Mit seinem neuesten Gastbeitrag widmet sich Stefan Bügler in seiner „Treffpunkt“-Serie der Destillerie St. Kilian und einem neuen Konzept, das dort umgesetzt wird: „Heimat Malt“ ist die konsequente Verwendung von lokalen Komponenten wie lokaler Biogerste bis hin zu unterfränkischen Weinfässern, um so eine Identität für den Whisky zu schaffen, der mit der Heimat der Brennerei intensiv verbunden ist.
Begleiten Sie Stefan Bügler auf ein Feld in der Umgebung von Rüdenau – und treffen Sie mit ihm Master Distiller Mario Rudolf, Biobauer Andreas Henn, einen Getreidefresser mit breitem Maul und die Gerste mit dem hochgelobten Namen…
Alle Bilder Copyright Stefan Buegler
Treffpunkt: Südhang, Amorbach
Der heutige Treffpunkt ist amourös? Auf jeden Fall! Denn er handelt von einer Liebesbeziehung – aber wahrscheinlich anders als Sie spontan denken. In diesem Fall geht es um die Liebe zum Whisky als regionales Produkt – zum St. Kilian ‚Heimat Malt’.
Mario Rudolf, Master Distiller der St. Kilian Brennerei – in dem zwischen Spessart und Odenwald gelegenem Ort Rüdenau – ist verantwortlich für die Produktion und letztlich die Komposition des Whiskys. Im Jahr 2019 saß er an seinem Schreibtisch und erhielt einen Anruf aus der Nachbarschaft. „Ich würde Euch gerne meine Bio-Braugerste verkaufen, die nur Kilometer entfernt von St. Kilian wächst“, sagte damals Biobauer Andreas Henn am anderen Ende der Verbindung, „habt Ihr Bedarf?“
Meet Andreas Henn – Bioland-Landbauer aus Leidenschaft
Übernahm den seit 1698 in Familienhand befindlichen Hof in 2017 von seinen Eltern und strukturierte auf Bioland-Landbau um
Liefert Bio-Braugerste an St. Kilian seit 2019 Persönlicher Kick: qualitativ hochwertige Gerste nicht anonym, sondern als Hauptbestandteil eines greifbaren besonderen St. Kilian Produkts zu liefern
Auf jeden Fall“, sagte Mario begeistert, „lass uns reden!“
Endlich würde es möglich sein, auch sortenreine lokale Gerste zu verarbeiten, statt ‚nur’ deutsches Malz oder schottisches Torfmalz zu verwenden. Der Anruf von Andreas Henn war der praktische Startschuss für ein Konzept, das schon lange in Mario’s Kopf reifte: „Heimat Malt“, sagt er, „ein Whisky aus lokalen Zutaten. Das war schon immer mein Ziel. Verschiedene Destillen in Schottland, Irland und Japan haben dieses Thema schon sehr erfolgreich aufgegriffen. Mit der Gerste aus dem nahen Umkreis von St. Kilian und regionalen Fässern – Spätburgunder aus Churfranken, Spessart Eiche, Bierfässer – können wir nun einen Whisky mit lokaler unterfränkischer Identität schaffen.“
Meet Mario Rudolf – Master Distiller bei St. Kilian
Bei St. Kilian seit März 2015
Destilliert Rohbrand mit zwei Hauptrezepten (mild und rauchig) und weiteren 16 Mashbills
Persönlicher Kick: die Verwendung von lokalem unterfränkischen Bio-Gerstenmalz für die Produktion des St. Kilian „Heimat Malt“
„Andreas wohnt beinahe im gleichen Ort wie ich. Wir haben uns damals schnell getroffen und es passte sofort auf allen Ebenen. Also entwickelten wir kurzerhand ein Konzept sowie die kurzfristige Planung für 2019. Wir müssen die Menge möglichst genau planen, denn wir sind an die Größe der Keimkästen der Mälzerei Weyermann im unterfränkischen Hassfurth gebunden“, sagt Mario. „Sie haben eine Kapazität von 50t und müssen maximal ausgelastet werden.“
Bei der diesjährigen Ernte am 12. August am ‚Südhang’ von Amorbach – nur wenige Kilometer Luftlinie von St. Kilian entfernt – sah und hörte ich die Diskussionen von Mario und Andreas und konnte mir sehr gut vorstellen wie damals die Gespräche in 2019 zwischen den beiden liefen.
Andreas schwingt sich auf den Mähdrescher, um ihn bis zum Fassungsvermögen des Korntanks mit 5t Gerste zu füllen, bevor der Anhänger für den Abtransport durch seinen Vater bereitgestellt wird. Der Motor des Claas Medion 310 heult kurz auf, setzt sich imposant in Bewegung, lässt keinen Halm stehen und kein Korn liegen.
