„Sie werden den ganzen Abend nicht von mir hören, ob oder wie Ihnen der Whisky schmecken soll…“.
Thomas Gillespie führt durch das Raritäten Tasting von Vinum Purbach und Whisky Purbach in Kooperation mit Carn Mor.
Knapp sechzehn Freunde des schottischen Lebenswassers haben sich in dem heimeligen Lokal, einem ehemaligen Kellerstöckel im burgenländischen Purbach am Neusiedlersee eingefunden, um besondere Tropfen des unabhängigen Abfüllers Carn Mor zu verkosten. Zehn Drams stehen dabei auf der gustatorischen Tagesordnung, auch die Ankündigung einiger Single Malts mit besonderer Reifezeit war im Vorfeld zu vernehmen.
Als Auftakt serviert man jedoch zwei verschiedene Blended Whiskys, der eine weltbekannt und einer der meist getrunkenen zwölfjährigen Blends. Er steht neben Old Perth, einem Blended Malt (früher auch als Vatted Malt bezeichnet). Die Melange aus Aultmore, Mortlach, Tomatin und Ben Nevis, wenngleich ohne Altersangabe, besticht durch Fülle, Eleganz und Süffigkeit, die Unterschiede in der Stilistik sind für die Verkoster sehr schnell riech- und schmeckbar. Auch die bewusst vermiedene Kühlfiltration ist eines der charakteristischen Merkmale des artisanalen Verschnittwhiskys.
Zu den delikateren Ausprägungen des uisge beatha gibt es einen Apfel Sellerie Salat mit Speckstangerl und leichter Vinaigrette, dazu serviert Herr Gillespie Anekdoten und Geschichten aus seinem reichen Erfahrungsschatz und den Erfahrungswerten in der schottischen Whiskybranche. Fasspolitik, die oft magische Handwerksarbeit der Küfer, der Anteil der Engel, bis hin zu den praktischen Ausformungen von Verkaufsdruck, wirtschaftlichen Faktoren, Problemen und Chancen der Industrie.
Den Auftakt der Single Malts bildet ein Benrinnes aus 2002, mit sieben Jahren und 46% Volumen Alkohol abgefüllt. Wie für Carn Mor üblich, als Einzelfass, Single Cask. Dazu gesellt sich eine Fassstärke derselben Brennerei, 1991 destilliert und 22 Jahre später für reif befunden, Teil der „Celebration Of The Cask“ Serie.
Karamellig schokoladig, mit leichten Rauchakzenten präsentiert sich das erste Glas, durch etwas Zeit und besonders am Gaumen entwickeln sich noch Fruchtnoten und getreidige Honigsüße.
Für Gerald Petö, Veranstalter und der Mann hinter Whisky-Purbach, eines der ersten Highlights des Abends, ist Benrinnes ’91 mit seiner Eigenständigkeit in der Tat eine überraschende Entdeckung, bourbonesque und von markanter Kräuternote gezeichnet, helle Stilistik, trotz des Alters sehr lebendig, frisch und ziseliert, sehr fein gezeichnet.
Es schließt sich ein Vintage Collection Dram aus dem Hause Caol Ila an, er offenbart eine leicht fruchtig grünliche Note von Kochbanane, unterlegt von Rauchigkeit und maritim floraler Zigarrenasche, und das nach 27 Jahren in einem Bourbon Hogshead. Am Gaumen zeigt sich Süße, spritzig lebendige Frucht, mit 46% Volumen rund und balanciert.
Diese Zweierreihe wiederum wird ergänzt von Ledaig 2005, ein unglaublich spannender siebenjähriger Malt, ebenfalls mit 46 alkoholischen Umdrehungen. Salzig schmalzig und kraftvoll, in Vanillezucker gekleidete Selchnoten, Datteln im Speckmantel, frische gelbe Ringlotten, Apfel, etwas Zitrus, dahinter Buttertoffee, fett ölig, ein sehr spannendes Bild, abwechslungsreich.
Dazu wirft Thomas Gillespies einen Blick auf die Herkunft der Rauchnoten im Whisky, spricht über Getreidesorten und spezifische Produktionsprozesse.
Zu den rauchigen Whiskys serviert die Küche eine sehr harmonische Komposition von gebeiztem Lachs, einer Fischmousse und Oberskren, alles auf den Punkt gewürzt.
