Erfolg gekrönt war, dass nun das Glas, die Etiketten und die Verschlüsse der Flaschen alle Vorgaben erfüllen, die das Team gestellt hatte.

Weiter berichtet unsere charmante Gastgeberin von der biologisch angebauten einheimischen Gerste, von der Auswahl der Fässer, die ideal zum Destillat passen würden. Fündig wurde man bei früheren Bourbon, Oloroso Sherry und Rotwein STR Fässern. Nebenher stellten sich stets die Herausforderungen der konsequenten Nachhaltigkeit. Destillerien haben einen sehr hohen Wasserverbrauch. Kurzerhand wurden Pläne für einen eigenen See entwickelt, der einen Wasserkreislauf ermöglicht und Verschwendung reduziert.

„Wir brennen zwei sehr unterschiedliche Destillate. Das eine ist so konzipiert, dass es jung getrunken wird. Das Zweite ist für eine längere Reifungszeit vorgesehen. Dieses zweite Destillat konnte aber offensichtlich noch niemand trinken“, lacht Annabel. Das junge Destillat hat einen sehr hohen Cut Point, um einen sehr reinen New Make zu erhalten. Auf diesem basiert auch der „Organic Spirit“, ein naher Verwandter des Gins, den Nc’Nean produziert. Der reifere New Make basiert auf eher traditionellen Rezepten mit altbewährten Hefen und einem niedrigeren Cut Point. „Dieser New Make schmeckt viel erdiger, mit Ledernoten. Ich hoffe, er reift gut. Wir werden es in ungefähr sechs Jahren herausfindet“, wendet Annabel ihren Blick in die Zukunft: „Auch weiterhin werden wir intensiv experimentieren. Neben der Nachhaltigkeit sind diese Experimente unser zweiter Schwerpunkt.“

Als Resultat dieser Experimentierfreudigkeit dürfen wir eine Deutschlandpremiere erleben und sind die Ersten, die die „Huntress 2023 – Woodland Candy“ hierzulande verkosten dürfen. Ein besonderes Augenmerk legt Nc’Nean auf Hefen verschiedenster Art. Annabel deutet an, dass einige Bierhefen vorzüglich zu ihrem Produkt passen. Doch heute geht es zunächst um Weinhefen. Insgesamt wurde der neue Jahrgang der Huntress mit vier Hefen behandelt: Anchor, Fermentis und jeweils noch eine Rot- und Weißwein Hefe. Bei der Reifung spielten STR-Rotwein-Fässer eine prägende Rolle. Das Ergebnis fasziniert: in der Nase zarte Waldaromen mit Kräutern und Moos. Am Gaumen gesellen sich Nuancen von Getreide, Brot, Erde und Tabak hinzu. Aber auch etwas Frucht mit subtiler Aprikose. Röstnoten und Vanille begleiten den Nachhall.

Insgesamt wird es 4.558 Flaschen von dem spannenden Destillat mit 48,5 % Vol. Alc. geben.

Und mit diesem anspruchsvollen Tropfen geht ein spannender Tag im hohen Hamburger Norden zu Ende. Annabel Thomas ist gespannt, wie das „Woodland Candy“ hierzulande angenommen wir: „Deutschland ist nach Großbritannien unser wichtigster Markt, die Deutschen haben mich persönlich und Nc’Nean sehr freundlich aufgenommen.“ Sie freut sich auf ihren nächsten Besuch. Wir freuen uns auch auf sie und die „Queen of Spirits“. Denn nach jener legendären gälischen Neachneohain, Hüterin der Natur, eigenwillig voranschreitend, ist Nc’Nean benannt.

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