Montag, 16. Dezember 2024, 02:46:20

Nikka Whisky Masterclass mit Marketing Manager Naoki Tomoyoshi in der „Schumann’s Bar“ München

Spirituosen-Experte Roland Graf über die abwechslungsreiche Verkostung von sieben Nikka-Whiskys in München

Wenn man an japanischen Whisky denkt, dann stehen am Beginn dessen Entwicklung zwei Unternehmen: Suntory und Nikka. Beide sind untrennbar mit dem Namen Masataka Taketsuru, der nach seiner Schottlandreise vor 90 Jahren und nach dem Ausstieg bei Suntory sein eigenes Unternehmen Nikka gründete.

Das Portfolio von Nikka, das seit kurzem in Deutschland und Österreich von Kirsch Import vertrieben wird, zeigt sich umfangreich und erstaunlich experimentell, wie man bei der Jubiläumsverkostung mit Global Marketing Manager Naoki Tomoyoshi, der extra aus Japan angereist war, feststellen konnte.

In seinem Gastartikel fasst der renommierte Spirituosen-Experte und Journalist Roland Graf, der mit uns am vergangenen Dienstag das Tasting in der „Schumann’s Bar“ am Odeonplatz in München besuchte, die Eindrücke und Informationen des höchst interessanten Nachmittags exklusiv für unsere Leser zusammen. Viel Vergnügen bei der Lektüre!

GastartikelAutor: Roland Graf

Nikka Whisky feierte in München Einstand und 90. Geburtstag zugleich

Nach vielen Jahren bei Borco Markenimport wird Nikka seit März von Kirsch Import distribuiert. Die Masterclass mit Marketing Manager Naoki Tomoyoshi markierte in der „Schumann’s Bar“ München diesen Neuanfang.

Mit einer zwei-stündigen Präsentation wurde es recht ausführlich im „Les Fleurs du Mal“, dem intimeren Obergeschoß der legendären Bar. Denn am 2. Juli 2024 jährt sich die Gründung der „Großen japanischen Saftfabrik“ (Dai Nippon Kaju) – wie Masataka Taketsuru sein Unternehmen in Hokkaido ursprünglich nannte. Und um die 90-jährige Geschichte zu würdigen, rekapitulierte Tomoyoshi die Schottland-Reise des jungen Japaners, die zur Geburt von Suntory-Whisky (mit der Gründung der Yamazaki-Brennerei 1924) ebenso führen sollte wie später zur Selbstständigkeit mit Nikka.

Taketsuru war der sturere Pionier, ließ er dabei durchblicken. Während Suntory-Gründer Shinjirō Torii eher der clevere Geschäftsmann war, gab es für Taketsuru-san nur getorften Whisky nach schottischem Vorbild der 1920er. „Den kannte aber keiner in Japan und er verkaufte sich auch schlecht“, fasste Naoki Tomoyoshi die Anfänge zusammen. Immerhin führte der Traditionalismus dazu, dass Yoichi bis heute seine Pot Stills mit Kohle beheizt. Mittlerweile ist die Filtertechnologie aber so gut, „dass uns Leute oft fragen, ob wir außer Betrieb sind – weil sie noch den schwarzen Rauch aus den Schornsteinen kannten“.

Was Nikkas Gründer sonst noch in Schottland notiert hatte, konnten alle Anwesenden mit Japanisch-Kenntnissen nachvollziehen. Denn die beiden Notizbücher Masataka Taketsuru, voll mit Tabellen und Photographien, waren in München ebenfalls dabei. Wenn auch nur als Reprints, denn die Originale verlassen als echter Schatz des zur Asahi-Gruppe gehörenden Unternehmens nie den Tresor. Dafür erzählten die sieben Whisky-Proben von der Vision des Gründers, die sich in den zwei wichtigsten Parametern des Haus-Stils zusammenfassen lässt: Balance und Mundgefühl.

Anhand der Bestseller im Portfolio – u. a. „Nikka Days“ oder „From the Barrel“ – ließ sich das auch gut nachvollziehen. Ungeachtet von Machart und Füllstärke (40% versus 51,4%) sind beide viskos in der Anlage. Wie balanciert sich auch Torf in die japanische Harmoniesucht eingliedern lässt, zeigte der „Yoichi 10 years“. Die Unterschiede der beiden wichtigsten Brennereien Nikkas sorgen für entsprechenden Spielraum beim Vermählen der Whiskys – bekanntlich sind es über 100 Batches, darunter auch schottischer Single Malt beim „Nikka From the Barrel“. So wird in Yoichi generell einen Tag länger fermentiert; es sind vier statt drei Tage wie in Miyagikyo.

