Whisky ist immer sehr stark mit den Menschen verbunden, die ihn erzeugen. Ihre Ideen, ihre Erfahrungen prägen seinen Stil ebenso wie es die Brennblasen tun.
Es sind aber nicht nur die im Rampenlicht stehenden Menschen, wie zum Beispiel die Master Blender oder die Distillery Manager – jeder der Mitarbeiter, vom Mash Man bis zum Verantwortlichen für die Lagerhäuser, trägt seinen Teil dazu bei, dass der Whisky einer Brennerei im Idealfall etwas Unverwechselbares wird – oder, wenn es sich um Mitarbeiter des Visitor Centers handelt, der Besuch dort.
Unser Gastautor Stefan Bügler, dem wir schon einen einfühlsamen Artikel über ein Fest bei der Lindores Abbey Distillery verdanken, nimmt sich in einem neuen Beitrag den Menschen hinter der Brennerei Glen Scotia in der Whiskyregion Campbeltown an und nähert sich auf diese Weise dem, was die Destillerie besonders macht. Den Artikel bringen wir für Sie in zwei Teilen (der erste Teil erschien gestern) – und wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre:
TREFFPUNKT AN DER ECKE SADDELL AND HIGH – Face to Face bei der Glen Scotia Distillery (Teil 2)
Stillhouse – Face to Face mit Sean McGeachy
Zurück im Stillhouse, ist Sean McGeachy dabei den Mittellauf des Rohbrandes bei 73% Alc. Vol. zu trennen, nach ca. 15 Minuten Vorlauf.
In vier bis fünf Stunden wird er den Mittellauf bei 63% Alc. Vol. trennen. Danach wird der Nachlauf weitere fünf Stunden destilliert bis der Alkoholgehalt bei weniger als 1% liegt. Glen Scotia verfügt über zwei Brennblasen und produziert jährlich rund 500.000l zweifach gebrannten reinen Alkohol, mit 10 Maischen wöchentlich von Montag 6 Uhr morgens bis Samstag 17 Uhr.
Etwa 15 Stunden werden für den kompletten Brennprozess benötigt und somit nimmt die ganze Produktion vom Mahlen des Malzes bis zum Rohbrand durchschnittlich etwa 152 Stunden in Anspruch.
Sean hat vor sechs Jahren im Mash House angefangen und wechselte nach drei Jahren in die Destillation. Das Stillhouse ist sein Lieblingsplatz in der Brennerei, denn „wenn der Rohbrand durch den Spirit Safe und damit in Richtung Fassabfüllung fließt, dann werden all unsere Fertigkeiten zusammengeführt.“
Sean erinnert sich gut an die Zeit, als die Brennblasen noch dunkelbraun waren. Das lag an etwa sechs Anstrichen mit Möbelbeize, die Ende der 70er und Anfang der 80er auf die Brennblasen aufgebracht wurden. Als Glen Scotia im Jahr 2014 überholt wurde, wurden die Anstriche abgetragen und nun erstrahlen die Brennblasen in hellem Kupfergold. Allerdings muss der untere Teil der Spirit Still, die aus dem Jahr 1977 datiert, bald erneuert werden, da er für die Produktion zu dünnwandig wird.
Während ich mit Sean spreche, fällt mir auf, dass ich die Kondensatoren bei meinen Besuchen nie gesehen habe. Sofort sprintet Sean die Treppen hoch, durch die Hintertür im Stillhouse und zeigt mir die „tube and shell condensers“, die in einem kleinen Hof zwischen der alten Malztenne, Mash House und Stillhouse beheimatet sind.
Die relativ langen Lyne Arms, die Fortsetzung der Schwanenhälse der Brennblasen, beeinflussen die Reinheit und den Geschmack des Rohbrandes durch einen längeren Kupferkontakt. Auch im Brennprozess wird nichts vergeudet. Die Rückstände in den Brennblasen, das Pot Ale, wird an lokale Farmer als Pflanzendünger für ihre Gerstenfelder verkauft. Es schließt sich somit ein perfekter Kreis.
Meet: Sean McGeachy, Stillman
Bei Glen Scotia seit: 2013
Lieblingsplatz in der Brennerei: das Stillhouse, „denn hier vereinigen sich alle unsere Fähigkeiten, unsere Arbeit im Rohbrand.
Glen Scotia Lieblingswhisky: „Die Whiskies direkt aus dem Fass im Lagerhaus-Tasting. Insbesondere Tawny Port Fässer.“
Warehouses
In perfektem Timing schreitet Hector durch die großen Stillhouse Türen und möchte mir die Lagerhäuser zeigen. Es lagern rund 12.000 Fässer in der Brennerei, die meisten von ihnen sind ehemalige Bourbon Barrels (195l) in Erstbefüllung. Sie lagern hauptsächlich auf Paletten zu jeweils sechs Fässern.
