Samstag, 20. April 2024, 09:01:39

Deutsche Whiskyszene: Whisky Gilors aus Hessen

30 Whiskys, 7 Destillerien, 1 Mälzerei – und dafür genau 3 Tage Zeit: Die WhiskyTour 2015 führte unsere Gastautoren Simon Weiß von whiskyerlebnisse.de und Christian Schrade von Heart-of-the-Run.de an einem langen Wochenende zu den deutschen Whiskybrennern. Das Ziel: Eindrücke, Einblicke und Einsichten von in und über die deutsche Whiskyszene. Ihre Berichte (Text: Christian Schrade) und Bilder darüber bringen wir mit freundlicher Genehmigung der Autoren auch auf Whiskyexperts. Heute, nach einer kurzen Pause, gibt es den vierten Beitrag: Der Bericht über den Whisky Gilors von der Destillerie Obsthof am Berg.

Eine Frage, doppelte Antwort: Ralf und Holger Henrich im Gespräch mit Christian Schrade (v. r.). Foto: Simon Weiß
Eine Frage, doppelte Antwort: Ralf und Holger Henrich im Gespräch mit Christian Schrade (v. r.). Foto: Simon Weiß

Große Gemeinsamkeiten und doch grundverschieden: Was auf die Sherry- und Portweinfässer für den hessischen Whisky Gilors zutrifft, das gilt auch irgendwie für dessen Macher, finden wir. Die Macher, das sind Ralf und Holger Henrich, die in Kriftel im Taunus, unweit von Frankfurt am Main, ihren Obsthof betreiben. Inzwischen in dritter Generation.

Seit 1983 macht man auf dem Hof des Familienbetriebes in einer kleinen Abfindungsbrennerei aus eigenem Obst hochwertige Destillate. Als 2005 die Kapazitäten der kleinen Brennblase nicht mehr ausreichten, wurde umgestellt. Die neue Anlage, eine Brennblase der Firma Carl, fasst seitdem bis zu 350 Liter Maische. „Für uns war schnell klar, dass wir auch einen Getreidebrand in unsere Produktpalette aufnehmen wollten“, erinnert Holger Henrich. „Die Idee mit dem Whisky, das war die von Ralf. Zuerst hatten wir an einen Kornbrand gedacht, aber Ralf meinte: ‚Wenn, dann richtig’.“

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Fassprobe im Warehouse: Wird jetzt dieser Whisky abgefüllt oder doch ein anderer? Foto: Christian Schrade

Richtig – das war dann 2008. Die Grundlage für das erste „Whisky-Experiment“ waren 400 Kilogramm Malz. Das Ergebnis: Vier Fässer mit jeweils 100 Litern Fassungsvermögen. Recht klein für „typische“ Whiskyfässer, die meistens eher doppelt so groß sind – oder noch viel größer, wenn es zum Beispiel um Süßweinfässer geht, in denen vorher Sherry oder Portwein lagerte. „Durch die kleinen Fässer reift der Whisky natürlich viel schneller“, erklärt Ralf Henrich, während Holger den großen Stopfen aus dem ersten Fass für eine kleine Probeentnahme entfernt. Die kleinen 100-Liter-Fässer bilden die Grundlage für den Whisky Gilors. Zwei Sorten gibt es davon: Fässer mit Fino-Sherry-Belegung und Ex-Portwein-Fässer. „Bei dieser Linie werden wir auch bleiben“, sagt Holger Henrich. „Aber natürlich werden wir auch weiterhin unsere Specials auf den Markt bringen“, ergänzt Ralf.

Gut ergänzen, dass tun die beiden sich insgesamt sehr gut, finden wir. Unter den beiden Brüdern wird die Arbeit fair aufgeteilt. Für das Brennen ist im Wesentlichen Ralf zuständig, aber natürlich hilft in Stoßzeiten auch Holger aus. Parallel zum Whiskygeschäft wird in den Sommermonaten auch noch eine Straußenwirtschaft betrieben, der lokale Name für eine Art kleine Hof-Gaststätte. „Deswegen bringen wir unseren neuen Whisky eigentlich auch immer im Frühsommer heraus“, erklärt Ralf. Ungewöhnlich für eine kleine Destillerie, ist doch im Herbst und Winter die Whiskynachfrage in der Regel am größten. „Unsere Gäste trinken inzwischen in der Abendsonne gerne einen Whisky aus der Region als Abschluss nach dem Essen“, berichtet Holger. Ein Großteil des Whiskys werde daher auch direkt vor Ort verkauft und getrunken.

