Eine Premiere im Westen. Unser Redakteur Ernie – Ernst J. Scheiner besuchte am Freitag und Sonntag die Finest Spirits & Beer Convention in Bochum.
Historisches: Der Bochumer Verein, später die Vereinigte Stahlwerke AG, gehörte zu den ältesten Montanunternehmen des Ruhrgebiets und war über fast 130 Jahre einer der größten Industriebetriebe der Region. Er markierte die Eckpfeiler einer ehemals blühenden Industriekultur. Aus der früheren Maschinenhalle der Gaskraftzentrale wurde ein Ort der Kultur, der Messen, der Foren und der Begegnung: die Jahrhunderthalle Bochum.
Sie ist heute typisch für des neuen „Ruhrpotts“ im 21. Jahrhundert. Ihre Ausstrahlung ist das Ergebnis eines architektonischen Kunstwerks, Historie und Moderne schaffen einen idealen Ort für hochwertige Ereignisse: Bier- und Spirituosen-Genusstage.
Nach der Münchner Braukunst Live! und der Finest Spirits feierte Event-Organisator Frank-Michael Boer mit der Finest Spirits & Beer Convention in der Ruhrmetropole eine Premiere: „Das Neue ist, dass sich Whiskys und Premium-Brände erstmals in den deutschsprachigen Ländern zusammen mit guten Bieren präsentieren. Für beide Segmente liegt darin eine große Chance: Die aktuelle Craft-Beer-Bewegung bringt Biere hervor, die qualitativ absolut auf Augenhöhe mit guten Whiskys sind.“
Die Premium Partner der Spirits-Sektion Glen Grant (Campari), Slyrs (Lantenhammer) und Caminneci Wine and Spirit Partner verbanden sich mit der Bierszene Craftwerk Brewing (Bitburger), Pilsner Urquell und Bierkompass.de. Eine neue Veranstaltungsform war entstanden.
Die Erwartungen waren bei allen Beteiligten groß. Werbemäßig und organisatorisch wurde das neuartige Ereignis bestens vom Voll-Profi Frank-Michael Böer vorbereitet. Mit seiner Kompetenz und Ideen setzte er bereits seit zehn Jahren mit Europas wohl größter Spirituosen-Messe Finest Spirits Meilensteine in der internationalen Messe-Genuss-Szene. Die Convention wurde in allen Medien breit beworben, sogar eine Band-Werbung im Bochumer Rewirpowerstadion gehörte dazu. Der Ballungsraum Ruhr sollte mit seiner extrem hohen Bevölkerungsdichte die Grundlage zum Erfolg schaffen und viele Menschen auf den Genuss von Bier und Spirituosen einstimmen.
Es war alles bestens eingerichtet, eine einmalig ausstrahlungsstarke Messehalle mit ihrem wunderschönen funktionalen Industriecharme bot einen weitläufigen attraktiven Kommunikationsort für Whisky, Rum, Gin, Edelbrände und Craft-Biere. Ausstellende und Besuchende fanden vorzügliche Bewegungsflächen sowie eine gewaltige Atmosphäre mit einem herausragenden Ambiente vor. Großzügige lichtdurchflutete Ruhebereiche mit einer wertigen Restauration und Lounge sollten Erholung und Entspannung für die zahlreich erwarteten Besucherinnen und Besucher bieten.
„Wir wollen Erlebnisse verkaufen. Die Produkte, die in dieser Halle stehen, haben nicht nur einen Preis, sondern einen Wert und zwar einen hohen kulturellen Wert…wir bieten flüssige Kultur und Identität…wir möchten die Schönheit und den inneren Wert dieser grundehrlichen Produkte den Leuten nahebringen,“ so der Finest-Erfinder Böer, „…wir sind hierhergekommen auf den Wunsch zweier Branchen, einige Vertreter der Spirituosen sowie der Verband der Brauereien von NRW unterstützten die Verschmelzung von Bieren und Spirits hier in Bochum.“
Jürgen Witt, Geschäftsführer des NRW-Brauereiverbandes, betonte: „Ich war am Anfang ein bisschen skeptisch, wird das gehen? Wir haben uns das in München angesehen, das war echt gut und haben dann gesagt, dass muss auch hier bei uns in NRW stattfinden. Wir wollen sehen wie das hier funktioniert.“
Von Freitag bis Sonntag waren Tische, Theken gedeckt, Zapfhähne wetteiferten mit Portionierern, die Ausstellenden freuten sich auf das neue Begegnungsereignis zwischen Bieren, Spirituosen und den Menschen der Region. Insbesondere für die west-deutsche Whisky-Szene sollte die neue Bochumer Convention ein absolutes Highlight werden.