„Aufgrund der hohen Qualität der Fässer sind die Verluste durch Leckagen absolut vernachlässigbar. Bevor die Fässer bei Glen Scotia angeliefert werden, checkt sie die firmeneigene Küferei im Loch Lomond Distillery Komplex, wo auch weitere Glen Scotia Fässer reifen“, erklärt Hector.
Das Glen Scotia Lagerhaus ist in drei verbundene Sektionen geteilt. Nach den ersten zwei Sektionen mit Paletten zeigt mir Hector den dritten Teil und die Atmosphäre ändert sich komplett. Die Fässer sind im traditionellen Dunnage Stil in zwei Reihen hoch gestapelt. Dadurch bekomme ich einen kompletten Eindruck über das gesamte Lagerhaus mit seiner imposanten Größe und hohen Decke. Fast sakral mutet dies an und als mir Hector die Reihe mit den sechs Fässern zeigt, die für das Lagerhaus-Tasting genutzt werden, möchte ich spontan auf die Knie gehen, vor allem als Hector Gläser aus seiner Jackentasche holt und das erste Fass öffnet.
Im Angebot sind ex-Bourbon Fässer verschiedener Jahrgänge in Erst- und Zweitbefüllung mit getorftem oder ungetorftem Whisky, ein 2008 peated Oloroso Butt (500l) in Erstbefüllung, abgerundet mit einem fantastischen 1989er wiederbefüllten Sherry Hogshead (250l), dem ältesten Fass in der Brennerei. Wenn man Glück hat, sind diese Whiskies auch in 200ml Flaschen im Distillery Shop erhältlich, doch dieser ist nach dem Campbeltown Festival leider komplett ausverkauft.
Ich habe schon einige Warehouse-Tastings in Schottland hinter mir. Und wie so oft, ist auch hier die Qualität der Whiskies sehr hoch. Dazu kommt hier die einzigartige Atmosphäre im Lagerhaus, die die Straßenecke Saddell & High zu einem perfekten Ziel einer Whisky-Pilgerreise macht.
Musterregale – Face to Face mit Iain McAliister
Nun ja, alle guten Dinge müssen zu Ende gehen, aber Hector hat noch eine Zugabe geplant. Wir laufen die Stufen zum Büro hinauf, wo wir Iain McAllister treffen, der aus Carradale stammt, einem Ort unweit von Campbeltown an der Ostküste Kintyres. Iain ist seit mehr als 11 Jahren Distillery Manager und hat nun das Vergnügen Glen Scotia Whisky zu trinken, für dessen Produktion er sich verantwortlich zeichnet.
Auf Iains Schreibtisch liegen Fotos, die die letzten 20 Jahre der Brennerei Geschichte abdecken. Nun bekommen alle Geschichten Gestalt, die mir David, Hector und Sean erzählt haben.
Die Art und Weise wie Iain über Glen Scotia und die Veränderungen spricht, lässt mich seine Liebe und Leidenschaft für Glen Scotia spüren. Er scheint genau an dem Ort zu sein, an dem er sein möchte. Die Musterflaschen in den Regalen hinter seinem Schreibtisch symbolisieren dies in flüssiger Form. Und so greift er hinter sich und schenkt mir ein Dram eines 2009 medium peated (23ppm) ex-Bourbon Barrels in Erstbefüllung ein und krönt damit meinen Besuch.
Meet: Iain McAllister, Distillery Manager
Bei Glen Scotia seit: März 2008
Lieblingsplatz in der Brennerei: Die Musterregale, die viele viele Jahre Produktionshistorie von Glen Scotia repräsentieren
Glen Scotia Lieblingswhisky: Die Single Cask Range, „denn sie zeigt die Vielseitigkeit und die hohe Qualität von Glen Scotia Whisky, bringt sie zu den Whisky-Liebhabern in der ganzen Welt und spiegelt die Musterregale in meinem Büro.“
Zum Abschluß möchte Iain doch noch etwas für ihn wichtiges loswerden: „alles dreht sich um die Menschen und den Whisky. Wir leben in einem sehr schönen Teil der Welt und sind sehr stolz und dankbar, dass wir durch Glen Scotia Whisky uns mit so vielen Menschen weltweit verbinden können, die wir mit Freude am Ursprung in der Brennerei begrüßen. Herzlichen Dank! Slainte Mhath!“
Es ist schwer, da noch etwas hinzuzufügen. Abgesehen vom Brummen in der Destille und in den Bienenstöcken ist es ruhig geworden bei Glen Scotia. Es ist nach 17 Uhr. Der Distillery Shop ist geschlossen. Roseanne und Hannah sind auf dem Weg nach Hause. Hector und Iain verabschieden mich und werden alsbald folgen. David und Sean werden noch rund eine Stunde arbeiten und um 18 Uhr die Produktion an die nächste Schicht übergeben.
Und ich setze mich an das Ufer des Hafens von Campbeltown, schaue das Loch entlang und lasse die spannenden Eindrücke der letzten Stunden auf mich wirken.