Überzeugende Qualität mit hoher Verfügbarkeit zu einem akzeptablen Preis. Es bleibt bei diesen Kriterien, die unser Whisky des Monats erfüllen muss. Und manches Mal finden wir diese bei einer Abfüllung, der wir ein klein wenig mehr Aufmerksamkeit wünschen. Wie in diesem Monat. Denn unsere Empfehlung im August 2021 heißt Craigellachie 13 yo.
Ziemlich spät dran
Im Spätsommer 2014 (wir berichteten) kündigte Baccardi überraschend Abfüllungen seiner fünf Malt Brennereien als ‚The Last Great Malts‘ an. Ende 1997 – Diageo entstand und musste sich auf Anordnung der Wettbewerbsbehörden von der Blending Firma John Dewar & Sons trennen – betrat Baccardi mit dem Kauf von eben Dewar’s erstmals das Feld ‚Scotch Whisky‘. Mit im Paket des weltweit sehr erfolgreichen Blended Scotch waren auch die Destillerien Aberfeldy, Aultmore, Brackla, Craigellachie und Macduff. Während seit Ende der 1980er der Single Malt Scotch Whisky sich, langsam und stetig, zu einem umsatzstarken Markt entwickelte, fristeten Baccardi’s Malt Brennereien mit ihren Abfüllungen eher ein Schattendasein. Hier und da gab es Bottlings ihrer Single Malts. Doch von einem Portfolio der Brennereien konnte man nicht sprechen, erst recht nicht von einem Single Malt Portfolio bei Baccardi. Deshalb machte Stephen Marshall, global brand director for malts bei Bacardi, auch deutlich:
“For a company like Bacardi, which doesn’t have millions to spend on marketing, to list five new single malts is quite a challenge […].“
Für die Brennerei Craigellachie aus dem gleichnamigen Ort in der Speyside war es eine Premiere. Denn erstmals konnte sie ein Portfolio ihres Single Malts anbieten – abgesehen von einem 14-jährigen Flora & Fauna Bottling aus dem Jahr 2000. Der Malt Whisky von Craigellachie war für Blends. Denn dafür wurde die Brennerei auch erbaut. Als die Craigellachie Distllery 1890 errichtet wurde und bereits ein Jahr später die Produktion startete, benötigte Peter Mackie dringend eine Brennerei. Zwar gehörte ihm bereits die Lagavulin Distllery, welche er im Jahr zuvor von seinem Onkel erbte. Doch der Scotch Whisky boomte. In dieser Zeit wurden die Blends immer populärer und gefragter. Komponiert aus Malt- und dem günstigen und in rauen Mengen produzierten Grain-Whisky, kam viel „young, cheap, fiery whisky“ auf den Markt, wie Mackie fand. Sie erschwerten den Wettbewerb seines White Horse Scotch Whisky. Denn Peter Mackie war sich Zeit seines Lebens sicher:
„What the public wants is age and plenty of it“.
Die Magie der Primzahlen
So überraschend das Kreieren des Standard Portfolios für die Destillerie Craigellachie schon alleine war. Eine größere Überraschung und zugleich Aufgabe war es dann für die Whisky-Enthusiasten sowie Numerologen auf der ganzen Welt, die Altersangaben der vier Abfüllungen in einen inhaltlichen Zusammenhang zu bringen. Das Standard-Sortiment besteht aus dem Craigellachie 13 yo und 17yo, sowie dem 23yo, der in begrenzten Mengen verfügbar ist. Im Travel Retail Bereich rundet der Craigellachie 19 yo das Portfolio ab.
Manche Numerologen sahen in den Zahlen 13, 17, 23 und 33 die Glückszahlen unterschiedlicher Kulturkreise. In anderen Kulturkreisen verhält es sich mit diesen Zahlen, warfen andere Numerologen ein, aber genau gegenteilig. Addiert ergeben diese Zahlen 72, und sie ist eine symbolgeschichtlich bedeutsame Zahl, ergänzten weitere Numerologen, Wikipedia zitierend. Für uns sind es nur Primzahlen, und die Verwendung dieser bei den Altersangaben von Whisky hat seinen Witz und Charme. Finden wir zumindest.