Das Urgestein der deutschen Spirituosen-Sektion Jürgen Deibel begeisterte mit einem bis zu drei Jahre gelagerten Williams Christ Edelbrand der Schlierseer Brennerei Lantenhammer. Vier Edelbrände – Haselnuss, Schlehe, Zwetschge, Williams Christ – wurden in Whiskyfässern der ebenfalls von Lantenhammer betriebenen SLYRS-Whisky Destillerie (Schliers gesprochen) für einige Monate nachgereift. Deibels kleine Vergleichsprobe zwischen dem in atmungsaktiven bis zu 1000 Liter großen Steingutfässern gereiften Williams Christ und seinem in SLYRS-Bavarian-Whiskyfässern aus Eichenholz nachgereiften Pendant offenbarte Magisches.
Welch eine Explosion der Sinne? In einem Glas verbanden sich die reinen unverfälschten, klaren und kräftigen Williams-Christ-Aromen mit einem würzigen, kräftigem, leicht süßem Geschmack, im anderen erinnerte das Destillat in der Farbe an Stroh und deutet damit an, dass eine Veränderung stattgefunden haben muss. Welch ein komplexes Bündel intensiver Vielschichtigkeit an überraschenden Aromen offenbarte sich in der Nase! Kräftige Vanille, Karamell mit leichten Röstnoten verbanden sich in der zweiten Ebene mit angenehmen frischen fruchtigen Noten. Auf der Zunge wirkte der im Eichenholz nachgereifte Williams leicht süß, würzig, kräftig, aber sehr, sehr mild. Hier belohnten die langsame und aromaschonende Destillation sowie die rund zweijährige allmähliche Vermählung der Esterverbindungen im Steingutbehältern den Geniesser.
Deibel zum Vergleich: „Die Fässer sind sehr, sehr gut, nach dreijähriger Reife des Whiskys haben sie noch sehr viel Kraft. Sie merken was das Whiskyfass noch dazu gegeben hat…Sie merken das im Nachgang, es muss der Obstbrand im Vordergrund bleiben. Es geht um die Milde des Nachklangs und diese leichte Ergänzung durch Vanille, durch Karamell und die leichte Note des Whiskys.“
Da für die Herstellung des Slyrs Whiskys ein Bamberger Rauchmalz verwendet wurde, tauchte am Ende beim nachgereiften Williams Christ eine leichte Rauchnote auf. Diese verfeinerte die Komplexität des vorzüglichen und beeindruckenden Lantenhammer Produkts.
Ein attraktives wertiges First Class-Master Class-Programm bot denn auch einen „absolut hochrangigen Querschnitt durch die gesamte, faszinierende Bandbreite der aktuellen Whisky-, Spirituosen- und Bier-Szene.“ Fachleute ihrer Branche hatten ein Programm zusammengestellt, dass differenzierte Einsichten in die Herstellung der Produkte und ihrer Begutachtung gewährte.
„Mein Tasting war eine private session, ich hatte nur zwei Interessenten und konnte ihnen in die Augen schauen,“ berichtet ein enttäuschter aus Glasgow angereister Jan Beckers. Der auf Messen stets ausgebuchte Whisky-Referent vom unabhängigen schottischen Abfüller Douglas Laing hatte für das Publikum wahre Highlights vorbereitet. Doch seine Auswahl an seltenen Single Malt-Einzelfassabfüllungen, darunter ein 15-jähriger Benrinnes, ein 16-jähriger Laphroaig, ein 21-jähriger Bruichladdich und ein seltener 21-jähriger Glen Garioch Director’s Cut wollte fast niemand begutachten und verkosten. „Warum nur?“ fragte sich nicht nur der frisch ernannte Keeper of the Quaich Beckers.
