Man trifft sie nicht oft: Die Legenden, die die Geschichte des Whiskys oder Whiskeys mitbestimmt haben, die mit ihrem Pioniergeist und Geschäftssinn Marken geschaffen oder aus der Versenkung geholt haben. Tom Bulleit ist laut Diageo einer von ihnen. Im Jahr 1987 hat er die Marke Bulleit Bourbon wiederbelebt und sie mit Unterstützung von Partnern wie Seagrams oder später Diageo zu einer respektierten und vielfach ausgezeichneten Größe am Bourbon Markt gemacht. Anlässlich des Relaunches des Bulleit Bourbon und der Neueinführung des Bulleit Rye Whiskey am deutschsprachigen Markt kam Tom Bulleit auch nach Wien, um seine Produkte vorzustellen. Redakteur Bernhard Rems hatte während der Veranstaltung die Möglichkeit, einige Zeit mit Tom Bulleit zu verbringen und mehr über ihn und seinenWhisky zu erfahren.
Die Geschichte von Bulleit Whisky beginnt laut Tom um das Jahr 1830, als Augustus Bulleit, eingewandert aus Frankreich, in Kentucky damit anfängt, Whisky zu destillieren und abzufüllen. Den Whisky liefert er hauptsächlich nach New Orleans, und zwar nicht in Flaschen, sondern fassweise. Nach seinem Tod im Jahr 1860 wurde die Produktion aber eingestellt.
Es dauerte bis ins Jahr 1987, bis der Ur-Ur-Großenkel von Augustus Bulleit, Tom Bulleit, den ersten Batch des neuen Bulleit Whiskys produzieren ließ. Nicht strikt nach dem Originalrezept (66% Rye, 33% Corn), das hätte den Bulleit Bourbon nach moderner Rechtslage als Rye Whiskey klassifiziert, aber immerhin mit einem bei Bourbon ansonsten unüblich hohen Rye-Anteil ( 68% corn, 28% rye, 4% malted barley). In Amerika wurde der Bourbon immer mit 45% abgefüllt, in Europa zum Teil auch mit 40% verkauft – diese Zeiten sind seit dem Relaunch nun endgültig vorbei und wir kommen auch hier in den Genuss der Originalstärke von 45%, was dem Whiskey geschmacklich sehr gut tut.
Auf unsere Frage, ob man daran denke, Bulleit auch als Fassstärke abzufüllen, meinte Tom Bulleit, es gäbe dementsprechende Überlegungen (der Bulleit kommt nach seinen 5-7 Jahren Lagerungszeit mit 59 bis 59.5% Alkohol aus dem Fass), aber noch keine konkreten Pläne. Eine weitere Frage zielte auf die Länge der Lagerung ab – ob man daran denke, den Bourbon auch länger im Fass zu belassen. Tom meinte, es würde keinen wirklichen Sinn machen, da der Bourbon durch die extremen Temperaturschwankungen übers Jahr in Kentucky nach diesen 5-7 Jahren völlig ausgereift sei und danach nur mehr noch mehr Holznoten gewinnen würde – anders als schottischer Whisky, der durch das halbwegs konstante Klima wesentlich langsamer reifen würde.
1997 wurde die Marke von Seagrams aufgekauft, welches später ein Teil von Diageo wurde. Mit diesem Partner expandierte Bulleit Bourbon weltweit und wurde ein Geheimtipp unter Liebhabern von Bourbon.
Wie kam es zu Bulleit Rye Whiskey? Tom Bulleit macht die Bartender dafür verantwortlich. Auf einem großen Convent von Bartendern wurde er darauf angesprochen, einen Rye zu produzieren, der diese Bezeichnung auch vom Geschmack her verdiente. Rye Whiskey muss nach US-Gesetzen aus mindestens 51% Roggen bestehen. Der Bulleit Rye Whisky hat einen Rye-Anteil von 95%. Technisch wären auch 100% möglich (Tim sagte uns, dass es in den USA zumindest zwei kleine Destillerien gäbe, die einen 100% Rye herstellten, aus Geschmacksgründen habe er sich aber dazu entschlossen, dem Rye 5% malted barley beizumengen). Der Rye wird übrigens nicht, so wie der Bourbon, in der Kirin Brewing Company Four Roses Distillery in Lawrenceburg, Kentucky hergestellt, sondern in Lawrenceburg, Indiana von Lawrenceburg Distillers Indiana (eine Destillerie, die verschiedenste Ryes nach dem vorgegebenen Rezepten herstellt, wie uns Tom Bulleit bestätigte).
