Freitag, 22. November 2024, 07:13:00

Treffpunkt KYMSEE – die Whiskydestillerie in der Gaststube

Ein Besuch bei der Brennerei und ihrem Brennmeister Oliver Lange - von unserem Gastautor Stefan Bügler

Bayern ist, was Whisky anbelangt, so dünn besiedelt wie ein abgelegenes Alpental. Gerade einmal eine Handvoll Brennereien gibt es dort, und nach der Nennung der SLYRS Brennerei am Schliersee muss man schon einmal kurz nachdenken, bis einem weitere Whiskyproduzenten aus der Region einfallen.

Die KYMSEE Destillerie ist ein Kandidat für die zweite Namensnennung, und Whiskyliebhaber aus Deutschland, die schon mal mit dem Auto nach Italien auf Urlaub fahren, werden dort vielleicht schon einen Zwischenstopp eingelegt haben, liegt sie doch halbwegs am Weg.

Wir haben der KYMSEE Brennerei, die in einem Gasthof residiert (in dem auch eigenes Bier gebraut wird) bereits ein Videointerview mit dem Brennmeister Olli Lange gewidmet – nun nimmt sich unser Gastautor Stefan Bügler der Brennerei mit einem seiner beliebten „Treffpunkt“-Artikel an. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen damit!

Alle Bilder Copyright Stefan Bügler


Treffpunkt KYMSEE

von Stefan Bügler

Der Chiemsee – ein Ort für Leidenschaft, Hingabe und Inspiration. Wie sich in den folgenden Stunden herausstellen sollte, bedeutet dies am Süd-Ost-Ufer des Sees in zwei Worten: Kymsee Whisky, oder synonym:  Oliver Lange.

Mit ihm bin ich verabredet. Olli gesellt sich zu mir während ich Käsespätzle und ein leckeres Helles genieße. Sofort entwickelt sich ein sympathisch unkompliziertes Gespräch über Brauen und Destillieren, Bier und Whisky, Chiemseebräu und Kymsee. Olli hat in seinem Anfang der 1990er selbstgebauten Haus im Erdgeschoss u.a. Gaststube, Küche, Brauerei und Brennerei sehr effizient und überaus ansprechend untergebracht. Im ersten Stock ist seine Privatwohnung, die er mit seiner Familie bewohnt und in der tatsächlich ein Zimmer zur Lagerung von Gerstenmalz reserviert ist.

Meet Oliver Lange, Malzmeister

Malzfetischist seit 1982, dem Beginn seiner Ausbildung in einer kleinen Brauerei

Ollis Ansatz: Fand sehr früh den richtigen Malzmix für seinen Whisky

Ollis Wunsch: Ein separates Lager für Torfmalz

„Ich bin ein Malzfetischist”, bekennt sich Olli, „und das schon seit fast 40 Jahren. 1982 begann ich meine Ausbildung bei der Schnitzlbaumer Brauerei in Traunstein, die damals noch selbst gemälzt hat. Davon war ich fasziniert und seitdem hat mich das Experimentieren mit Gerstenmalz nicht mehr losgelassen. Für meinen Kymsee verwende ich hochwertiges dunkles Gerstenbraumalz und Karamellfarbmalz von einer kleinen Mälzerei im Allgäu, die ihre Gerste aus dem Lechtal bezieht. Zwar würde ich auch sehr gerne Torfmalz verwenden, aber dessen Geruchsentwicklung wäre so stark, dass ich das meiner Familie in der Wohnung nicht zumuten möchte. Das muss bis zum Bau eines separaten Malzlagers warten.”

Die Verbindung seiner Ausbildung bei einer kleinen sehr handwerklichen Brauerei mit dem Studium des Brauwesens bei Weihenstephan gab Olli einen sehr breiten theoretischen und praktischen Erfahrungsschatz von unschätzbarem Wert.

„Während des Studiums konnte ich aufgrund einer Forschungstätigkeit sehr häufig mit Malzbränden experimentieren. So kreisten meine Gedanken sehr früh um von Malz geprägte Biere und Brände. Der Wunsch diese mit meiner eigenen Anlage selbst herzustellen wurde täglich größer und tatsächlich zur Realität. Im Jahr 1994 habe ich hier im Haus mit der Gasthausbrauerei Chiemseebräu, der kleinsten ihren Art zwischen München und Salzburg, angefangen. Nicht nur beim Gebäude, sondern auch bei meinen Produktionsanlagen habe ich Hand angelegt, z. B. Teile der direkt befeuerten Sudpfanne selbst gefertigt. Für das Mobiliar in der Gaststube – das aus den 1920er Jahren stammt – habe ich als Abfindung damals 100l eigens gebrautes Bier gezahlt”,

erinnert sich Olli.