Von Beginn an altmodisch
Während eine Nachbar-Brennerei in den letzten Jahren mit ihrem Neubau den State-of-the-Art in den Bereichen Architektur und Marketing definierte, wirkt die Destillerie Craigellachie wie aus einer anderen Zeit. Ein Besucherzentrum suchen wir vergebens, und optisch, sowohl von außen als auch von innen, ist sie auch keine Schönheit. Diesen vermeintlichen Makel wandelt Baccardi für ihre Destillerie einfach in eine positive Eigenschaft um. Die Labels der Craigellachie Standard-Range nimmt den Stil des Viktorianisches Zeitalter. Im oberen rechten Eck, etwas versteckt, findet sich der vermeintliche Craigellachie’s Leitspruch: Old fashioned in 1891.
Die alte Zeit finden wir auch in der Ausrüstung der Brennerei wieder. Das Destillat wird noch mittels worm tubs heruntergekühlt. In diesen Spiralen aus Kupfer, die sich in einem großen Wasserbehälter befinden, erhält der gerade erzeugte Alkohol sehr wenig Kupferkontakt. Die Fähigkeit dieses Metalls, bestimmte aromengebende Elemente aus dem Destillat zu entfernen, kommt so nur zu einem geringen Einsatz. Und dies hat dann natürlich eine große Auswirkung auf die Aromen des Whiskys.
Wir finden im Craigellachie 13 yo keinen leichten und filigranen Speysider. Sondern einen robusten und kräftigen Single Malt, der zwar in der Nase seine Fruchtigkeit vorzeigt. Doch diese Noten von Zitrone, Ananas und vor allem (Blut)-Orange kommen mit einer gewissen Wucht. Im Hintergrund wahrnehmbar ist auch leichter, schwefeliger Rauch, der ein Ergebnis des geringen Kupferkontakts in den worm tubs ist. Am Gaumen begeistert sofort die ausgeprägte Öligkeit. Die vordergründige und aufdringliche Süße verschwindet augenblicklich, um den aus der Nase bekannten Zitrus-Aromen ihren Platz zu überlassen. Länger am Gaumen verweilend, entwickelt sich eine Bitterkeit, die leicht an Grapefruit, jedoch deutlich mehr an Blut-Orangen erinnert. Im Finsh kommt der kräftige Speysider mit sehr viel Volumen, sehr lang andauernd und Mund wässernd.
Die Zeit, die zwischen dem Erwarb der Brennerei und der Veröffentlichung der ersten Standard Range verging, nutze Baccardi sehr gut. Der Craigellachie 13 yo deckt (ebenso wie weitere Bottlings der ‚Last Great Malts‘) ein schmales Segment in der Sparte ‚Single Malt Whisky‘ ab. Denn für eine Kundschaft, die auch bei Abfüllungen einer Standrad Range auf Kühlfiltrierung verzichten möchte, ist das Angebot übersichtlich, doch vorhanden. Hier muss dann auch etwas tiefer in die Tasche gegriffen werden. Um die 40 € bewegen sich hier die Preise, dafür gibt es auch mit 46 % Vol. ein Mehr an Alkohol.
Und: Das auf einigen Websites der Baccardi-Brennereien prangende „New website coming soon“ hat ebenfalls einen gewissen Charme. Nur, und das möchten wir hier deutlich herausstellen: Bei der Craigellachie Destillery, old fashioned in 1891, vermissen wir einen neuen Internet-Auftritt wirklich nicht. Hier kann bitte alles so bleiben, wie es ist und war.
Quellen
Ingvar Ronde (Hrsg.): Malt Whisky Yearbook 2020
Ingvar Ronde (Hrsg.): Malt Whisky Yearbook 2021
Walter Schober: Das Whiskylexikon