Wir sollten, müssten, könnten Jim Murray dankbar sein. Denn sind wir doch mal ehrlich: Wer von uns hatte den japanischen Whisky fest im Blick (und im Glas), bevor 2015 in der Whisky Bibel ein Yamazaki zum World Whisky of the Year erklärt wurde? Und wer kannte Whisky aus Indien, bevor 2010 Amrut mit ihrem Fusion zum drittbesten Whisky in the World erklärt wurde?
So begann Krish Kumar seine Präsentation der Paul John Whiskys im Oberhausener Whiskyhort. Kurz zuvor hatte sich Paul John, Geschäftsführer der indischen John Distillers, knapp und bescheiden vorgestellt, und dann seinem Referenten das Feld überlassen. Ihm oblag es dann auch, den anwesenden Whiskyfreunden das Besondere Indiens und des indischen Whiskys zu erläutern.
Auf dem Subkontinent Indien mit über einer Milliarde Einwohnern gilt (fast) jedes fassgelagerte alkoholische Getränk als Whisky. Die uns bekannten Regularien gelten dort nicht, so ist die Verwendung von Industrie-Alkohol ebenso gestattet wie der Zusatz von Aromen. Neben unter anderem auch Brandy produzieren die John Distillers die Marke Original Choice (Absatz: 10 Millionen cases pro Jahr), nicht zu verwechseln mit der indischen Whisky-Marke Officer’s Choice, die Nummer 1 in Indien und mittlerweile auch auf der Welt.
Mit ihrer Range hat sich Paul John Whisky sehr breit aufgestellt, alle Whiskys sind ungefiltert und ungefärbt. Brilliance, ungetorft und mit 46 Vol. % abgefüllt, ist der leichte Einstieg in die Paul John Whiskys. Für den Edited (46 Vol. %) wird aus Schottland importierter Torf für das Darren der Gerste verwendet (Phenolgehalt ca. 8 ppm). Der Dritte im Bunde ist der Bold, der deutlich stärker getorft ist (ca. 30 ppm). Hinzu kommen noch zwei Select Cask Abfüllungen in den Varianten unpeated und peated und mit knapp über 55 Vol. % in Fassstärke abgefüllt. Für den deutschen Markt gibt es auch zwei exklusive Einzelfass-Abfüllungen, Fass #1615 in der ungetorften Variante und Fass #745.
Die Gerste für Paul John Whisky wird im Himalaya angebaut. Sie ist 6-zeilig trägt mehr Protein, allerdings weniger Stärke als die in Schottland verwendete 2-zeilige Gerste. Deshalb muss dreimal soviel Gerste verwendet werden und der Alkoholgehalt des Wort beträgt nur ca. 5 Vol. % und damit in etwa 3 % weniger als z.B. in Schottland. Dies führt zu einem sehr fruchtigen Whisky, der neben einer Honigsüße auch mit floralen Noten aufwartet. In Verbindung mit recht kurzer Reifezeit – durch die hohen Temperaturen und die hohe Luftfeuchtigkeit in Goa reift der Whisky einfach schneller – sind die Paul John Whiskys sehr cremig.
Ihre Stärken spielen die Whiskys von Paul John am besten und auf hohem Niveau in ihren ungetorften Varianten aus. Und bieten uns damit, was wir von einem indischen Whisky vielleicht erwarten: eine gewisse Exotik, eine gewisse Andersartigkeit, die zu entdecken ein lohnendes Unterfangen ist.