Meet Oliver Lange, Braumeister

Braut seit 1994 in seiner Gasthausbrauerei Chiemseebräu in Grabenstätt

Ollis Ansatz: Baut auf dreiwöchige Fermentation durch untergärige Hefe

Ollis Wunsch: Traditionelle Bierproduktie mit neuen Kymsee Whiskies verbinden

Während er die eigene Bierbrauerei nur wenige Jahre nach seinem Studium umsetzen konnte, dauerte es bei der Brennerei jedoch bis zum Sommer 2012. Den Kymsee Hausstil hatte Olli zu dieser Zeit schon fast 30 Jahre fertig in seinem Kopf.

Der Weg war so weit wie er sich anhört. Denn in Ober- und Niederbayern durften bis 2018 von einer Abfindungsbrennerei keine mehligen Stoffe verarbeitet werden. Eine kostengünstige Testdestillation ‚einfach mal so’, war deshalb leider nicht zu machen. Es gab nur noch zwei Möglichkeiten: entweder gleich in eine sehr teure Verschlussbrennerei zu investieren, oder Glück. Und Olli Lange ist wahrhaftig ein Glückspilz:

„Im Jahr 1998 bekam ich zufällig einen lokalen Kontakt, der über ein altes Brennrecht auch für mehlige Stoffe sowie eine 60l Brennblase verfügte. Er musste zwingend kurzfristig Brennen, damit sein Brennrecht nicht verfiel. Dafür habe ich sofort leicht gehopftes Bockbier produziert und abgebrannt. Den Rohbrand fand ich geschmacklich absolut top und wusste, dass ich nicht weiter experimentieren musste.”

Meet Oliver Lange, Brennmeister

Brennt seit seinen Studientagen in den 1980ern, Kymsee Whisky seit 2012

Ollis Ansatz: der Hausstil seines Rohbrandes war schon 30 Jahre in seinem Kopf

Ollis Wunsch:  Das Kymsee Single Malts 2 bis 3 Jahre älter werden (= 5-6 Jahre)

Die Umsetzung seines malzig süßen Hausstils ließ jedoch fast weitere 14 Jahre auf sich warten. Denn trotz vorhandenen Eigenkapitals fand sich keine Bank, die die Brennerei finanzieren wollte. Nach langen Gesprächen mit seiner Frau Evi, in denen die beiden auch eine Palette von Produkten mit Whisky (Marmelade, Senf, Essig) sowie Malz- bzw. Bierbränden entwickelten, legten beide einfach los. Mit viel baulicher Eigenleistung und Energie stemmte das Ehepaar die Brennerei. Im Sommer 2012 destillierte Olli mit der eigenen Verschlussbrennerei – mit 57 Zollplomben – endlich seinen ersten Kymsee Rohbrand.

Die Gasthausbrauerei bietet die solide Basis für die Whiskyproduktion.

„Im Wechsel produziere ich Bier und Whisky, d.h. etwa alle vier Wochen ändert sich das Endprodukt. Die Voraussetzung für einen guten Whiskys ist stets ein gutes Bier, das wiederum sehr anspruchsvoll ist und nichts verzeiht. Das fängt bei mir im Hause an der Malzmühle an. Wenn ich das Korn nicht richtig aufmahle bekomme ich beim Abläutern ungewollte Bitterstoffe in die Maische. Schon hier muss der Prozess perfekt laufen. Für die Fermentation in meinem 1000l Gärbottich verwende ich – wie beim Bier und im Gegensatz zu den schottischen Destillerien – untergärige Hefe. Dadurch verlängert sich zwar die Gärung auf drei Wochen [in Schottland dauert eine Fermentation häufig nur 50 Stunden mit obergäriger Hefe], aber es entstehen grundsätzlich viel weniger unedle Alkohole wodurch beim Brennvorgang keinerlei Vorlauf und feinere Aromen entstehen. Der Brand läuft mit etwa 87% an und ich trenne ihn nur einmal am Ende des Herzstücks bei einem Alkoholvolumen von etwa 59%. Dadurch optimiere ich auch die Alkoholmenge, die ich für den Zoll registrieren muss, denn der Trommelzähler misst den Alkoholgehalt sofort nach der letzten Destillation”,

erklärt Olli.

