Sind die Kätze aus dem Haus, tanzen die Mäuse mit den Gläsern…
Während sich dieser Tage ein Großteil unseres Whiskyexperts-Teams bei der Aquavitae ganz dem Lebenswasser widmet, hält Reinhard Pohorec die Stellung und seine Nase ins Glas. Um dem Gefühl der Einsamkeit ein wenig entgegenzuwirken, darf’s heute einmal ein eher seltener und besonderer Tropfen sein, man gönnt sich ja sonst nichts…
Im Glas der Wilson & Morgan Barrel Selection Caol Ila 30y distilled 1983, bottled 2013
Schottischer Whisky – the italian way… Was durchaus klingt wie ein Unternehmen, das geradewegs der Royal Mile entsprungen sei, geht auf italienische Wurzeln zurück. Der Flascheninhalt ist aber hundertprozentig von der Insel, in diesem Falle aus der Islay Destillerie Caol Ila. Nach dem Brennvorgang gönnt man der Flüssigkeit eine Reifezeit von knackigen dreißig Jahren – das Ergebnis ist ein außergewöhnlicher … nun, lesen und kosten Sie einfach selbst!
Nase: Was für ein Biest, und die Schöne gleich mit dazu, unfassbar dicht voll, erdig rauchig, leicht medizinal, Seetang umspült von etwas Austernwasser, Schmalzgebäck, blumige Vanillecreme, Anis, etwas Kümmel, Speckfeigen, auch Datteln, grüne Banane, eigentlich eher Kochbanane, dann kommt Buttermilch, die Frische trotz des Alters ist markant und wohl balanciert, Mandeln, Buttercreme mit animierender Limettenzeste, englischer Senf, auch bayrischer! Der dichte Torfrauch braucht etwas Entwicklungszeit im Glas, gibt aber noch seinen Glanzauftritt, umhüllt von dichter Mineralität, ein Trio Infernale aus Arztzimmer, Zitronengarten und Kohlewerk, faszinierend.
WOW – Zeit lassen, Zeit nehmen…
Gaumen: Cremig und vollmundig bis zum Exzess, das Holz ist präsent aber sehr rund, weich, gut eingebunden, sämig stoffig und wiederum mit diesem Hauch von Kochbanane, Vanillecreme, Zucker und Zimt, etwas Brioche, grünliche Noten von Speck, schwarzem Pfeffer und Seetang, grasige Würze, Banane, Erinnerungen an Jamaika Rum oder sehr alten Guyana. Blockmalz, Bienenwachs, etwas Koriandersaat nebst getrockneten Lavendelblüten und einem leise glimmenden Kohlefeuer.
Finish: Der Abtritt ist äußerst ausgeprägt und lang anhaltend, mit Noten von Karamell, Zimt, sehr trockenem Touch von Melasse, Meeresfrüchten, Zitruscreme, lemon curd, Orangenmarmelade und weicher Pfirsich Note, zwar ist insgesamt das Finish etwas abfallend im Vergleich zur restlichen Präsentation, aber das ist immer noch Meckern auf höchstem Niveau.
Alles in Allem: nun, wenn ich mir so einen Whisky degustatorisch vorknöpfen muss, wenn meine lieben Kollegen und Freunde den freudigen Pflichten einer Whisky Fair nachgehen, so darf ich meine herzlichsten Grüße und Spirits von „daheim“ schicken – der Caol Ila ist ein würdiges Trostpflaster. Ein toller Single Malt, ein Zeitfenster in die frühen Achtziger und ein großes Gerät im Glas, das Zeit und Zuneigung verlangt. Ein Paradebeispiel für die großartige Qualität, die Caol Ila abliefern kann und welch grandiose Exemplare es im stattlichen Alter von zwanzig plus bis zu dreißig Lenzen dieses Hauses gibt.
Mit den besten Spirits,
Reinhard Pohorec