Kaum anders erging es dem engagierten Whisky-Botschafter Detlef Sommer von der schweizerischen Säntis-Brennerei aus Appenzell. Der eingefleischte swiss Red Kilt-Träger hatte die neuesten limitierten Spezialabfüllungen seiner Brennerei, den siebenjährigen Alpstein VIII (2 Jahre Bierfass/5 Jahre Pinot Noir Fass) und den sechsjährigen Snow White II (5 Jahre Bierfass/1 Jahr Glühbier/Kirschenfass) im Gepäck. Seine Preziosen wurden erst kürzlich von der renommierten und weltweit anerkannten Londoner International Wine and Spirits Competition 2014 lobend mit “Silver Outstanding” ausgezeichnet. „Leider waren es nur zwei Besucher, aber die kauften drei Flaschen Säntis,“ freute sich Sommer dennoch, „die Messe hat ein großes Potenzial und ich hatte ein paar sehr gute Händlerkontakte.“
Die Balvenie-Master Class besuchten drei Whisky-Enthusiasten. Der in der Whisky-Szene sehr geschätzte und beliebte Brand Manager Helmut Knöpfle (Campari) informierte über die einzigartige Herstellung des Single Malts, denn in der Balvenie Distillery wird das Malz noch mit traditionellen Methoden auf der Tenne hergestellt, also „from barley to bottle.“ Dort in der Speyside wurde auch vom früheren Master Blender David Stewart die Double Maturation wegweisend für andere Brennereien modellhaft angewandt und ständig verfeinert.
Der International Independent Spirits Consultant Jürgen Deibel hatte bei beiden Seminaren über die Lantenhammer und SLYRS Produkte jeweils fünf Besucher. „Das ist überhaupt nicht befriedigend, nicht für mich und nicht für meinen Auftraggeber. In Anbetracht der Teilnehmerzahlen der anderen Seminaristen muss man diese Zahlen aber relativieren: auch sie hatten überwiegend ähnliche oder sogar noch geringere Besucherzahlen. Dies deutet darauf hin, dass es nicht am Inhalt oder den Vortragenden gelegen haben kann, sondern die überwiegend „bierinteressierten“ Besucher nicht mit dem System von Master Classes mit Spirituosen vertraut sind.“
Deutliche Worte findet ein Master-Class-Tutor: „Hier gilt es, vom Veranstalter noch nachzuarbeiten und das Seminarangebot besser zu kommunizieren.“
Geschäftsführer Andrea Caminneci, einer der Premium-Partner, war mit der Finest Spirits & Beer Convention „im Großen und Ganzen zufrieden. Man hätte sich sicherlich ein paar mehr Besucher gewünscht…aber das wohl letzte Sommerwochenende im Oktober, der Bahnstreik, natürlich die unglückliche Termindopplung (AQUAVITAE, Anmerkung der Redaktion), das sind alles unschöne Faktoren, aber ich bin sehr zufrieden mit der Qualität der Besuchern und der Organisation der ganzen Veranstaltung. Es gab sehr viel hoch-interessierte Leute, viele Fachbesucher, wesentlich mehr als auf anderen Messen, es hat eigentlich alles rundum gepasst.“
Die Mischung an Besuchern war bunt, viele junge Genießer waren auf einer Spurensuche, darunter viele Interessierte und es gab keine Ausfälle wegen Trunkenheit, es war „ein richtiges Genuss-Publikum.“ Die Mehrzahl schien jedoch eher an Bier, als an den Spirituosen interessiert gewesen zu sein. Guten Zuspruch konnten insbesondere die Ausstellenden der Craft-Biere am Samstag-Abend wahrnehmen. Für die Dortmunder Bergmann Brauerei war es eine Werbung in der Region: „Man muss es eben alles doch eher längerfristig sehen. Es war eine Investition für die Zukunft.“
Die „jungen Wilden“ von Craftwerk Brewing, eine Weiterentwicklung der 1990 gegründeten Pilot- und Versuchsbrauerei der Mega-Biermacher Bitburger, hatten für die Finest Spirits & Beer Convention speziell ein Grünhopfenbier Tangerine Dream mit 5,2% Vol. und einer Stammwürze von 12,8 % gebraut. Grundlage der aromatischen rheinland-pfälzischen Spezialität sind die frische verarbeiteten Hopfensorten Mandarina Bavaria und Hallertau Blanc. „Sie verleihen unserer Neuschöpfung eine ganz eigene Hopfennote mit deutlich fruchtigem Citrus- und leichtem Stachelbeer-Charakter,“ beschreibt Craftwerk-Braumeister Stefan Hanke sein Messebier. „Alle unsere Craftwerk-Produkte eint der Anspruch, klassische Biertypen nach dem deutschen Reinheitsgebot neu und modern zu interpretieren.“ Kein Wunder, dass die Craftwerk Zapfhähne sprudelten.
