Über 115 stolze Brennereien haben die einst die trinkfreudigen Gaumen Glasgows und Edinburghs mit Lebenswasser versorgt, nicht viel ist heute übrig vom einstigen Glanz der Lowlands.
Viele Destillerien sind leise und friedlich entschlummert, andere regelrecht in Flammen aufgegangen und einigen Malts weinen die Whiskyfreunde rund um den Globus hinterher, wehmütig und ratlos ob der Tatsache, dass die Geburtsstätte so manch grandiosen Brandes nicht mehr unter uns ist.
Ein trauriges Kapitel, aber auch ein äußerst spannendes, lehrreiches und mahnendes – und wer weiß, viele Whiskys hätten vielleicht nie ihren Kultstatus erreicht, wenn sie immer noch regulär zu verkosten und erstehen wären.
Die „Verlorenen Schätze“
Auchtermuchty
Stets als Familienbetrieb der Bonthrones geführt, operiert diese Brennerei bis ins Jahre 1926 mit einer wash und einer spirit still und verkauft Malt Whisky in die großen Städte des United Kingdom. Alfred Barnards Besuch und Aufzeichnungen ist es zu verdanken, dass detaillierte Informationen über diese Destillerie vorhanden sind.
Garnheath / Glen Flagler / Killyloch
1965 errichtet Inver House eine Destillerie in einer Destillerie, und zwar wählt man Moffat Grain Distillery für diesen Zweck. Eine column still zur Produktion von Garnheath Grain und zur Versorgung der Inver House Blends wird durch Apparaturen ergänzt, deren Ausbringung als Malt Whiskys unter dem Namen Glen Flagler und Killyloch abgefüllt werden. Später taucht auch noch Islebrae, ein weiterer malt auf, für den getorftes Malz zum Einsatz kommt. Ob die vier Kupferbrennblasen wild durcheinander produzieren oder jeweils einem bestimmten Produkt zugeordnet ist, ist nicht mehr bekannt.
Und als wichtige Information am Rande: die 1985 geschlossene Brennerei, deren Brennblasen entfernt und Gebäude teilweise abgerissen werden, ist die am nähesten zu England gelegene distillery. 1872 findet im West Cricket Club of Scotland, Partick, das erste offizielle internationale Fußballspiel statt – und nein – es ist nicht Argentinien : Uruguay, sondern, richtig geraten: England : Schottland.
Inverleven
In meiner Verkostungsnotiz einer Unabhängigen Abfüllung Inverlevens ist ein wenig nachzulesen über diesen rar gewordenen Malt. 1938 gründet Hiram Walker & Sons im Grain distillery Komplex Dumbarton die Brennerei in der Brennerei, Inverleven. Erhaben über den Zusammenschluss der Flüsse Leven und Clyde thront der Riesen-Backsteinbau über weite Strecken des 20. Jahrhunderts – im Inneren dienen verschiedenste Brennapparate der Herstellung von Grain und Malt Whisky. Die so genannten Lomond stills werden hier erdacht und erstmalig betrieben, den selben Namen trägt auch die nahegelegene Wasserquelle: Loch Lomond. Und dennoch darf man dies nicht mit dem Loch Lomond Whisky in einen Topf werfen, der einer West Highland distillery entstammt. Für Inverleven nutz man zur Hälfte Lomond stills, zur Hälfte „normale“ Gerätschaften. Kurze Zeit kündigt sich die neue Brennvariante als Trend an, soll besonders den Blendern entgegenkommen, kann sich aber nie wirklich durchsetzen. Ebenso wie Inverleven als Malt Whisky, der nie „offiziell“ erscheint, aber zu einem Großteil in Ballantine’s unterkommt und unabhängig abgefüllt wird. 1991 schließt die Malt distillery, 1992 „mohtballed“, später reißt man die Gebäude sogar großteils ab. Vielleicht lässt sich ja dennoch ein wenig des ursprünglichen Inverleven verkosten – alte pot stills werden an Bruichladdich nach deren Wiedereröffnung verkauft, für Port Charlotte bestimmt.
Kinclaith / Strathclyde
Wer nach einer schmucken Destillerie mit Pagoda Dächern, wildromantischen Landschaftsbildern, pitoresken dunnage warehouses und dem Namen Kinclaith sucht, wird erfolglos bleiben. Es handelt sich auch hierbei um eine Malt distillery, die man in die schützenden Mauern einer großen Grain distillery setzt. Um die Konfusion noch etwas weiter zu spinnen, stammt Kinclaith also aus der 1927 von Gin Prodzenten Seager, Evans & Co Ltd. gegründeten Strathclyde, die sich in der Moffat Street in Glasgow befindet, aber nichts mit der Moffat Destillerie (Airdrie) zu tun hat.
Seager, Evans betreibt in London noch die Millbank Gin Distillery und hebt mit der Errichtung von Strathclyde die Long John International Ltd. für deren Whiskyoperationen aus der Taufe.
Kinclaith selbst produziert ab dem Jahre 1957, allerdings nur bis 1975, als Whitbread neuer Eigner von Long John wird und den Malt einer vergrößerten Grain Produktion opfert. Später wird Strathclyde teil des Allied Konzerns, Vorläufer von Pernod Ricard, die sich auch die Marken Kinclaith und Long John einverleibt. Kinclaith Flaschen sind heute unglaublich selten und entsprechend nicht ganz im Discounter-Preissegment angesiedelt.
Tja und Whitbread ist heute größte Hotel & Restaurant Company des United Kingdom.
