Wer sich beim Gedanken an Whiskyerzeugung eine Destillerie ganz im klassischen Stil vorstellt, mit hübschen Steinmauern und Pagodendächern, mit einem aufwendigen und einladenden Besucherzentrum, der wird an Loch Lomond keinen Gefallen finden. Diese im Jahr 1966 gegründete Brennerei ist weder schön noch öffentlich zugänglich – ein Besucherzentrum gibt es nicht und ein solches ist auch nicht geplant. Sie hatte auch lange Zeit keinen besonders guten Ruf – irgendwie schafften es ihre Whiskys früher, alles andere als einladend zu sein, der klassische Whiskykenner hatte für sie irgendwie nur ein Naserümpfen über. Gerade einmal durch Tim und Struppi, den klassischen Comic von Hergé, konnte sie Berühmtheit erlangen, denn Captain Haddock trank Loch Lomond – allerdings bereits lange bevor es die Brennerei tatsächlich gab, denn Hergé hatte einfach seine eigene Fantasiemarke erfunden.
Spulen wir aber fast forward die Geschichte aus der Vergangenheit in die Gegenwart vor, ändert sich die Sichtweise auf Loch Lomond deutlich. Vom hässlichen Entchen ist Loch Lomond zu einer der interessantesten Brennereien geworden, und nach der ebenfalls in der Loch Lomond Group befindlichen Destillerie Glen Scotia wohl jene, die in den letzten 5 bis 10 Jahren eine bemerkenswert positive Entwicklung genommen hat.
Wir waren Ende Mai von der Loch Lomond Group, die seit 2019 übrigens im Besitz einer chinesischen Investorengruppe steht, zu einem Besuch des Campbeltown Malts Festival 2022 und dort speziell zum Besuch von Glen Scotia eingeladen, und konnten im Zuge des Besuchs an einem Nachmittag auch Loch Lomond, nahe des gleichnamigen Sees gelegen, besuchen – übrigens eine Wiederholung und Vertiefung unseres Besuchs von den Zeiten vor der Pandemie.
Wie schon gesagt: Die Brennerei liegt weder in einer schönen Gegend, noch versucht sie, gefällig zu sein. Sie ist ein Zweckbau, geteilt in zwei Hauptgebäude, denn Loch Lomond ist eigentlich zwei Destillerien: Eine Malt-Brennerei und eine Grain-Brennerei (die Sache ist noch etwas komplizierter, aber dazu später).
Auch innen ordnet sich in Loch Lomond die Gestaltung dem Zweck unter. Hier ist nichts behübscht, nichts gefällig gemacht. Aber genau das macht den Reiz dieser Brennerei aus: Sie ist Brennerei pur. Folgen Sie uns auf dem Weg von den Washbacks zu der Porteus-Mühle, in der die Gerste so gemahlen wird, dass sie mit Wasser und Hefe zum Distiller’s Beer umgewandelt werden kann.
Auch der Mash Tun ist schmucklos und in industriellem Ambiente eingebettet. Er fasst 9,5 Tonnen Grist und produziert 40.000 bis 50.000 Liter Wort, der danach in die Washbacks geleitet wird. Zum Unterschied vieler anderer Brennereien wird hier 4x Wasser zugegeben. Man hat hier auf Funktionalität Wert gelegt – die Brennerei war nie dazu gedacht, Besucher mit Atmosphäre zu beeindrucken.
Beeindruckt wird man von anderen Dingen. Zum Beispiel mit der Fermentationszeit von minimal (!) 96 Stunden, die dem Whisky bei Loch Lomond einen unglaublich fruchtigen Grundton gibt (sehr schön zu schmecken bei der Marke Inchmurrin). Die Fermentation geschieht hier in den Washbacks, zehn an der Zahl, die je 25.000 Liter fassen (draußen sind noch 11 weitere Washbacks mit je 50.000 Liter).