Seine 300l Brennanlage kommt von Arnold Holstein aus Markdorf/Bodensee und ist ein Hybrid aus einer Pot Still mit Helm und einer Kolonne.

„Der Helm der Pot Still steuert perfekt den Rücklauf des Destillats. Der Brand wird leichter ohne jedoch seine kräftige Malzsüße zu verlieren. Über den Helm wird das Destillat dann direkt in die Brenn-Kolonne eingeleitet und trifft auf drei Destillations-Böden sowie einen Kupfer-Katalysator mit großer Oberfläche, deren Nutzung in etwa zwei Pot-Still Brennvorgängen entspricht. Somit destilliere ich im Grunde dreifach und erhalte einen milden Whisky, obwohl mein Rohbrand mit durchschnittlich 77% ziemlich stark ist. Ich reduziere ihn aber auf 55% für die Fassbefüllung.

Meet Oliver Lange, Fassmeister

Betreibt seit 2012 sein (Zoll-)Fasslager, in dem derzeit etwa 30 Fässer reifen

Ollis Ansatz: Whisky mit besonderer Note durch verschiedene Fassarten

Ollis Wunsch: Erweiterung des Fasslagers für weitere Fässer und neue Whiskies

In einem relativ warmen Lagerhaus mit Verdunstungsverlusten von bis zu 5% jährlich und recht kurzen Lagerungszeiten hat sich dieser Alkoholgehalt für eine perfekte Reifung bewährt”, beschreibt Olli sein Vorgehen. „Rund 3000l Rohbrand mit 55% produziere ich jährlich. Das entspricht in etwa 14 ex-Bourbon Fässern, weniger, wenn noch 500l Sherry Butts hinzukommen, mehr, wenn ich 50l ex-Bourbon Fässer der Garrison Brothers aus Texas nutzen kann. Letztere nutze ich besonders gerne, sie sind jedoch sehr schwer zu bekommen. So verwende ich häufig 195l ex-Bourbon Barrels aus amerikanischer Weißeiche, die in den USA nur kurz zum Finishen mit Edelbourbon belegt waren. Sie geben dem Kymsee Whisky eine besondere Note.”

Im Fasslager reifen derzeit rund 30 Schätze, die darauf warten, meist mit einer Alkoholstärke von 42% in die Flasche gefüllt zu werden. Mein Tipp: für die rare Chance auf eine Fassstärke „on demand” muss man Olli nur rechtzeitig vor der Abfüllung abpassen und einfach fragen.

„Wo sonst, wenn nicht hier, ist ein solcher Sonderwunsch mal erfüllbar. Kymsee Single Malt ist ein lokales bayerisches Produkt, das ich mit Herz und Handarbeit unter einem Dach herstellen und ausschenken kann, vor allem auch aufgrund der tollen Zusammenarbeit mit meiner Frau Evi”,

sagt Olli und blickt in die heimelige Gaststube.

Nach über vier Stunden – die wie im Fluge vergingen – ein perfektes Schlusswort, das illustriert:
Die Kymsee Brennerei von Olli und Evi Lange ist ein Ort für Leidenschaft, Hingabe und Inspiration.

Kymsee

Solera Vat

Port & Bourbon

140 Flaschen

42% vol.

Olli Lange hat für diesen Kymsee, jeweils zu gleichen Teilen Whisky aus einem Port Hogshead und einem Bourbon Barrel in einem 50l ex-Garrison Brothers Fass vermählt.

Tasting Note

Kraftvolle und dichte Aromen treffen auf die Nase. Malzige Süße dominiert, wird begleitet von Vanille, Birne mit Schlagsahne und Erdigkeit. Das Dram profitiert von guter Durchlüftung – die Aromen werden zugänglicher. Der kraftvolle Körper bestätigt sich im Mund und fühlt sich nach mehr als 42% vol. an. Eine so dichte malzige Süße hatte ich bisher noch nicht im Glas. Sie hat Facetten von Getreide, Porridge und flüssigem Knäckebrot. Begleitet wird dies von einer Würzigkeit (Holz) und einer zarten Gelbfruchtigkeit (u.a. Birne). Eine Portnote erkenne ich jedoch nicht. Im langen Abgang bleibt die malzige Süße präsent auf der Zunge und macht Lust auf mehr.

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