„Whisky ohne Altersangabe ist drei Jahre und einen Tag alt“.
Na, Hand aufs Herz: Wie oft haben wir das schon gehört oder vielleicht sogar selbst gesagt? Drei Jahre und einen Tag – das ist die Mindestreifedauer in Eichenfässern von schottischem Whisky. Stimmt das eigentlich auch so? Wie alt ist Scotch in der großen Masse denn eigentlich, wenn er abgefüllt wird und welche Menge an Whisky darf vor der Abfüllung für eine zweistellige Jahreszahl reifen? Nun, die Scotch Whisky Association (SWA) veröffentlicht seit 2009 jedes Jahr einen Report mit mehr oder weniger aussagekräftigen Zahlen und vielen Tabellen. Der neueste Report stammt dabei aus dem Jahr 2013 – die Zahlen für 2014 werden erst später in diesem Jahr erwartet. Basierend auf diesem Zahlenmaterial können wir einige Berechnungen anstellen und die sonst eher trockenen Daten anschaulicher darstellen. Unser Autor Klaus Doblmann hat dies getan und kommt in seinem Artikel auf einige interessante Fakten:
Vorneweg: Der SWA-Report enthält lediglich Zahlen ihrer Mitglieder, die aber immerhin ca. 95% der schottischen Destillationskapazität stellen. Enthalten sind auch die Mengen an Whiskys, welche von Nichtmitgliedern in den Lagerhäusern von Mitgliedern gelagert werden. Beides bringt eine gewisse Unschärfe in die Zahlen, ist aber unvermeidlich. Weiters ist anzumerken, dass die SWA bei den Inventurzahlen von Whisky diese nach Jahrgang auflistet. Diese wurden hier in Alter umgerechnet, was gewisse Trennunschärfen ergibt, da ja nicht die gesamte Jahresproduktion am 1. Jänner jedes Jahres in Fässer gefüllt wird.
Da aber stets gleiche Zeiträume verglichen werden, sind die absoluten Zahlen als solche dennoch vergleichbar, nur das Alter der Whiskys kann nicht ganz trennscharf abgebildet werden. Für den Überblick im Sinne dieses Artikels reicht es aber dennoch aus. Zu beachten ist auch noch, dass die SWA die Veränderung des Bestands in den Lagerhäusern zum Vorjahr angibt. Dabei wird es sich im überwiegenden Teil um Whisky, der zur Abfüllung (bzw. Bulk-Export) gebracht wird, handeln; dies wird für die Berechnungsgrundlage angenommen. Nicht berücksichtigt ist dabei, dass die Veränderung auch durch ausgelaufene Fässer, Transfer zwischen Lagern von SWA-Mitgliedern / Nichtmitgliedern etc. hervorgerufen werden kann. Da dieser Fehlerfaktor sich aber wohl über die Jahre ziemlich gleich verteilt, sind die Zahlen in den Relationen zueinander dennoch vergleichbar.
Dies sind leider mehr Annahmen und Einschränkungen als uns lieb ist, aber zur Bestätigung dient der Vergleich mit den Exportzahlen, welche nicht von der SWA sondern von den britischen Zollbehörden stammen (Quelle sind hierfür ebenfalls die SWA-Reports). Alle Angaben/Zahlen sind in LPA (Liter puren Alkohols)
Aus den Lagerhäusern entnommene Whiskys
Sehen wir uns zu Beginn an, welche Mengen an Malt Whisky, der älter als drei Jahre ist, zwischen 2009 und 2013 aus den Lagerhäusern entnommen wurden:
Diesem Diagramm können wir einige interessante Aussagen entnehmen:
- Die Grupper der Whiskys, die älter als zehn Jahre alt sind, bildet die größte Menge der Entnahmen aus den Lagerhäusern. Leider sind diese Zahlen wenig aussagekräftig, da sie eine sehr große Menge mit unterschiedlichen Zielgruppen darstellen – von der 12-jährigen Massenabfüllung bis zur 50-jährigen Luxusflasche. Was man dem Chart aber entnehmen kann, ist ein genereller Abwärtstrend seit 2011 – der rapide Anstieg davor kann ohne Zahlenmaterial aus den Jahren davor nicht gedeutet werden.
