Whisky pur? Mit Wasser? In Cocktails? Wir von Whiskyexperts finden: Genießen soll jeder auf seine Art – und wir wollen jeden dabei unterstützen, für sich den größten Genuss mit dem Wasser des Lebens zu finden.
Daher freuen wir uns besonders, Reinhard Pohorec, einen der besten Barkeeper im deutschsprachigen Raum und begeisterten Fachmann für Whiskycocktails in unserem Team zu haben. Er wird seine Beigeisterung in regelmäßigen Beiträgen mit unseren Lesern teilen – und seine Lieblingsrezepte für einfache, raffinierte, klassische oder experimentelle Cocktails mit Whisky, exklusiv hier auf Whiskyexperts.
Den Beginn macht er heute mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für Abwechslung – und die Freiheit, nach dem eigenen Kopf zu genießen…
Ja, ich habe es getan… Und ja, ich gebe es ganz offen zu. Ich höre die Klagelaute, sehe all die erhobenen Zeigefinger und fühle die immer schwerer wiegende Last der bösen Blicke…
Ja, ich habe es absichtlich getan, im besten Wissen und Gewissen. Ich habe es genossen und Schuldgefühle liegen mir fremd.
Wasser (der Sünde erster Akt, quasi der Vorhof zur Hölle), Eis (wir steigern uns, es wird heißer), ein trockenes Tonic (Verzweiflung macht sich breit), Cola (das wars, ewiges Fegefeuer, ohne Worte).
Was leeren wir nicht alle in und auf unseren Whisky – mischen, mixen und freveln vor uns hin, als gäbe es kein Morgen.
Wie trinke ich meinen Whisky? Die Frage der Nationen, seit Jahrhunderten thematisiert, hochstilisiert und so kontrovers wie eh und je.
Die Puristen schreien und stöhnen, die Nichtswissenden grunzen mäßig interessiert, ein paar Grenzgänger in der Mitte üben sich im Spagat.
Es ist zur Glaubensfrage geworden, ob man seinen Whisky roh und unverfälscht zu sich zu nehmen habe oder wo die absolute Schmerzgrenze für Verwässerung und Vermixung liegen.
Dogmen, Grundsätze, religiöse Ansichten und extreme Ausformungen…
Während so ziemlich jegliche Masterblender/in ihre Samples mit Wasser auf eine aromenfreundliche und leichter zugängliche Alkoholstärke von knapp über 20% bringen, geben sich die harten Kenner ihre Fassstärke gerade heraus, die Zunge betäubt, die Rezeptoren auf Alarm-Blinker aber die Brust vor Stolz geschwellt.
Und dass viele der Jacky-Cola Fraktion angehörigen Genießer wohl noch nie näher darüber nachgedacht haben, welch Sprit „Jacky“ eigentlich sei, was Whisky bieten kann und ob ich meinen Diskodrink wirklich auf zwei Zügen zwischen eben so vielen dubiosen Anbratversuchen leeren muss, wollen wir ebenso einmal frech in den Raum werfen.
Aber jetzt doch ganz ehrlich – alles auf Anfang, weg von Klischee und Wortgefecht.
Es geht um Genuss. Darum, sich etwas Gutes zu gönnen, ein Stück Auszeit, Aufmerksamkeit für sich selbst, die Flüssigkeit im Glas, das Gegenüber und ein schönes Gespräch, die einsame Landschaft, die Stille Nacht, das Prasseln am Kaminfeuer. GENUSS!
Und wer wo wie wann mit wem warum wofür auch immer genießen möchte (zuweilen auch betäuben oder vergessen, aber lassen wir das) ist eine so individuelle und subjektive Entscheidung, wie die Wahl der täglichen Unterwäsche. Punkt.
Tragen Sie da wirklich Rosa-Camouflage?
Ich hatte mich ja bereits zu Beginn geoutet und mich damit unwiederbringlich dem Spott und Hohn eines Gutteils der geneigten Leser und „Afficinados“ ausgesetzt. Aber ich wage zu behaupten sehr intensiv und auf vielerlei Wege im Hospitality-Business unterwegs zu sein, Menschen, Essen und Drinks serviert zu haben, genauso wie in Destillerien, auf Produzentenseite und derlei Stationen dazwischen gearbeitet und meine Sporen verdient zu haben. Ich durfte Genussgewohnheiten studieren und feine Tröpfchen herstellen, ich habe Spirituosen jenseits der 4stelligen Eurobeträge im Limonadenstrudel untergehen gesehen, genauso wie das Leuchten in den Augen jener, die ihr Leben und ihr Herzblut der Erzeugung höchster Güter gewidmet haben.
Niemand, aber auch wirklich niemand ist in der Lage, geschweige denn der rechtmäßigen (wenn auch selbsternannten) Position über anderer Menschen Vorlieben und Gewohnheiten zu urteilen – den gesetzlichen Rahmen natürlich vorausgesetzt. Nie werde ich den Satz vergessen, als ein lieber Freund, Mentor und Whiskyfachmann einmal meinte, er brauche sich nicht schief anschauen zu lassen, wenn er seinen Gold Label Reserve gerade heute gerne auf Eis bestelle.
Oder den Master Distiller, der nach einem Tag voller Samples und Cut Points ein Whisky-Soda leert.
Nun, natürlich ist wie immer ein gewisses Vorwissen, Erfahrung oder Beschäftigung mit der Materie hilfreich, um neue Geschmackserlebnisse bieten zu können und gewisse Verhaltensweisen zu begünstigen oder zu verhindern. Auch kann man als Dienstleister beispielsweise in der Gastronomie mit Rat zur Seite stehen und Empfehlungen aussprechen – der 100Jahre alte Pre-Prohibitions-Zeit Rye Whiskey muss nicht im Horse’s Neck enden und ob mir im Londoner 5* Tempel der Rare Malt Brora längst vergangener Tage wirklich im Tumbler serviert werden muss?! Naja…
Aber letztlich trifft ein Gast, jeder private Genießer, JEDER EINZELNE MENSCH jeden Tag für sich seine Entscheidungen. Und wer daran herummeckern muss, sollte sich einfach überlegen, warum ihn die anderen stets so viel mehr interessieren, als die eigene Borniertheit? Neid? Wichtigtuerei, Besserwisserei? Make your pick…
Ich bin dankbar über jeden einzelnen Mitmenschen, der gerne etwas Gutes zu sich nimmt und es genießen kann. Das mag für manche der teuerste Single Malt der Welt sein, für andere schlicht der erste Whisky ihres Lebens, mit Cola.
Ich mixe Cocktails. Ich habe andere gelehrt Drinks zu mixen. Ich bin Dienstleister, Gastgeber und habe eine Riesenfreude damit, anderen eine Freude zu machen. Auch wir alle haben nicht mit Malt pur im Nosing Glas begonnen, und manchmal ist mir auch heute ein perfekt zubereiteter Manhattan in der jeweiligen Situation passender und lieber, als ein hochkomplexes Getränk, das meine vollste Aufmerksamkeit verlangen würde.
Ich habe es getan, und ich werde es wieder tun… Und für alle, die gerne mit auf eine solche Reise kommen wollen, werde ich auch darüber schreiben und berichten.
Wie fürchterlich…
In diesem Sinne, und wie immer mit den besten Spirits,
Reinhard Pohorec