Kommen wir nun zu den Stills bei Loch Lomond. Wie auch sonst wird hier doppelt destilliert, also hat man auch Stills paarweise. Die Anzahl UNTERSCHIEDLICHER Stills hebt die Destillerie in Alexandria von den anderen schottischen Destillerien ab und erlaubt es der Brennerei, im Haus insgesamt 13 unterschiedliche Stilistiken von Whisky zu produzieren. Es gibt Long Neck Stills (Lomond Stills), die in den Spirit Stills je 17 Kupferplatten im geraden Hals haben, und viel Reflux erzeugen. Es gibt daher bei den Long Neck Stills zwei Cut Points. Beim höheren bei 80 bis 90 Prozent Alkoholstärke wird der fruchtige New Make gewonnen, der niedrige der von 90% bis runter zu 55% geht, ergibt schwereren, öligeren Newmake – und damit kann man durchaus von zwei Stills in einer sprechen. Weiters gibt es natürlich auch klassische Pot Stills im Paar.
Bei Loch Lomond gibt es aber auch ein Unikum: Eine Coffey Still, mit der Malt Whisky gemacht wird. Der muss sich aber laut der Regularien der SWA Grain Whisky nennen, weil Malt Whisky aus Pot Stills stammen muss, auch wenn es eigentlich ein Malt Whisky ist. Und dann gibt es noch die tatsächlichen, Grain Coffey Stills.
So haben wir insgesamt drei verschiedene Bauarten von Stills, aber fünf verschiedene Anwendungen: Coffey für Grain, Coffey für Malt, Lomond mit High Cut, Lomond mit Low Cut und Pot Still.
Das hier ist die Coffey Still. Wie gesagt: Sie verarbeitet ausschließlich Wash aus Gerste, der Whisky muss danach aber aus rechtlichen Gründen Grain Whisky genannt werden.
Auf unserem Rundgang durch Loch Lomond konnten wir auch den Raum mit den Washbacks für die Grain Distillery betreten – und das sind wahre Monster: 250.000 Liter fasst jeder Washback – die Höhe derselben sieht man dann, als wir mit der Kamera vom „Balkon“ des Gebäudes die Umgebung filmen. Höher ist da nur mehr das Haus, das die Coffey Stills für die Produktion von Grain Whisky enthält.
Zum Abschluss unseres Rundgangs besuchten wir wieder die hauseigene Küferei – und sahen, wie ein Fass ausgebrannt (charred) wurde. Immer wieder ein imposanter Anblick:
Wer die Restaurierung eines angelieferten Fasses in der Cooperage von Anfang bis Ende verfolgen will, dem sei unser Video aus Vorpandemiezeiten ans Herz gelegt: „How to fix a cask“ mit Andy Moore, der Head Cooper bei Loch Lomond.
Unser Besuch bei Loch Lomond endete im Tasting Raum der Brennerei, wo wir ein gutes Dutzend verschiedener Abfüllungen verkosten konnten. Die Vielfalt der Stile ist wirklich bemerkenswert, und ebenso bemerkenswert ist der Fortschritt, den man in der Brennerei bei der Qualität der Abfüllungen gemacht hat. Es zahlt sich wirklich aus, die verschiedenen Abfüllungen aus der Destillerie zu probieren – sei es als fruchtiger Inchmurrin, rauchiger Inchmoan oder als klassischer Loch Lomond. Was jetzt abgefüllt wird und in den letzten paar Jahren abgefüllt wurde, ist sowohl hochwertig als auch eigenständig. Holen Sie Loch Lomond ruhig auf Ihr Whiskyradar – sie werden nicht enttäuscht werden.
Disclaimer: Zur Reise zu Loch Lomond wurden wir vom österreichischen Importeur für Loch Lomond und Glen Scotia, Vienna Distribution, eingeladen. Die Kosten der Reise wurden von von Vienna Distribution getragen. Weder die Loch Lomond Group noch der Importeur konnten auf die Berichterstattung Einfluss nehmen.