Ins Fass gehen aber alle Whiskys des Hauses mit 63% vol. Und auch bei einem weiteren Punkt versprach Naoki Tomoyoshi Harmonisierung. „Es laufen bereits unterschiedliche Projekte intern, aber auf lange Sicht wollen wir, dass alle Produkte den Richtlinien für „Japanese Whisky“ entsprechen. Schließlich sei Nikka Gründungsmitglied des Brennerkonsortiums, das sich zur Einhaltung der seit heuer geltenden Regeln verpflichtet hat. Und diese sehen Vergärung, Destillation und Lagerung aller Bestandteile eines Whiskys in Japan vor.

Aufhören ließ nicht nur diese erstmalig kommunizierte Absichtserklärung aus dem Munde des Marketing-Managers. Der Gast aus Japan hatte auch konkrete Genusstipps zu den Getreidebränden parat. Wobei gleich mit dem „schrägsten“ davon begonnen sei: Dafür verrührt Naoki Tomoyoshi „Nikka From the Barrel“ mit Frischkäse, Orangen- oder Marillenmarmelade und einer Prise Salz. „Das schmeckt genial auf einem Cracker“, leuchteten seine Augen bei der Erinnerung an diesen Snack.

Während der „Coffey Grain“ ein klassischer Fall für den japanischen Longdrink „Mizuwari“ darstellt, hatte Tomoyoshi für den „Coffey Malt“ einen besonderen Genusstipp. „Zwei Tropfen von einem kalt gewordenen Espresso ins Glas tropfen“. Erstaunlich, wie diese Art, den japanischen Whisky zu „cutten“, wirkte! Stefan Gabányi von der gleichnamigen Bar in München, vielen auch als Whisky-Buchautor bekannt, taufte diesen Mix gleich spontan: „Reverse Caffè corretto“.

Mit zwei Abfüllungen aus der in Vorbereitung des 90. Geburtstags aufgelegten „Discovery Series“ endete die Verkostung – beide zeigten eine experimentellere Serie der Brennerei. Zum einen brachte der „Miyagikyo Aromatic Yeast“ einen der Hefeversuche in die Flasche, die man in großem Stil betreibt. „Wir haben hunderte Hefestämme vorrätig“, erläuterte Naoki Tomoyoshi. Er verglich die langjährige Suche mit einem Rennen, „bei dem auch nicht alle ins Finale kommen können“. Die verwendete Hefe etwa sei eigentlich durchgefallen, bis man sich die damit gebrannten Chargen Jahre später noch einmal besehen hat. Ergebnis: eine Fruchtbombe! Wie ein Steinfrucht-Cocktail duftet dieser Whisky nach Mispel, Pfirsich und Ananas.

Doch es bleibt nicht beim Duft. Hell und doch zupackend in seiner Fruchtigkeit, erinnert der Mittelteil an beste Marillendestillate, so intensiv ist hier die Frucht ausgeprägt. Mit 47% vol. hat der „Miyagikyo Aromatic Yeast“ aber genügend Kraft, um diese Üppigkeit auszugleichen. Und immerhin gibt das Malz mit ein paar würzigen Glanzlichtern auch starke Lebenszeichen. Es war zweifellos der ungewöhnlichste Singe Malt im „Schumann’s“. Nicht minder spannend hingegen war die Geschichte hinter „The Grain“, der seit 2017 abgefüllt wird. Er verbindet drei verschiedene Getreide: Mais, Roggen und nicht gemälzte Gerste, die in Vakuumdestillation gebrannt wurde, vermählte man mit Chargen des „Coffee Grain“. Allerdings befanden sich darunter auch solche aus dem Brennjahrgang 1998.

Der Charme eines Dessert-Buffets wurde hier in die Flasche gebracht. Erste Duftnoten nach Nougat, Marzipankartoffeln und kandierten Veilchen zeigen die leichte Süße an. Wie süße Kaffeecreme kleidet dieser Leckerbissen den Gaumen aus, der Roggen sorgt aber für eine nussig-würzige Ader, die „The Grain“ vor allem im Finish noch anschwillt. Und auch der Whisky-Feiertag in München war noch lange nicht beendet. Mit Soba-Nudeln und Tonkatsu auf Schumann-Art gestärkt, ging es in die Gastschicht mit Stanislav Vadrna. Der Slowake, der unter dem Stichwort „Ichi-go Ichi-e“ die japanische Barkultur weltweit promotet, hat unter anderem seinen „Hokkaido Fashioned“ mitgebracht. Mit einem Sirup aus gerösteten Süßkartoffeln zubereitet, zählte diese „Old Fashioned“-Version zu den Hits des – noch langen – Abends am Münchener Hofgarten. Man darf gespannt sein, was zu Nikkas Neunziger noch folgt!

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