Meet Claas Medion 310 – Mähdrescher
Anschaffungspreis/Baujahr: 122.000 Euro/2009
Jährliche Einsatzzeit: 90 Stunden, davon 25 Stunden für St. Kilian
Persönlicher Kick: allzeit bereit
Ernten wenn es das Wetter zulässt, bedeutet für Andreas Henn schnell und flexibel zu reagieren, z. B. wenn Sonne und Wind nach einem Regen das Feld ausreichend getrocknet haben. „Für eine optimale Ernte muss ich immer bereit sein“, sagt er, nachdem er den Mähdrescher mit vollem Korntank am Rande des Feldes geparkt hat. „Deshalb habe ich in einen eigenen Mähdrescher investiert der im Jahr zwar nur wenige Stunden genutzt wird, aber die letzte Stellschraube für eine gute Ernte ist. Am Anfang steht natürlich ein gesunder Boden, den ich für jeden Acker durch eine individuelle Fruchtfolge dynamisch und flexibel einstelle. Die kurze wichtige Frage ist immer: ‚was braucht der Boden?’ Durch den Wechsel von Sommer- auf Winterkulturen kann ich Zwischenfrüchte und Untersaaten einsetzen, die – aufgrund ihrer vielen verschiedenen Zusammensetzungen mit über 20 Arten – das CO2 binden sowie Humus und eine vielfältige Bodenbiologie aufbauen. Bei einer weitgestellten Fruchtfolge innerhalb von 7-9 Jahren kann ich zweimal die Sommergeste Laureate anbauen, z. B. mit Kleegras – Kleegras – Sommergerste – Dinkel – Hafer – Roggen – Erbsen – Dinkel – Körnermais – Sommergerste“, gibt Andreas Einblick.
Nun begutachten Mario und Andreas die Gerstenernte. Fast jedes Korn wird betrachtet, diskutiert und sporadisch verkostet. „Der erste Eindruck ist sehr vielversprechend. Die Gerste ist dickbauchig, hat keine Schädlinge oder Krankheiten im Korn. Das deutet auf gesunde Gerstenkörner mit einem guten Extraktgehalt hin. Wie gut die Qualität der Ernte genau ist, wird sich erst später bei den finalen Analysen des Korns zeigen“, fasst Andreas zusammen.
„In 2019 haben wir nur die Brau-Gerstensorte Planet angebaut, ein Jahr später kam die neue Sorte Laureate dazu, die im Rohbrand für deutlich mehr Körper gesorgt hat als die Planet. Das hat mich dermaßen überzeugt, dass wir in 2021 komplett auf Laureate umgestiegen sind. Das ist übrigens eine Entwicklung, die auch in Schottland zu beobachten ist. Dort läuft die über viele Jahre vornehmlich angebaute Sorte Concerto aus und wird von Laureate ersetzt. Ich kann es kaum erwarten, die Ergebnisse der diesjährigen Ernte in unserem Rohbrand zu riechen und zu schmecken“, sagt Mario.
Meet Laureate – the new barley on the field
Wächst auf den unterfränkischen Anbauflächen von Bioland-Landbauer Andreas Henn nahe der St. Kilian Brennerei
Zielmenge 2021: 50t
Persönlicher Kick: löst die Gerstensorte Concerto in Schottland ab und ist auch bei St. Kilian ganz vorne
Andreas sieht das ähnlich und fügt hinzu: „ich bin sehr happy, dass ich zu einem greifbaren lokalen Produkt beitragen darf und meine Gerste nicht in großen Getreidesilos verschwindet. Das ist für mich eine neue Erfahrung, für die ich sehr dankbar bin und natürlich freue ich mich auf den Heimat Malt.“
Es geht noch Zeit ins Land bis aus der Ernte 2021 Whisky wird. „Die frisch geerntete Gerste wird zunächst gereinigt und bei zu nasser Ernte oder zu hohem Wassergehalt im Korn getrocknet. Danach geht die Gerste beim Landwirt oder schon in der Mälzerei in Keimruhe und wird trocken in gut durchlüfteten Silos gelagert. Später wird sie gemälzt. Dazu wird sie für einen Tag geweicht, keimt etwa fünf bis sechs Tage und wird danach auf der Darre abgedarrt [getrocknet]“, beschreibt Mario den Prozess. „Insgesamt wird der Andi für St. Kilian 50t Tonnen Gerste in diesem Jahr ernten. Daraus erhalten wir etwa 40t Gerstenmalz, das wir wahrscheinlich im März 2022 einsetzen werden. Bei einem wöchentlichen Bedarf von rund 15t, wird das Malz innerhalb von knapp drei Wochen verbraucht sein. Unsere Ausbeute beträgt rund 400 Liter reinen Alkohol pro Tonne, also destillieren wir insgesamt etwa 16.000 Liter. Ich erwarte – nach drei- bis vierjähriger Lagerung und des damit verbundenen Angel’s Shares – mit etwa 55.000 Flaschen Heimat Malt aus der diesjährigen Ernte“, rechnet Mario vor.
Wenn Andreas Henn auf dem Südhang von Amorbach in einigen Jahren wieder die Laureate anbaut, werden das Mario und er sehr wahrscheinlich am Feldesrand mit einer Flasche St. Kilian Heimat Malt aus der diesjährigen Ernte feiern.
Damit daraus auch etwas wird zieht Andreas weiter seine Kreise und erntet heute noch das komplette Feld auf dem Südhang ab – bis in den Sonnenuntergang hinein.