Unser Gastautor Stefan Bügler, dem wir schon vielbeachtete Artikel über ein Fest bei der Lindores Abbey Distillery, über Glen Scotia (Teil 1 und Teil 2), über St. Kilian (Teil 1 und 2) und einen über Springbank (Teil 1 und Teil 2) verdanken, hat für seine fünfte Kollaboration mit Whiskyexperts die Destillerie InchDairnie im Kingdom of Fife besucht, um dort tief in die Geheimnisse der für die Öffentlichkeit nicht zugängliche Brennerei einzutauchen.
Kommen Sie mit ihm und uns in die versteckte Brennerei in den Lowlands, die im Dezember 2015 zu produzieren begann, und lesen Sie in drei Teilen, was Inchdairnie so außergewöhnlich macht. Den ersten Teil finden Sie hier, das Finale lesen Sie dann morgen, am Dienstag:
Treffpunkt: The hidden distillery close to water – eine Trilogie – Die Produktion
„Es wird Zeit, dass wir in die Produktion gehen und anschauen was uns anders macht,“ sagt Ian Palmer, Gründer und Managing Director der InchDairnie Distillery und bittet seinen Distillery Manager Scott Sneddon hinzu, der zuvor in gleicher Position bei Glenkinchie war.
Die Brennerei strahlt Modernität und Produktivität aus. Ein kurzer Blick erhascht die Maltbins und Washbacks, die außerhalb neben und hinter dem Gebäude stehen. Scott lässt sie jedoch links liegen und geht direkt zur Mühle, die ich zunächst nicht zweifelsfrei erkannt hätte, am Eingang des Brennereigebäudes.
Die Hammer-Mühle
Scott’s Augen funkeln, als er leidenschaftlich anfängt den Produktionsfluss zu erklären: „Im Gegensatz zu den Rollen-Mühlen von Porteus, Boby oder neuerdings CTS Prozess, die das Malz viel grober schroten, haben wir eine Hammer-Mühle von Asnog aus den Niederlanden eingebaut. Die Mühle schrotet Lose von 4 Tonnen Getreide in feinstes Mehl wodurch wir mehr Stärke und damit letztendlich Zucker beim Maischen extrahieren können und dadurch den Geschmack nachhaltig beeinflussen.“
Angesichts des feinen Mehls erinnere ich mich an jede bisherige Distillery Tour, in der erklärt wird, dass das Malz nicht zu fein gemahlen sein darf, da sonst das Equipment verstopft und zudem die gröberen Bestandteile als Filter in der Mashtun fungieren. Das feine Mehl könnte dort also nicht verarbeitet werden. Und wie ist das bei InchDairnie?
Scott sieht diese Frage kommen: „InchDairnie hat keine Mashtun. Wir nutzen ein Set up, das in Brauereien häufig angewendet wird: In Stahltanks – den „Conversion Vessels“ – wird das Mehl mit 65°C heißem Wasser vermischt. Die auf diese Art aktivierten Enzyme verwandeln nun die Stärke in Zucker. Mit 68°C geht es weiter in den Mashfilter, von denen zur Zeit nur vier in der Whiskyindustrie in Schottland und Irland im Einsatz sind – bei Teannich, Midelton, Waterford und bei InchDairnie.“
Der Mashfilter
Der Mashfilter sieht aus wie ein großes Klavier, das auf der Seite liegt. Seine „Tasten“ bestehen aus bis zu 48 Modulen.
In der Mitte des Moduls sitzt zwischen einer Membran und einem Filter eine große Kammer. Sind alle Kammern befüllt, dehnt sich die Membran durch Luftdruck aus und presst so die Maische durch den Filter. „Es ist im Grunde so als würde man einen Teebeutel zu einer Seite hin ausdrücken”, erklärt Scott. Dieser sogenannte “strong wort” (starke Würze) wird dann in die Gärbottiche gepumpt. Dann entweicht der Druck aus dem System, die Membranen dekomprimieren und das System wird mit Wasser gespült. So entsteht der “weak wort” (schwache Würze) der für den nächsten Maische-Durchgang eingesetzt wird. Die zurückgebliebenen festen Bestandteile fallen einfach unten aus der Kammer heraus. Mashing completed!
Dieser Prozess benötigt weniger Wasser als die sonst gängige traditionelle Methode, was zu einer stärkeren klaren Würze führt. Die hat großen Einfluss auf den Geschmack, denn so entstehen grasige und florale Aromen im New Make während die schwereren Noten minimiert werden.
Als weiterer Vorteil neben der maximalen Geschmacksextraktion kann der Mashfilter Getreidesorten leicht verarbeiten, die traditionelle Systeme sonst nur schwer bis gar nicht verarbeiten können, z.B. Roggen, Hafer und Wintergerste.
Die Nachteile liegen in den höheren Kosten und dem Wartungs- und Reinigungsaufwand für den Mashfilter. Zudem muss er immer komplett gefüllt sein weshalb bei kleineren Chargen Platten in die Kammern eingesetzt werden müssen, was zusätzlich Zeit kostet.
Für Ian und Scott überwiegen die Vorteile hinsichtlich des Geschmacks und des flexiblen Einsatzes verschiedenster Getreidesorten die Nachteile bei weitem.