- Die Gruppe der drei, vier und fünf Jahre alten Whiskys liegt sehr nahe beisammen mit je ca. 30 Millionen Liter im Jahr 2013 und bildet zusammen die größte Gruppe. Interessant ist auch: Während die Drei- und Vierjährigen bis 2011 deutlich zugenommen – und seitdem wieder etwas abgenommen – haben, weist die Kurve für die Fünfjährigen einen durchgehenden Negativtrend auf. Man kann davon ausgehend darauf schließen, dass die Malt Whiskys in den Durchschnittsflaschen jünger werden. Zu beachten ist dabei, dass es keine Unterscheidung über die Verwendung gibt – seien es Single Malts, Blended Malts oder Blends. Es wäre aber nicht verwunderlich, wenn, angeschoben durch die immer häufiger werdenden Single Malts ohne Altersangabe, diese Kategorie nicht betroffen wäre.
- Genauere Betrachtung verdienen auch die sechsjährigen Whiskys: Die Kurve ging nach unten, von 18 Millionen Litern im Jahr 2009 zu 8.5 Millionen im Jahr 2010 mit einem sich nur teilweise erholenden Anstieg auf knapp 11 Millionen im Jahr 2013, was ebenfalls auf eine stärkere Nutzung jüngerer Whiskys hindeutet.
- Die Gruppe der sieben, acht und neunjährigen Whiskies spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle, während die Zehnjährigen relativ stabil zwischen 2,5 – 3 Millionen Litern liegen, mit einem leichten Ausschlag auf 4 Millionen im Jahr 2010.
- Der Report aus dem Jahr 2013 weist Anstiege der Lagervolumen von Malt Whiskies aus den Jahren 2004, 2005 und 2006 auf. Woher diese – eigentlich unlogischen – Einlagerungen stammen, ist nicht weiter erklärt. Wahrscheinlich sind hier Transfers aus Lagern von Nichtmitgliedern.
Sehen wir uns nun die Zahlen für die Gruppe der Grain Whiskies an, welche die Grundlage für Blends darstellen:
Diese Grafik sieht auf den ersten Blick ähnlich aus, es gibt aber etliche Kernunterschiede zum Malt Whisky:
- Die Mehrzahl der entnommenen Whiskys war gerade einmal drei Jahre alt – die Basis schlechthin für die Massen an zumeist sehr billigen Standardblends
- Vier und fünf Jahre alte Grain Whiskys sind vom Volumen her schon deutlich unterhalb der dreijährigen angesiedelt. Die Überschneidung der drei- und vierjährigen Whiskys im Jahr 2012 ist aus dem Datenmaterial nicht zu erklären.
- Bis auf die dreijährigen Grain Whiskys gibt es für alle Altersgruppen einen generellen Abwärtstrend seit 2011, besonders deutlich auch an Hand der „10+“ Gruppe ersichtlich. Steigen die Trinker gehobenerer Blends auf Single Malts um? Darauf kommen wir noch zu sprechen.
- die Gruppe „10+“ spielt bei den Grain Whiskies, anders als bei den Malts, eine untergeordnete Rolle und stellt nicht das höchste Volumen. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als Grain Whisky nun eben hauptsächlich für den Blend-Massenmarkt eingesetzt wird und nur in geringen mengen für lange gereifte, gehobenere Produkte.
Produktion von Malt Whisky vs. Verwendung
Diese Grafik muss zuerst näher erklärt werden: Die blaue Kurve zeigt zusammengefasst die drei- bis fünf Jahre alten Malt Whiskys, die aus den Lagern entnommen wurden, da diese Gruppe zusammen die Mehrheit der in der Industrie verwendeten Malts stellt. Die gelbe Linie zeigt zum Vergleich die Werte für die Whiskys, die älter als zehn Jahre sind, dar. Die rote Linie dagegen stellt den Mittelwert der Jahresproduktion von Malt Whisky aus den Jahrgängen dar, aus denen die im jeweiligen Jahr entnommenen 3 – 5 Jahre alten Whiskys stammen. Für 2010 ist hier also beispielsweise der Mittelwert der Produktion der Jahre 2005 – 2007 angegeben. Dies erlaubt uns zu vergleichen, wie sich die Produktionsplanung mit dem tatsächlichen Bedarf misst.
- Die Produktion hat sich deutlich erhöht, bevor sie im Jahre 2009 (209m LPA) und 2010 (191m LPA) zurückgefahren wurde, was in den Werten für 2013 ersichtlich ist. Was allerdings aus der Grafik nicht hervorgeht: Von 2011 an wurde die Produktion wieder massiv gesteigert, mit einem Rekordjahr 2013 (274.784.185 LPA).