Im nächsten Flight widmet sich die gesellige Runde zwei unterschiedlichen Expressionen der Destillerie Macduff. Einmal in einer äußerst jugendlichen Ausprägung, nach gerade einmal 48 monatiger Fasslagerung 2009 gefüllt – demgegenüber ein 21 jähriges Bourbon Barrel von 1991 aus der Reihe der Vintage Collection.
Fast wie ein new make leuchtet der 2009er im Glas, nicht nur die Farbe, auch Duft und Gaumen sind von Jugendlichkeit geprägt, nun, eigentlich müsste man eher von zarter Babyhaut sprechen… Auch wenn durchaus Kraft zu spüren ist, frisch fruchtig, sehr helle Getreidenoten, etwas laktil, mit Erinnerungen an Molke, frische Joghurt, Erdbeeren und Spargel, unreife Marille. Das Holzfass hat hier noch kaum Spuren hinterlassen, der Charakter des Destillats schimmert in voller Pracht.
Ganz anders der ältere Bruder, der starke Reifetöne offenbart, lackig ledrige Schwere, tiefe Noten von Tabak und getrockneten Früchten, umspielt von Malzkaffee, altem Balsamico und Honig.
Auch die Macduffs werden von einem Stück Kochkunst perfekt unterstützt, klassisch pannonisch, der Blunzenstrudel mit Rote Rüben Salat ist ein Gedicht und für sich alleine ein Hochgenuss. Doch gerade die Verbindung mit dem ungestümen Jungspund und anschließend dem reifen Bourbon Matured macht das Gesamterlebnis besonders.
Das große Finale schließlich inszenieren zwei wahre Schätze von Carn Mor und seiner „Celebration Of The Cask“ reihe. Die 1817 in Alness, Rosshire, gegründete Teaninich Distillery war die erste Highland Brennerei mit elektrischem Licht und telefonischer Direktleitung zur Steuerbehörde, viel wichtiger aber ist, was sie ins Glas zu zaubern vermag. 1973 war das Jahr, in dem jener Whisky aus den Brennblasen floss, unglaubliche 40 Lenze später entschied man sich zur Abfüllung, natürlich völlig naturbelassen und mit 54,0% Volumen, cask strenght.
Ledrige Apfelnoten, etwas Williams, überraschende Frische zu Beginn, dann erarbeiten sich dunkle Würze, Koriandersamen und exotische Noten die Vormachtstellung. Am Gaumen eine prachtvolle Süße, gerade ideal balanciert vom Gerbstoff, den röstigen Tanninen und viel gelber Frucht, auch die Kräuter der Nase sind wieder präsent. Ein betörender Whisky von Fülle, Kraft, Eleganz und Finesse, ein Weltklasse Malt und vielleicht die Krönung der Veranstaltung.
Und wenn man glaubt es geht nicht mehr, … 48 Jahre… So lange schlummerte der Glen Grant, zugleich letzter Dram des Abends, in den warehouses, seit seinem Geburtsjahr 1965. Der Alkohollevel liegt hier noch bei 49,6% Volumen, die Engel hatten also ihren gerechten Anteil.
Die Beatles sangen „Help“ und die Rolling Stones konnten keine „Satisfaktion“ bekommen, derlei andere Kuriositäten bot 1965, doch ganz egal, die Runde interessiert nur der Whisky, ein wahrer Methusalem. Eine Bombe von Aromen, Reife, Druck und Fülle, Eleganz und alter Struktur. Viel Gerbstoff und viel ledrige Noten, dann roter Apfel, Bratapfel, Nüsse und Mandeln, Rauchschinken, Feigen. Kräutrige Pikanz und ein ewig langer Abgang.
So findet ein sehr gelungener Abend ein denkwürdiges Ende, wunderbar inszeniert und mit viel Hintergrundwissen und Information gespickt, mit exzellentem Essen und großartigen Gastgebern. Ein herzliches Dankeschön an Vinum Purbach, Stefan Meltsch, seine Frau und das gesamte Team, sowie Gerald Petö und Thomas Gillespie. Und in der Tat, nicht einmal wurde den Verkostern eine Meinung oder Tasting Note aufs Auge gedrückt, aber eines steht außer Zweifel, geschmeckt hat es allen.
Mit den besten Grüßen und Spirits,
Reinhard Pohorec