Vielen Dank für die zahlreichen Reaktionen auf unseren Aprilscherz 2022 – alle Whiskyfreunde können allerdings beruhigt durchatmen: Der Artikel unterhalb ist erstunken und erlogen 🙂
Wer in den letzten Monaten und sogar Jahren die Entwicklung auf dem Sekundärmarkt für Whisky beobachtet hat (dabei helfen unsere Berichte zu den monatlichen Reports von whiskystats.net), der wird festgestellt haben, dass die Fieberkurve der Sammlerpreise immer steiler nach oben zeigt. Man ist geneigt zu glauben, dass kurz- und langfristig Whisky momentan alle anderen Anlageformen um Längen schlägt.
Dass dadurch die Preise für Sammlereditionen in lichte Höhen steigen, ist nicht nur jenen ein Dorn im Auge, die Whisky lieber trinken als sammeln, sondern auch jenen, die sie gerne sammeln würden, aber zu spät gekommen sind. Und zusätzlich gibt es drei betroffene Parteien, an die man vorderhand nicht immer denkt:
- Händler überlegen sich die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit, wenn sie Flaschen, die sie zum Preis A angeboten haben, schon 24 Stunden später zum Preis von A*2 auf Handelsplattformen sehen – und wenn sie selbst den Whisky zum erlebten Marktwert von A*2 anbieten, als geldgierig beschimpft werden
- Produzenten können zwar neben den Standardausgaben Sonderabfüllungen zu einem guten Preis auf den Markt bringen, werden aber durch die enorme Nachfrage zu immer absurder begründeten „Special Releases“ gezwungen und manövrieren sich und ihre Marketingagenturen in eine niemals endende Atemlosigkeit, die irgendwann einmal zur Übersättigung führen wird.
- Die Finanz sieht sich durch das sogenannte „Flipping“, also das unmittelbare nach dem Kauf teure Verkaufen (teilweise werden die Flaschen vom Anbieter bereits auf Plattformen zum Verkauf angeboten, bevor er sich selbst eine sichern konnte), einem mittlerweile erklecklichen Einnahmeverlust ausgesetzt und befürchtet dabei auch, dass auf diese Art jede Menge Schwarzgeld gewaschen werden könnte.
Von den drei Gegnern der Flipper ist wohl die Finanz der potenteste, und es sollte daher auch nicht verwundern, dass die Initiative zur Eindämmung des privaten Graumarktes wieder einmal von dort ausgeht.
Nachdem man – in Zusammenarbeit mit Plattformen wie Facebook – schon dem privaten Handel europaweit durch das Verbot von Geschäftsanbahnungen über Social Media einen gewissen Riegel vorgeschoben hat, holt man, übrigens in Abstimmung mit den Produzenten, zu einem weiteren Schlag gegen dieses Unwesen aus:
Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen zu vernehmen ist, wird noch vor der parlamentarischen Sommerpause in Brüssel ein Gesetz beschlossen werden, das für Privatleute eine Behaltefrist für Sonderabfüllungen von Spirituosen von sechs Monaten vorschreibt. Wer eine solche Sonderabfüllung vor dem Ablauf der Frist verkauft, hat mit einer Strafsteuer von 300% des Handelswertes der Flasche zu rechnen. Damit soll das Flipping unattraktiv gemacht und die Hitze aus dem Sekundärmarkt genommen werden.
Wer sich nun fragt, wie ein solches Gesetz exekutiert werden soll – auch daran hat man im Gesetzesantrag gedacht:
- Die Regelung wird nur für Sonderabfüllungen eingeführt. Als solche gelten alle als „limitiert“ in den Handel gebrachten Abfüllungen, die nicht über mindestens 3 Jahre im Kernsortiment angeboten und dabei weitflächig verfügbar sind. Batchabfüllungen wie z.B. der Glendronach Cask Strength werden dabei als Abfüllungen im Kernsortiment betrachtet, sind also nicht betroffen. Jährliche Sonderausgaben wie zum Beispiel die Whiskys zum Ardbeg Day fallen sehr wohl unter die Regelung.
- Um die Verordnung exekutieren zu können, wird eine europäische Datenbank, angelehnt an jene des us-amerikanischen Trade and Tobacco Tax and Trade Bureaus, angelegt, in der Produzenten und Importeure Sonderabfüllungen mit ihrem Erscheinunsgdatum einmelden (leider wird diese Datenbank, die sich bereits im Probebetrieb befindet, nicht öffentlich zugänglich sein, sodass wir keine Erscheinungsdaten einsehen und berichten können)
- Die Überprüfung der Einhaltung der Regelung wird automatisiert erfolgen: Bots und Spiders werden die gängigen Handelsplattformen durchsuchen und verdächtige Einträge automatisch an die Behörde melden, die dann, im begründeten Verdachtsfall, eine genauere Untersuchung einleiten wird.
Seitens europäischen Union hofft man, durch diese Maßnahmen Steuerausfälle im Bereich von 120 bis 140 Millionen Euro jährlich verhindern zu können und sieht die geplante Gesetzesänderung auch als eine Unterstützung des regulären Handels, der durch den Graumarkt zunehmend unter Druck geraten ist.
Dem Vernehmen nach soll das Gesetz bereits im Mai in den entsprechenden Ausschüssen behandelt und noch im Juni im Plenum abgestimmt werden. Wenn es dann soweit ist, halten wir Sie auf dem Laufenden.
Keine Destillerie wird zu irgendeinem Release gezwungen, es sei denn von der eigenen Marketing-Abteilung. Manche produzieren einfach guten Whisky (Deanston, Arran, usw.). Auch ohne Hype wächst ihre Fangemeinde. Ich wurde eigentlich nie von solchen Eintagsfliegen gelockt und drehe mich heute bewusst weg von Destillerien, die mehr Zeit haben Hype zu betrieben als guten Whisk(e)y auf den Markt zu bringen. Diese Woche kam Jameson auf die Liste mit der neuen, limitierten, über Lose verteilten 0,5 Liter, €300 teuren 15 jährigen Pot Still voll auf meiner Shit-Liste. Kein Bedarf auf solche Spielchen.
ich vermute ganz stark hier eine 1.April Ente. Klar ärgert es die Händler und Konsumenten, wenn der limitierte Stoff mit 100% und mehr Gewinn weiterverkauft wird – auch die 6 Monate Frist wird davor nicht bewahren
Ja, gut erkannt ;-).