Der Malt Maniac Peter -Pit- Krause von Slowdrink.de war mit seiner mehrköpfig angereisten Crew jedoch sehr enttäuscht und sprach von einem wirtschaftlichen Desaster für seine Non-Profit-Vereinigung von Genießern. Viele der Aussteller des Spirituosen-Segments, darunter die aus Oberösterreich angereisten Abfüller der Single Cask Collection oder mancher Kleinbrenner waren mit dem gezeigten Publikumsinteresse nicht zufrieden, es fehlte ihnen schlichtweg am Zuspruch der „Whisky-Aficionados.“ Der erste österreichische Single Cask Abfüller Roland Hinterreiter orakelte: „Wenn es sich nur halbwegs so entwickelt wie in München, dann sind wir auch 2015 wieder in Bochum dabei! 2014 war jetzt nicht DER große Erfolg, aber es kann ja nur besser werden. Zumindest sind wir positiv ausgestiegen.“
Veranstalter Frank-Michael Böer klang denn nicht euphorisch, als sich die Pforten zur Premiere der Bochumer Finest Spirits & Beer Convention allmählich schlossen: „Ich bin nie zufrieden oder selten zumindest…ich hatte ehrlich gesagt keine großen Erwartungen, weil ich aus München weiß…wie schwierig es ist, Erstveranstaltungen zu platzieren…von daher waren die Erwartungen nicht hoch, also ich müsste lügen, wenn ich nach diesen drei Tagen schönen Wetters glücklich bin, dass mich dieser Streik tierisch ärgert und uns schwer geschadet hat, gerade als neues Projekt…die Umstände hätten für uns nicht averser sein können…die Publikumsqualität war sehr hoch, das Miteinander von Spirituose und Bier hat im Grundsatz hervorragend funktioniert und wir haben keinerlei alkohol-bedingte Ausfälle gehabt.“
Lothar Langer, der renommierte und ausgewiesene Whisky-Sammler und Experte, war mit seiner eindrucksvollen Raritäten-Kollektion angereist, um nach drei Tagen Convention allerdings schlicht festzustellen: „Bier und Whisky passen nicht zusammen.“
In der nationalen und internationalen Spirituosen- und Messe-Welt ist der Jürgen Deibel wegen seiner vielfältigen Kompetenz in der Ausbildung, bei Herstellern, im Handel und bei Kunden sehr geschätzt. Der diplomierte Chemiker genießt einen exzellenten Ruf als Berater von großen Markenanbietern. Der Master-Class-Tutor kommt zu einer bemerkenswerten Analyse:
„Insgesamt hat die Messe sicherlich Potential. Zu überlegen ist nun seitens der Organisatoren, ob eine Trennung wie in München zwischen Spirituose und Bier Sinn machen würde.
Wichtig ist, dass ein anderer Termin gefunden wird, eventuell im September, mit mindestens vier Wochen Abstand zu den anderen beiden Messen in der Region bzw. am gleichen Standort. Die Frage der Kommunikation der Messe(n) und deren Schwerpunkten sollte ebenfalls stärker herausgearbeitet werden.
Auch muss klar abgegrenzt werden, welche Interessen man abdecken will: einerseits die Industrie, die eher Kontakte zu Händlern oder Gastronomen sucht oder die Interessen der kleineren Händler, die verkaufen wollen oder die der Endkunden, die sich bestenfalls informieren oder, wie bei einigen auch deutlich erkennbar, nur konsumieren wollen.“
Das betreuende Medienbüro storykitchen. agentur für kulinarik & lebensstil berichtet von insgesamt 2 200 Besuchern.
Auch ich sehe Potenzial in der Veranstaltung wie sie ist, nur sollte die Terminkollision unbedingt vermieden werden und Werbung/Erklärungswertes besser und gezielter verbreitet werden. Für den Bahnstreik kann niemand etwas…und das war der Oberkiller neben dem Wetter (letztes warmes WE). Man lernt daraus, hoffe ich – und dann sehen wir, was möglich ist. Nur waren wir eben die Leidtragenden, auch weil unsere Bottlings für Neulinge evtl. auch zu „fortgeschritten“ sein mögen.