Manchmal begegnet einem ein besonderer Whisky an einer Stelle, an der man ihn nicht vermuten würde. So geschehen bei einem Wanderurlaub in Südtirol – eine Region, die man (obschon es auch dort eine Destillerie gibt) nicht unbedingt mit dem Wasser des Lebens verbindet. Im Hotel Adler in Sankt Ulrich, das dem Redakteur schon seit vielen Jahren als Ausgangspunkt für die Wanderungen dient, gab es zwar immer schon eine Bar, die jedoch in Sachen Whisky eigentlich nur mit den Standards bestückt war und die einem Whiskyfreund damit nicht wirklich etwas Spannendes bot.
Beim diesjährigen Aufenthalt war das anders. In allen Getränkekategorien hatte die Bar ihren Bestand verbreitert – und auch das Whiskyangebot war plötzlich über das Übliche hinausgehend. Wie sehr, das machte die Sichtung der Bestände, gemeinsam mit dem Barkeeper, deutlich: Unter spannenden Abfüllungen aus Schottland, den USA und Japan (und auch hier mit Tropfen, die man selbst in Fachgeschäften nicht findet), stand da ein im Jahr 2001 abgefüllter Port Ellen aus der Sestante-Reihe, 21 Jahre alt und mit 43% abgefüllt. Diese längst vergriffene Einzelfass-Abfüllung brachte damals 420 Flaschen hervor, das Hotel nannte die Flasche mit der Nummer 73 ihr eigen. Die Flasche enthielt noch ungefähr ein Sechstel des ursprünglichen Inhalts, und eine Nachfrage beim Barkeeper ergab, dass sie seit ca. eineinhalb Jahren offen war – was bei gepflegter Aufbewahrung (und die war bei der Flasche gegeben) durchaus den vollen Genuß ermöglichen konnte.
Nachdem das Dram zu einem im Rahmen der Seltenheit des Whiskys mehr als vernünftigen Preis angeboten wurde, wanderte der Whisky ins Glas und danach über den Gaumen von Redakteur Bernhard Rems, dessen Verkostungsnotizen wir hier bringen.
Nase: Die Rauchigkeit kommt glatt und ohne Widerborstigkeit daher, man riecht Malziges, ein Anflug von Worcestersauce, ein Hauch Liebstöckl, weiches Nappaleder in der Sonne. Dann wogt einem der Duft von einer Zigarrenkiste aus Balsaholz entgegen, hinterlegt mit etwas wie einer gekochten Selllerieknolle. Man mag sich gar nicht sattriechen daran.
Gaumen: Nicht ganz reife Walnüsse und kandierte Orangenschalen changieren in ihm am Gaumen, wieder ist da etwas Malz, der Rauch ist nun sogar noch dezenter als in der Nase. Das Mundgefühl ist ölig, der Alkohol prickelt beim ersten Schluck ganz leicht, danach ist er im weichen Bouquet der Geschmäcker eingebunden. Die Holznote diesmal ist eher die einer Mahagonitruhe.
Finish: Sehr, sehr lang, subtil rauchig, wiederum wie eine Zigarrenkiste, leicht süß und rundlich, mit einer Holznote, die immer deutlicher, aber niemals bitter wird.
Alles in allem: Ein harmonisches Erlebnis, bei dem sich keine Geschmacksnote vordrängt, sondern alle Komponenten zusammenwirken, um Komplexität und Balance zu erzeugen. Ein Whisky, der Zufriedenheit zurücklässt und ein Geschmackserlebnis, das im Gedächtnis bleibt. Gerade, weil er nicht mit Pauken und Trompeten daherkommt, sondern seine Wirkung in dezenter Harmonie entfaltet, verdient er sich „Spitzenklasse“ als Wertung.