Knapp über 4000 Einwohner tummeln sich auf dem Kleinod Islay, einer der Inneren Hebrideninseln, dazu vermutlich doppelt so viele Schafe und acht ganz besondere Schätze, ein neunter ist in Planung. Um die Geheimnisse dieses Fleckchens Erde ein wenig nachzuvollziehen und degustatorisch zu erkunden, trafen sich Interessierte und Freunde des uisge beatha in einem still entlegenen und dennoch wohlbekannten Extrazimmer einer Wiener Barinstitution.
Gerald Petö von Whisky Purbach lud gemeinsam mit Erich Wassicek zu diesem Tasting im neunten Bezirk, Konny Wunder komponierte in der Küche die Köstlichkeiten zu einem Gaumenorchester.
Nach einleitenden Worten und ersten, sich ankündigenden Düften vom Herd, schaffte ein Videoclip über eines der spektakulärsten piping und drum Festivals, welches jährlich im Castle von Edinburgh über die Bühne geht, Lust auf mehr und stimmte die Runde ein.
Geographisch und akustisch justiert – noch ein letzter Blick auf die Whiskylandkarte und ein paar Worte über die Bedeutung der Insel, die im Fokus des Abends stand.
Für das Tasting waren vier Zweier-Flights vorgesehen, je eine Destillerie in double conference, den Anfang machte Bowmore, „das große Riff“, 1779 gegründet und heute zum Getränkeriesen Suntory gehörig.
Während die letzten drams eingeschenkt wurden, stellte Konny Wunder den ersten Gang der korrespondierenden Menüfolge vor. Erdäpfel-Lauch-Süppchen mit knusprig gebratenen Lauchstreifen, samtig sämig, dezent rauchig, ein sehr schönes Opening.
Ein angeregter Dialog zwischen Bowmore Mariner, einer schon etwas älteren Abfüllung mit zarten 15 Jahren auf dem Buckel, und dem Süppchen, der etwas leichtere, dezent florale und maritim zitrushafte Grundtenor des Whiskys klang harmonisch mit der cremig weichen und schmeichelnden Erdäpfel-Lauch Köstlichkeit, die Spitzen aus Rauchakzenten waren in beiden zu finden und spielten ineinander.
Auch ein aufziehendes „Gewitter“ – übersetzt „Tempest“ – vermochte nicht den Himmel zu verdunkeln, die zehnjährige Fassstärke überzeugte mit Kraft und Druck, schnitt elegant durch die Fülle der Speise und die dezente Vanillesüße, gepaart mit Fruchtnoten von Birnenquitte, Apfelmus und Zimtzucker rundete den Eindruck ab. Der Abgang lange, von Würze getragen, Koriander und grüner Apfel blieben haften, und auch ein wenig vom manchmal signifikanten Veilchenton bei Bowmore.
Es ging weiter nach Süden, zu Lagavulin, Teil des Diageo Konzerns, „das Tal mit der Mühle“…
Der „Ort“ Lagavulin besteht so Herr Petö, ein erfahrener Schottlandreisender, ziemlich genau aus der Destillerie, sonst hält sich die Geschäftigkeit eher in Grenzen. Die Schafe und ein B&B zählen zu den übrigen Hauptattraktionen, hier scheint die Welt noch in Ruhe und Ordnung, friedlich ziehen die Tage ins Land, die Uhren scheinen eine Spur langsamer zu gehen.
Gang Zwei: Eiernockerl mit Speck und kleinem Salat Bouquet, cremig, selchig, mit frisch knackigen, grünen Akzenten.
Lagavulin 16y, vielleicht einer der bekanntesten und weitest verbreitet anzutreffenden Islay Single Malts, machte den Anfang und sollte den Destilleriecharakter perfekt widerspiegeln – dieser Whisky, wenngleich eigentlich als Standardmalt anzusehen, gehört unumstritten zu den ausgesprochen verlässlichen und qualitativ hochwertigen schottischen Lebenswässern.
Als Vergleich konnte man im zweiten Glas die Distiller’s Edition querverkosten, immer wieder eine erfolgreiche Bestätigung, dass heavily peated und Süßweinfässer eine Liaison eingehen können.
Pedro Ximenez hinterließ hier seine Spuren in Form von süßlich vollen Tönen in der Nase, die die rauchig speckigen Destillatseindrücke umgarnten, Bitterschokolade, röstige Komponenten und Dörrobst spielten mit.