Vintage-Style: Gilors Whisky gibt's vor Ort auch im Destillerie-Shop. Foto: Simon Weiß
Vintage-Style: Gilors Whisky gibt’s vor Ort auch im Destillerie-Shop. Foto: Simon Weiß

Und der scheint den Gästen zu schmecken. Die Islay-Cask-Abfüllung zum Beispiel ist inzwischen so gut wie ausverkauft. 12 Flaschen sind bei unserem Besuch noch da, Nachschub aber in Sicht. Ein weiteres Fass von der Rauch-Insel-Islay, in dem vorher Scotch Single Malt Whisky lagerte, ist noch da. Für die erste Abfüllung lagerte der Whisky noch einmal drei ganze Jahre darin, nachdem er zuvor in einem der kleinen Fässchen das Licht der Welt erblickte. Von einem kurzen Islay Cask „Finish“ in diesem Ex-Bourbon-Hogshead, kann also kaum die Rede sein. Ob die nächste Spezialabfüllung aber nun tatsächlich wieder ein süß-rauchiger, milder Whisky aus einem Islay-Fass werden wird, oder er doch aus dem großen Sherry Butt kommen wird, aus dem wir gerade ein Gläschen probieren – das wollen die beiden noch nicht verraten.

Wäre es die Abfüllung aus dem großen 500-Liter-Sherryfass, könnten sich die Gäste der beiden Brüder schon auf einige schöne Stunden in der Abendsonne freuen. Eine intensive Pflaumennote bringt der Whisky ins Glas, Aromen von getrockneten Früchten steigen sofort in die Nase. Und dann kommt der Rauch, aber kräftig. Im Mund breitet sich nach dem ersten Schluck eine angenehme Süße aus, gefolgt von einem würzig-dominanten Torfgeschmack. Kaum zu glauben, dass dieser Whisky erst vier Jahre alt ist.

„Wir werden auch weiter Torfmalz einmaischen und dann brennen“, lässt Ralf durchblicken. „Aber eben nur für spezielle Fässer und nicht im großen Stil.“ Guckt man sich im Fasslager der beiden um, werden das spannende Jahre für den Whisky Gilors – was im gälischen so viel wie „goldenes Wasser“ bedeutet. Übereinander stapeln sich Madeira- und Bourbonfässer, große Sherryfässer, auch eine riesige „Port-Pipe“ mit bis zu 700 Litern Raum für Whisky ist schon bestellt.

Viel zu füllen, für die beiden jungen Whiskybrenner. Um das zu schaffen, läuft die Brennblase dann auch von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends – mindestens. Rund 2.000 Flaschen im Jahr füllen die beiden Brüder aktuell ab von ihrem Whisky. Bei den aktuellen Produktionsmengen werden es in ein paar Jahren wesentlich mehr sein. Und wo geht die Reise hin? „Wir wollen einen guten deutschen Whisky machen“, sagt Holger. „Und natürlich nur einen, der uns auch persönlich gut schmeckt“, ergänzt Ralf. Eine bescheidene Haltung, die wir sehr sympathisch finden. Dass hinter dem Whisky aus dem Taunus trotzdem zwei Macher mit Ambitionen stecken, kann man an der Zahl der Whiskyfässer im Warehouse abzählen.

Bis unter die Decke: Bei Gilors lagern kleine 100-Liter-Fässer, aber auch große Sherry Butts. Foto: Simon Weiß
Bis unter die Decke: Bei Gilors lagern kleine 100-Liter-Fässer, aber auch große Sherry Butts. Foto: Simon Weiß

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