Wie schmecken nun der Rye und der Bourbon? Im Rahmen eines Dinners, das auch mit Hilfe der beiden Abfüllungen zubereitet wurde, hatten wir die Gelegenheit, die Bulleit-Abfüllungen zu verkosten. In der Pause zwischen der Vorspeise und der Hauptspeise wurde der Bulleit Rye (er reift zwischen 6 und 8 Jahren) gereicht. Er gefällt durch seine Würzigkeit, den dominanten Geschmack des Roggenbrands und eine sehr trockene Note. Unter den bei uns weitläufiger erhältlichen Rye Whiskeys nimmt der Bulleit Rye eine Sonderstellung ein und ist nicht nur für Mixgetränke empfehlenswert, sondern kann und soll auch solo getrunken werden.
Nach dem Hauptgang gab es ein vergleichendes Tasting zwischen vier Playern auf dem amerikanischen (und internationalen) Bourbon-Markt: Zur Verkostung kamen der Bulleit Bourbon, die Standardabfüllungen von Jack Daniels und Jim Beam sowie, als weiterer Vertreter der Small Batch Whiskeys, der Maker’s Mark in seiner Standardabfüllung (Red Wax).
Die Geschmäcker der Whiskeys wurden deutlich durch deren Zusammensetzung geprägt:
- Bulleit Bourbon: 5-7 Jahre, 68% corn, 28% rye, 4% malted barley
- Maker’s Mark: Reifung nicht erwähnt, 70% corn, 14% malted barley, 16% winter wheat
- Jack Daniels: 4 Jahre, 80% corn, 8% malted barley, 12% rye
- Jim Beam: 4-5 Jahre, 70% corn, 18% malted barley, 12% rye
Deutlich am süßesten war Maker’s Mark, was der Absenz von Rye geschuldet ist. Zudem war er der einzige Whiskey im Panel, der im Finish sehr deutliche Holznoten zeigte. Jim Beam und Jack Daniels waren leicht trinkbare, aber ansonsten unauffällige Whiskeys (der Autor hatte eine leichte Präferenz für Jack Daniels). Der Bulleit Bourbon war trocken, sehr rund und über den gesamten Verlauf harmonisch und eindruckstark. Von den verkosteten Bourbons unserer Meinung der Interessanteste, knapp gefolgt von Maker’s Mark.
Nach dem Dinner hatten wir nochmals Gelegenheit, ein paar Worte mit Tom Bulleit zu wechseln. Diesmal ging es um das Flaschendesign – und die Entstehungsgeschichte dieser mehrfach ausgezeichneten Behältnisse. Tom erzählte, dass er, nachdem er den Entwurf der Flasche sah, unbedingt noch ein silbernes Element auf der Flasche haben wollte, und ihn der Verantwortliche der Agentur (DDB) mit folgender, von Tom wörtlich überlieferten, Aussage wegschickte: „Tom, davon verstehst Du einen Dreck. Und jetzt geh heim und rühr in Deinen Töpfen um“.
Insgesamt war dieser Abend mit Tom Bulleit eine spannende und sehr persönliche Begegnung mit einer treibenden Kraft des Bourbons – und die am deutschspachigen Markt erscheinenden Abfüllungen Bulleit Bourbon und Bulleit Rye stellen ohne Zweifel eine willkommene Bereicherung des Portfolios dar. Wie viele amerikanischen Abfüllungen sind sie preislich sehr interessant gestaltet; einem Probierkauf sollte von dieser Seite her eigentlich nichts im Wege stehen.