- Für das erste Halbjahr 2014 hat die SWA einen Rückgang der Verkäufe von 11% (auf den Wert, nicht das Volumen bezogen) vermeldet. Es wird interessant zu sehen sein, wie sich dieser Trend aus massiv gesteigerter Produktion und rückgängigen Verkaufszahlen weiter entwickeln wird.
- Vom Jahre 2010 weg ist die Entnahme von Malt Whiskys mit einem Alter über 10 Jahren kontinuierlich zurückgegangen, wie weiter oben bereits festgestellt. Leider gibt es keine (öffentlichen) Zahlen vor dem Jahre 2009, so dass nicht feststellbar ist, ob die niedrigen zahlen für dieses Jahr eine Auswirkung der Weltwirtschaftskrise darstellen oder ob hier ein gewaltiges Wachstum zu verzeichnen war. Vergleicht man die Exportdaten vom britischen Zoll (die allerdings alle Whiskykategorien zusammenfassen und deshalb nicht zum direkten Vergleich herangezogen werden können), so sieht man, dass die Exportzahlen im Jahre 2008 (302m LPA), 2009 (304m LPA) und 2010 (297m LPA) deutlich unter den Zahlen für 2007 (318m LPA) liegen.
Exportvolumen 2008-2013
Wenn wir uns die Exportzahlen zwischen 2008 und 2013 ansehen, so bestätigt sich das Bild, das sich schon weiter oben bot, als wir die Entnahme von Whiskys aus den Lagern betrachteten: Bis 2011 war das Exportvolumen ansteigend – seitdem sind die Kurven flach beziehungsweise zeigen leicht nach unten.
Weiter oben stellte ich die Frage, ob die Genießer von teureren Blends nun eher auf Single Malts umsteigen – angesichts dieser Daten sind keine signifikanten Sprünge zu erkennen, im Gegenteil, bei den Malt Whiskys und den Single Malt Whiskys gibt es einen für zwei Jahre ungebrochenen Trend nach unten. Gerade da der Markt für Malts viel geringer als der für Blends ist, sollten sich Wechsler deutlicher bemerkbar machen. Vielleicht gibt es aber ja auch solche, die wechseln, und im Ausgleich dazu andere, die sich von den Single Malts wegen der steten und deutlich spürbaren Preisanstiege verabschieden? Wer weiß – das ist jetzt auch nur pure Spekulation, die Daten geben das nicht her.
Zusammenfassung
- Ja, die überwältigende Mehrheit aller schottischen Whiskys (Blends, Blended malts und Single Malts zusammengefasst) ist zwischen drei und fünf Jahren alt, wie erwartet.
- Die Zahlen aus den Lagerhausdaten lassen den Schluss zu, dass die abgefüllten Whiskys jünger werden, wobei bei der Betrachtung der Zahlen auch die Schwankungen in den Verkäufen berücksichtigt werden muss.
- Die Produktion von Whisky (Malt und Grain) nimmt deutlich zu, obwohl die Verkaufszahlen eher einen leichten Rückgang verzeichnen. Dennoch bewegt sich der Gesamtmarkt aktuell auf einem sehr hohen Niveau (sowohl vom Volumen und besonders vom Verkaufswert her)
- Wenn das Verhältnis von Produktionszahlen und Verkaufszahlen weiterhin diametral auseinandergeht, wird is in Zukunft wieder mehr alte Whiskys in den Lagerhäusern geben bzw. werden sich die überstrapazierten Bestände an alten Whiskys in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eventuell erholen können.
- Bis es so weit ist, werden lange gereifte, alte Single Malts weiterhin rarer und teurer werden.
- Achtung, all diese Zahlen und Daten sind nur für die Gesamtheit der von der SWA repräsentierten Industrie gültig, es gibt keine oder nur schlechte Daten zu Sub-Märkten (wie etwa die von den meisten von uns so geliebten, gut gereiften Single Malts). Ebenso sind die Angaben nicht auf einzelne Destillerien und deren Strategien umlegbar.
- Die Daten für die Jahre 2014 und 2015 werden höchst interessant werden, da sie anzeigen, ob sich die hier dargelegten Trends weiterbewegen oder ob eine Umkehr – sei es in der Produktion oder bei den Verkaufszahlen – stattfindet. Es bleibt spannend!