Die Gemeinschaft der Whiskyliebhaber spaltet sich in Raucher, Gelegenheitsraucher und Nichtraucher – was die Whiskys anbelangt. Rauchliebhaber finden ihr Paradies zwar nicht nur, aber vornehmlich auf Islay (auch andere Inseln und sogar das Festland bringen durchaus mögenswerte rauchige Abfüllungen auf den Markt). Und unter den Islay-Liebhabern sind ebenfalls wieder verschiedene Ausprägungen zu finden: Jene, denen es nicht rauchig genug sein kann und jene, die eine feinere Klinge bevorzugen. Letztere greifen gerne zu Bunnahabhain oder manchen Bruichladdich-Abfüllungen, erstere zu den anderen Islay-Destillerien.
Die Liebhaber des extremen Rauches werden allerdings bei den Unabhängigen eher fündig als bei den Standardabfüllungen der Destillerien. Und hier bei den Unabhängigen sind es vor allem jene Abfüllungen, die nicht unter dem Namen einer Destillerie firmieren, sondern unter Phantasienamen abgefüllt werden. Smokehead zum Beispiel, dem Vernehmen nach aus jungen Ardbegs bestehend, Blackadder’s Smoking Islay oder Peat Reek, oder der Big Peat von Douglas Laing – dies sind einige der wichtigsten und bekanntesten Vertreter dieser Gattung.
Auch A.D. Rattray mischt in diesem Rauchkonzert mit – mit seinem Cask Islay. Das First Vatting davon ist ein Blend und es gibt es schon länger, nun ist vor einigen Wochen der neue Cask Islay Small Batch auf den Markt gekommen, ein Single Malt. Diese No Age Statement Abfüllung kommt mit 46% und nicht kühlfiltriert in die Flasche – und nennt aus rechtlichen Gründen nicht die Herkunft der Fässer, nach der Verkostung wollen wir aber dennoch eine ungefähre Einnordung der Destillerie wagen – ohne Anspruch auf einen Treffer. Silvia Behrens und Bernhard Rems haben sich den Cask Islay ins Glas geschenkt und wollen erkunden, was er taugt und wie er schmeckt.
Im Sinne der Transparenz und der journalistischen Sauberkeit führen wir bei den Verkostungen auch an, wenn wir ein Gratismuster zum Verkosten bekommen haben. Dies ist bei dieser Verkostung der Fall: Das Verkostungsmuster wurde uns vom deutschen Generalimporteur Alba Import zur Verfügung gestellt.
Nase: Silvias erste Notiz besteht aus einem einzigen Wort: Granate. In der Tat, der Cask Islay öffnet sich trotz seiner „nur“ 46% innerhalb kürzester Zeit im Glas und überwältigt mit seinem rauchigen Eindruck. Sehr intensiver Torfrauch, dahinter kalte Asche und Salz. Das Ganze kommt sehr klar, da mag zwar ein Anflug von geselchtem Fleisch sein, aber sonst ist das eher der Geruch eines Schuhgeschäfts, ein wenig Tang und altes Sofaleder. Keine Subtilität, auch der Alkohol ist kräftig zu bemerken, wuchtig und dennoch definiert – das ist das, was man über die wunderschöne Nase sagen kann.
Gaumen: Hier folgt eine Überraschung, und es ist eine angenehme: Der kräftig rauchige Antritt ist sehr klar, fast kristallin. Vorne beginnt es kurz scharf, pfeffrig und mit Zitronenzeste, das wird aber schnell anders. Man hat etwas Metall im Mund, aber nicht jenes von ungenügender Reife, sondern etwas Erfrischendes wie einen kalten Kupferbecher. Dann wird es milder, mit malzigen Noten und einer angenehmen Süße, ja, und dann findet man salzige Lakritze. Der rauchige Charakter geht dabei nicht verloren und man fragt sich ob der Intensität der Eindrücke, ob das nicht in Wahrheit eine Fassstärke ist. Nein, ist es nicht, es sind 46%, aber die sind verdammt dicht.
Finish: Hier merkt man dann, dass die verwendeten Fässer wohl eher auf der jüngeren Seite waren (auch das ganze Empfinden zuvor, die kräftigen Töne, sprechen eher dafür), das Finish ist kurz und hinterlässt etwas Tabakgeschmack und Salz im Mund, besonders an den seitlichen Zungenrändern, aber auch die Süße ist nochmals zu finden. Insgesamt wieder dieser Eindruck von Frische, von kalter Meeresgischt – ein wirkliches Vergnügen für den Liebhaber rauchiger Whiskys.
Alles in allem: Ganz dickes Lob von uns für diesen Whisky. Er hat die Kraft einer Fassstärke, die Wucht eines jungen Islay und ist dabei niemals langweilig eindimensional, sondern polyphon laut ohne Fehltöne. Kein Rabauke, sondern ein Kraftprotz mit Charakter. Noch dazu kostet er keine 40 Euro, bietet damit enorm viel fürs Geld. In der Liga der destillerielosen unabhängigen Abfüllungen spielt er in der allerersten Gruppe mit und nimmt es dabei locker mit den Fassstärken auf. Er verdient sich ein Sehr Gut, und was ihn für uns so weit nach vorne bringt, ist auch, aber nicht nur sein Preis/Leistungsverhältnis. Mag man kräftige, junge Islays, ist er eine absolute Kaufempfehlung.
Zur Herkunft: Auch wir können nur raten, aber wir haben einen Verdacht – oder besser gesagt zwei: Wenn dieser Cask Islay einen typischen Destilleriecharakter zeigt, dann würden wir ihn entweder Caol Ila oder einer Port Charlotte-Abfüllung von Bruichladdich zuordnen. Für Laphroaig ist er uns zu wenig wenig medizinisch, für einen Ardbeg zu „sauber“, für einen Bunnahabhain zu brachial, ebenso für einen Kilchoman. Bowmore wäre unserem Empfinden nach kompakter, Lagavulin hätte wesentlich mehr „fleischigen“ Körper. Wir kennen einige unabhängige Caol Ila, die dem Cask Islay sehr nahe kommen, aber auch der PC10 ist ihm nicht unähnlich. Liegen wir damit richtig? Egal, auch ein Ratespiel macht immer wieder Freude 🙂