Und jährlich grüßt das Murmeltier – Weihnachten kommt eine Woche vor Jahresende, Silvester hat sein festes Datum, der Ostertermin richtet sich nach den Mondphasen. Jahrestag, Hochzeitstag, jeder von uns freut sich nach seinem Geburtstag bereits auf das nächste Wiegenfest – Fixpunkte im Jahr, die uns Grund zu feiern geben und die es im Zwölfmonatsrhythmus rot im Kalender anzustreichen gilt.
Im späten Frühjahr, wenn die Natur in voller Pracht erstrahlt, Farbe ins Leben kommt und die warmen Tage im Freien genossen werden, verfällt auch die Whiskywelt immer ein wenig in Ausnahmezustand. Die neue Limited Edition von Ardbeg, in Verbindung mit dem Ardbeg Day und Feis Isle, bringt die Fans in Verzückung, die Kritiker in Rage, und bei Journalisten und Bloggern rauchen die Tastaturen. Welche Story wird das Marketing Team diesmal aus dem Hut zaubern? Welche Fässer stöbert Dr. Bill Lumsden mit seinem Team in den Warehouses auf? Wie schmeckt die rare Flüssigkeit, die vergriffen sein wird, bevor die breite Masse merkt, dass das Produkt überhaupt auf dem Markt ist? Dafür kann man bereits wenige Tage später bei Online Auktionen den doppelten Preis hinblättern, um eine Flasche zu ergattern, die man dann in den Reliquienschrein stellt, wo sie ungeöffnet ihrem Schicksal entgegen sieht, oder doch geöffnet, getrunken und hoffentlich freudig genossen wird.
Brasilien, Gold Grün, Fußballhysterie und Teamgeist
2014 wird nichts ins Weltall geschossen, nicht im Torf gegraben – es ist WM Fieber. Auch Ardbeg stimmt mit seinem diesjährigen Limited Release in den Torjubel ein und widmet die Geschichte den Farben Gold und Grün, Name und Zeichen der Brasilianischen Nationalmannschaft, eng verknüpft mit den Landes- und Flaggenfarben. Gülden soll auch der Whisky sein, der sich nicht im ppm Wettstreit messen will, diesmal hat die Fasswahl prägenden Einfluss auf das Produkt.
Diesen Umstand möchte man in einer ausführlichen Verkostung verdeutlichen, zum Pressetasting in München präsentieren Tobias Russ, Moët Hennessy, und Thomas Zilm, Brand Ambassador für Glenmorangie und Ardbeg, vier Expressionen der vielleicht poppigsten Destillerie Islays.
Geduld ist gefragt, auch wenn viele Zungen nach dem seltenen Schluck Auriverdes lechzen, vorweg gibt es eine Überraschung. Ein new make mit satten 69,5% Volumen soll die Grundcharakteristik des Destillats offenbaren und den Beginn einer Reise darstellen, die die Whiskys von Ardbeg – und mit ihnen Genießer und Trinker – antreten.
Eine phänomenale, klare und ölige Flüssigkeit schimmert im Glas, die Qualität, die Eleganz, Fülle und bereits vor der Lagerung erkennbare Komplexität ist beeindruckend.
Es ist ein interessantes aber diffiziles Vergnügen, das frische Destillat einer Brennerei verkosten zu können, besonders bei Produzenten wie Ardbeg, der Verknappung und dem Glamour rund um die Produkte, ist es ungemein schwieriger an new make zu kommen.
Als erster Dram des offiziellen Quartetts steht dann Ardbeg Ten am Speiseplan, eine absolut „verlässliche“ Abfüllung und als Standard und „Einstiegsgerät“ von sehr hoher Qualität. First Fill Ex-Bourbon und Second Fill Ex-Bourbon Fässer formen den Charakter des Whiskys, Vanille, cremig süßliche Fülle im Dialog mit den selchig, ledrigen Noten, dem Torfrauch und den salzigen Aromen, die von Mineralität und steinigen Akzenten, der Erinnerung an schwarzen Schiefer umgarnt werden.
Uigedal bringt dann spanische Sherryfässer ins Spiel und präsentiert Dörrfrüchte, Noten von Nüssen, Karamell, mehr Gerbstoff und Würze, wobei die aktuelle Version, die auch zum Tasting gelangt, in der ersten Nase einen unrunden Duft, angebrannte Streichhölzer und eine Andeutung von schwefeligen Aromen offenbart. Es braucht einige Minuten im Glas, und auch etwas Wasser hilft, bis das Fasstärke Ungestüm seine innere Mitte findet und etwas runder wirkt. Man muss ehrlicherweise festhalten, dass es wohl schon gelungenere Abfüllungen dieses sonstigen Weltklasse Tropfens gab.
Schwindelig ist Gott sei Dank noch niemand, der Meeresstrudel Corryvreckan wirbelt als dritter Probeschluck im Glas. Trocken, kräutrig, mit spannender, deutlicher Holznote, stängelig und frisch. Mit Zeit wird der Gesamtauftritt dann süßer, kommen mehr Fülle und Druck. Auch hier flackert kurz die Frage auf, ob der gerade verkostete Whisky mit der Erinnerung und früheren Editionen mithalten kann? Ungestüm, ja, laut, kraftvoll und beeindruckend, definitiv, aber auch etwas kantig, sehr jung und nicht mit allerletzter Konsequenz…
Gewartet haben aber ohnehin all die Anwesenden auf Dram Nummer 4, endlich Gold Grün, endlich Auriverdes, Ardbeg ist auch 2014 wieder voll angekommen, die Limited Edition, für viele das erste und vielleicht einzige Mal, dass sie diesen Whisky verkosten werden.
Im Jahr der Fußball Weltmeisterschaft in Brasilien hat man sich für Bourbonhölzer entschieden, First und Second Fill, wie man es vom Ten kennt, anschließend in Fässern mit einer Extra-Auskohlung gefinished.
Zustimmung macht sich in der Runde breit, Lobesworte sind zu vernehmen, man lässt nachschenken. Manch einer hatte mehr Rauch und Torf erwartet, andere Orten eine Reminiszenz an ältere Ardbegs, „Old School“ sagt einer der Verkoster.
Nun, über die Ablehnung oder Begeisterung dem Auriverdes gegenüber muss letztlich jeder selbst entscheiden. Außer Frage steht jedoch, dass das Tasting in München, genauso wie auch die neue Rarität der kleinen Insel Islay, ein voller Erfolg ist und sein wird.
Das Marketing, das Konzept, die Kommunikation und der Hype: es stimmt alles zusammen und bewegt die Menschen. Und ein knappes Angebot lässt die Nachfrage schnell hochschnellen, was dann mit dem Preis passiert, kann sich jeder ausrechnen.
Sichern Sie sich Ihre Flasche Ardbeg, solange Sie können, machen Sie sie auf, genießen Sie den Whisky, vielleicht zum WM Finale, mit guten Freunden oder in einem stillen Moment alleine und in Ruhe. Und wenn sie keine mehr ergattern können, seien Sie versichert, es wird weitere Limited Editions geben, und es gibt andere Whiskys, die für wenig Geld viel Freude bieten.
Außerdem ist ja bald auch irgendwann wieder Weihnachten, ein Fixtermin im Jahr.
Mit den besten Spirits,
Reinhard Pohorec