Die buttrige Cremigkeit der Eiernockerl, die Textur am Gaumen und die Speckstreifen als Draufgabe harmonierten da ebenso fein mit dem altbekannten sechzehnjährigen Lagavulin, als auch dem etwas weniger bekannten Bruder in der edel gehaltenen schwarzen Flasche.
Der Nachhall der drei Einzeldarsteller zog sich in ein sehr langes Ensemblefinish, dessen geschmackliches Miteinander in Wohltönen erklang.
Die Runde begann sich nebenher in kleinen Gesprächen angeregt auszutauschen, die Frage nach einer Pause wurde dann aber relativ bald beiseite geschoben und man widmete sich dem dritten geographisch-organoleptischen Anlaufzentrum – Caol Ila sollte es sein.
Manchmal ein wenig als die Arbeitsbiene Diageos verkannt, ist Caol Ila für herausragende Brände gut, spannende unabhängige Abfüllungen gilt es zu entdecken, aber auch die original bottlings sind immer wieder ein Kostgläschen wert.
Der 12y zeigte sich brav, dunkel und recht süßlich im Stil, auch hier reichte man daneben die Distiller’s Edition, ein Moscatel Finish. Anfängliche Schwefeltöne waren zwar deutlich, verflogen aber mit ein paar Augenblicken im Glas, zurück blieb ein würziger Eindruck mit Thymian, provenzalischen Kräutern und Erinnerungen an Curry, dann vermehrt getrocknete Steinfrüchte, süße Marille und überreife Mango.
Insgesamt blieben sich die zwei drams gegenseitig nichts schuldig, wenngleich sie vielleicht nicht die letzte Überzeugungskraft wie andere Whiskys des Abends fanden. Der klare Punktesieg in Runde Drei ging an die kleinen Grammelknöderl auf gedämpftem Kraut, Oberösterreich trifft Islay, der Raum wurde still, immer ein gutes Zeichen für die Küchenmannschaft, und mit der Speise wurden auch die Malts nochmals eine ganze Hausecke interessanter.
Last but not least – und irgendwie blieb man dann doch der Gelegenheit und Location besonders treu – musste es Ardbeg sein, offiziell in der Embassy verkostet, zuerst 10y, als Abschluss Corryvreckan zum „Darüberstreuen“.
Kleine Anhöhe heißt der Destilleriename übersetzt, 1815 gegründet, heute im Besitz des Edelkonzerns Louis Vuitton Moet Hennessy, diesen dezenten Anstieg wollten alle Verkoster doch mit Freuden in Kauf nehmen.
Ähnlich wie bei Lagavulin ist auch Ardbegs Standardmalt zum absoluten Klassiker avanciert und bietet ein großartiges Preis- Leistungsverhältnis, steinig, mineralische Komplexität, Schizandrabeeren, schwarzer Pfeffer, am Gaumen dann harzig, Salzgebäck und Toffeenoten. Kaum blieb Zeit sich zu fragen, ob denn die Küche auch noch einmal aus den Vollen feuern würde – ein Dessert war fast unumgänglich.
Das Schokotörtchen mit Birnenmus war ebenso Whiskyimprägniert wie der Steamed Pudding mit Trockenfrüchten und Nüssen, zufrieden gestimmt werden musste längst keiner mehr, und der Whirlpool Corryvreckan sprudelte mit gewohnt imposanter Kraft vor sich hin und über Nase und Gaumen hinweg.
Ein spannender Abend, eine interessante Gelegenheit auch die ein oder andere „Einstiegswaffe“ wieder einmal neu und objektiv zu betrachten, mit einem perfekten Gastgebergespann, sowohl seitens Gerald Petö als auch von Konny Wunder und Erich Wassicek. Dass sich Whisky aus Schottland mit klassisch österreichischer Küche so trefflichst begleiten lässt, wie mit Haggis und Porridge, wurde ebenso bewiesen wie der Umstand, dass gut nicht immer super exklusiv und teuer sein muss.
Secrets of Islay, die Geheimnisse von Islay hatte man dem Abend als Motto vorangestellt – nun sicher gibt es noch die ein oder andere Geschichte zu erzählen, ein paar Gläser zu verkosten und Mysterien zu entziffern, umso besser klingt da die Nachricht, dass das Tasting als Trilogie gedacht und konzipiert ist. Man darf also auf das nächste Mal gespannt sein.
Mit den besten Spirits
Reinhard Pohorec