Ladyburn
So attraktiv der Name, so obskur und schwer zu ergründen ist der Hintergrund der Ladyburn Destillerie. Und – drei Mal darf geraten werden – es ist eine distillery in another distillery…
Aber beginnen wir von vorne: William Grant & Sons, Gründer der heute weltberühmten Balvenie und Glenfiddich Brennereien, suchen für ihre Blends eine ausreichende Versorgung mit Grain Whisky und sehen sich „gezwungen“, diesen selbst herzustellen. In Ayrshire findet sich eine verlassene Munitionsfabrik (was für eine großartige und explosive Story!!), die ab 1963 Heimat der Girvan distillery wird, genaues Datum: Christmas Day, die Story wird immer knackiger.
Drei Jahre später stellt man in eine Ecke der Anlage noch ein zusätzliches Set von pot stills und gründet somit Ladyburn, ebenfalls hauptsächlich zur Fütterung von Grant’s Blends. Vergleichbar dem Schicksal von Kinclaith muss aber auch Ladyburn einer gesteigerten Grain Produktion weichen, und das nicht einmal ein Jahrzehnt nach der Gründung – eine der am kürzesten – wenn nicht sogar die ungeschlagene Nummer 1 – Destilleriegeschichten (Schließung 1975, „demolished“ ein Jahr später).
Bis heute ist Girvan ein äußerst aktives „workhorse“ unter den Whiskybrennereien, es gibt sogar eine Single Grain Abfüllung unter dem Namen Black Barrel. Diese ist übrigens wesentlich leichter zu bekommen als alte Ladyburn drams, die das Herz so mancher collector erfreuen. Unabhängige Abfüllen von Signatory und Wilson and Morgan sind übrigens auch unter dem Pseudonym Ayrshire anzutreffen.
Littlemill
Mit Wurzeln zurück bis circa 1750 und dem „offiziellen“ Gründungsjahr 1772, ist Littlemill vielleicht die älteste Destillerie Schottlands, wenngleich das Jonglieren mit Jahreszahlen und Feilschen um Wochen und Monate eher den Bemühungen mancher Marketingstrategen zuzuschreiben ist. Nahe Glasgow gebaut, gehört Littlemill zu jenen Brennereien, die knapp an der Grenze zwischen Lowlands und den Highlands liegen, die tripple distillation, bis in die 30er Jahre des vergangen Jahrhunderts praktiziert, ist oftmals ein beliebtes Zuordnungsmerkmal. Anschließend nützt man auch Rektifizierkolonnen und Aluminiumisolationen rund um die stills, man will einen schneller reifenden Whisky kreieren. Dunglas und der getorfte Dumbuck sind zwei „Experimente“ jener Tage und heute besonders gejagte Sammlerstücke.
Eine bewegte Eigentümergeschichte prägt die Destillerie, 1984 folgt sogar eine Schließung, bis Gibson International vier Jahre später als neuer Besitzer die Produktion wieder aufnimmt. Deren Konkurs im Jahre 1994 bringt Lomond Distillery Co. Ltd. ins Spiel, 1996 aber eine teilweise Demolierung der Gebäude, den Rest besorgt ein Feuer im Jahr 2004. Nach dem Einsturz der verbliebenen Gebäudeteile ist Littlemill endgültig Vergangenheit, allerdings eine der wenigen lost distilleries, von denen es noch halbwegs regelmäßig Offizielle Abfüllungen gibt.
Rosebank
Frühe Aufzeichnungen beziffern die Ursprünge der Destillerie gegen Ende des 18. Jahrhunderts, die heutigen Gebäude stammen wohl eher von circa 1840 und die Mälzanlagen sind etwas jüger, da man zunächst kostensparend auf die maltings der nahen Camelon Destillerie zurückgreift. 1864 vollauf renoviert, wird Rosebank 1914 eines der fünf Gründungsmitglieder der Scottish Malt Distillers (SMD), später Teil der Distillers Company Limited und somit dem heutigen Multi Diageo. Der dreifach destillierte Malt erfreut sich über weite Strecken der Folgejahre großer Beliebtheit, aber die Krisenzeit der Whiskyindustrie macht auch vor Rosebank nicht Halt und 1993 folgt die Schließung. Die Gerüchteküche brodelt seit einiger Zeit, an und für sich soll die Brennanlage wieder reaktivierbar sein, es heißt aber seit 2002 gibt es neue Gebäudeeigentümer, dafür spricht Diageo konsequent von einem Diebstahl der Destillationsapparaturen um 2010. Immer noch gibt es offizielle 12y Flora & Fauna releases, sowie Abfüllungen unter dem Special Release Mantel und unabhängige Versionen.
Zu dem Zeitpunkt der Schließung ’93 gibt es in den Lowlands übrigens nur noch zwei aktive Brennereien, Auchentoshan und Glenkinchie.
St. Magdalene
Ganze fünf Distilleries beheimatet das schmucke Örtchen Linlithgow in grauer Vorzeit, eine davon ist St. Magdalene. Wer stolz von sich behaupten möchte wirklich in einer Destillerie zu wohnen, hat hier vielleicht am ehesten Chancen. Teile der alten Gebäude – sogar inklusive Pagoda – sind heute Appartements seit der Schließung der Brennerei durch Eigentümer DCL.
Einige Jahre auch einfach Linlithgow genannt, ist St. Magdalene eine stolze und große Destillerie mit 14 washbacks, ursprünglich fünf stills, die man auf vier reduziert. 1912 erwirbt DCL St. Magdalene und zwei Jahre später wird diese, wie Rosebank auch, Gründungsmitglied der Scottish Malt Distillers. Zweifach destilliert, getorftes Malz – einer der ganz großen Lowland Whiskys, ein dram der Geschichte, dem man in der Tat eine Träne nachweinen muss, oder mehr.
Reinhard Pohorec