Sie müssen draußen bleiben – die Gärbottiche
Die klare Würze wird in einen der vier 80.000l Gärbottiche gepumpt, die zu 75% befüllt werden. Je nach Rohbrand wird eine ganz spezielle Hefe hinzugefügt. Während der nächsten 60 Stunden drückt die Natur nun der Gärung ihren Stempel auf, denn die Bottiche stehen unter freiem Himmel hinter dem Brennereigebäude ohne Temperaturkontrolle. Dadurch entstehen jahreszeitliche Effekte im Geschmack, die explizit gewollt sind.
Die Brennblasen von Frilli
Nach Abschluss der Gärung enthält der Wash stolze 10% Alkohol und wird in die traditionelle 18.000l Wash Still zur ersten Destillation gepumpt, die den Alkohlgehalt auf 25% steigert. InchDairnies Rohbrände aus gemälzter Gerste werden in einer traditionellen 11.000l Brennblase zum zweiten Mal destilliert. Die Alkoholstärke differiert je nach Rohbrand aufgrund unterschiedlicher Cut Points an denen der Alkohol getrennt wird, wobei die Brennblase immer mit gleicher Geschwindigkeit läuft.
Die beiden traditionellen Stills sind mit „double shell and tube condensers“ (Rekuperatoren) ausgestattet, die einerseits einen längeren Kupferkontakt erlauben sowie 35% Energierückgewinnung.
Für andere Getreidesorten (Roggen, Hafer, etc.) findet die zweite Destillation in der neuen Lomond Still statt, die auch von Frilli hergestellt wurde. Sie verfügt über sechs “Destillation Plates” im Hals und ein Refluxsystem, aber erlaubt die Destillation des Rohbrandes nur mit einer Alkoholstärke mit gleichem Geschmacksprofil.
Beam me up Scotty – die Pilot Still
Treppe abwärts befindet sich die Pilot Still – eine Versuchsbrennblase. Wer eine kleine zwiebelförmige Einheit erwartet hat, der wird enttäuscht. Sie sieht eher nach einer kleinen Rakete aus. Hier wird der experimentelle Wash eingesteuert, der zuvor beim Hefehersteller speziell für InchDairnie produziert wurde. „Es ist ein Traum für jeden Brennmeister“, bestätigt Scott. „Hier testen wir neue Hefen und Getreidesorten.“
Für mich ist die Pilot Still der letzte Mosaikstein der erklärt, warum Scott’s Augen so funkeln und ihm sein Job soviel Spaß macht. Welche Experimente so vielversprechend waren, dass sie in eine Produktion mündeten, dass möchte Scott jedoch nicht verraten: „No comment!“
Produktion und Lagerung
InchDairnie ist darauf ausgelegt, zwei Millionen Liter reinen Alkohol (LPA) innerhalb von 50 Wochen im Jahr zu produzieren, im 24/7 Betrieb mit einem Team von fünf Operators. Das entspricht einer Produktion von 40.000 LPA/Woche, die etwa 250 Fässern entspricht.
Mittlerweile wurden acht große Lagerhäuser bei InchDairnie errichtet, die jeweils in zwei Zonen zu 1.000 Quadratmetern segmentiert sind und die jeweils 14.000 Fässer aufnehmen können. Diese stehen auf 6er-Paletten und werden bis zu acht Paletten hoch gestapelt. “Da wir nur Fässer höchster Qualität verwenden ist das Risiko von Leckagen gering. Jedoch dauert die Reifung etwas länger. Um einen Whisky zu erzeugen, der einer Reifung von drei Jahren in einem traditionellen Lagerhaus entspricht, benötigen wir auf Paletten etwa drei Monate länger”, erklärt Ian. “Dieser Faktor wird jedoch durch die höhere Anzahl an lagernden Fässern mehr als ausgeglichen. Betreut werden die Lagerhäuser von zwei Mitarbeitern.”
In einem separaten Teil eines Lagerhauses sind die ex-Bourbon Barrels des kleinen aber sehr exklusiven Fassprogramms untergebracht. “Wir bieten nur jeweils 30 Fässer pro Jahr an. Ein spezifischer Rohbrand wird in einem speziell dafür abgestimmten Fass angeboten. In 2019 war das die Frühjahrsdestillation von Inchdairnie in einem ex-Bourbon Barrel zu einem Preis von 8.500 GBP. Darin enthalten sind die Kosten für Labels, Flaschen und Abfüllung , sechs VIP Besuche in der Brennerei für Gruppen bis zu sechs Personen mit inkludiertem Lunch im Board Room. Zudem bieten wir nach der Abfüllung des Fasses ein spezielles Tasting im Hause des Fassbesitzers an. Mir liegt daran mit unseren Kunden eine Beziehung mit persönlicher Tiefe einzugehen, die niemand sonst in dieser Form bietet”, sagt Ian.
Wir gehen zurück zum Verwaltungsgebäude. Von Ian, Scott, der Brennerei und dem Konzept bin ich bisher tief beeindruckt. Die Ausstrahlung von unbedingtem Selbstvertrauen jederzeit den geschmacklich bestmöglichen Whisky zu produzieren, hat sich nach meiner Wahrnehmung noch verstärkt. Das Schild am Eingangstor war korrekt: “We are busy making whisky” und das mit großer Leidenschaft.