In unserer regelmäßigen Rubrik “Whiskys des Monats” stellen wir, sehr subjektiv gesehen natürlich, Whiskys vor, die wir besonders mögen – und denen wir eine breitere Öffentlichkeit wünschen. Hier unsere Empfehlung für September:
Behutsam schenke ich ein kleines Glas ein… Die Flüssigkeit liegt satt glänzend in den bauchigen Rundungen, ein vorsichtiges Herantasten, ein erstes „Beschnuppern“. Und nach dem anfangs noch zögerlichen Schluck huscht mir ein Lächeln über die Lippen, wohlige Zufriedenheit breitet sich aus, ich weiß: ich bin zu Hause.
Manch Whisky mag eine neue Erfahrung sein, oft probiert man etwas Neues, wagt sich an Aromenprofile, die einem vielleicht bewusst nicht hundertprozentig vertraut oder lieb sind, aber Whisky ist neben allem anderen nun auch einmal Vielfalt, Experimentierfreude und Faszination der Entdeckung.
Heimkommen
Und dann gibt es diese wenigen besonderen Malts und Blends, vielleicht rein subjektiv, emotionsgeladen oder für Puristen schwer nachvollziehbar, jene Drams, die einem unmittelbar ein Gefühl der Geborgenheit und Vertrautheit schenken.
Für mich ist Clynelish eben jene Destillerie. Ein Whisky mit Geschichte, Ecken und Kanten und einer großartigen Signatur, die sich sehr konsistent wiederfinden lässt, sei es in Originalabfüllungen, Unabhängigen und sogar im Blend. Gleichzeitig kann man schier endlos philosophieren über die theoretischen und technischen Hintergründe, die genau für diesen Stil verantwortlich zeichnen, kann sich in Mythen und Sagen ergehen, oder einfach genießen.
It was a summer of…
Nun ja ’68! Man war dem blumigen Höhepunkt der Flower Power, Woodstock und Neil Armstong’s Mondlandung um ein Jahr voraus, als die aktuelle Clynelish Brennerei aus der Taufe gehoben wurde.
Doch über die historischen Windungen mit Clynelish A und B, Brora gibt es massenhaft Abhandlungen und Berichte, für uns spannend ist an dieser Stelle, was heute passiert und ins Glas fließt.
Clynelish ist eine der weniger bekannten Destillerien, besonders im breiten Sortiment der Eigner Diageo, mit einer satten Ausbringungsmenge von über vier Millionen Litern reinen Alkohols
eine ideale Blendingkomponente und als solche hoch geschätzt.
2002 führte man die 14y Standardabfüllung ein, seit 2005 firmiert der Malt unter der Classic Malt Range.
Auffallend hierbei ist, dass sich Diageo sehr wohl überlegt, mit welchem Alter, Fasstypus und Alkoholgehalt diese Originalabfüllungen auf den Markt kommen. Es ist kein Zufall, dass Talisker mit 45,8% als zehnjähriger Jungspund, Dalwhinnie mit satten fünfzehn und Lagavulin beispielsweise mit sechzehn Lenzen in die Flasche wandern.
So hat auch Clynelish als 14y Old offenbar seine optimale Balance und mit 46% Volumenprozent Alkohol entsprechend Kraft und Charakter.
Im Glas?
Der Duft ist betörend, sehr komplex mit Noten von Salzzitrone und maritimen Einsprengseln. Die Nordöstlichen Highlands versprechen hier viel und enttäuschen selten. Sie zeigen ihr etwas rauen, ungewöhnlichen Seiten. Vanille, Brioche und Buttermandel gesellen sich dazu, ein sehr wohlig eingebettetes Spiel aus Rauch, Süße, Trockenfrüchten und Macis, Koriander, Kaffeebohnen geben sich auch ein Stelldichein. Dann ist zu dem ganz dezenten Torf (nein nein!! keinerlei Islay Charakter, Festland Torf, dezent, erdig, Kohlenfeuer) auch eine blumige Note zu entdecken.
Äußerst belohnend ist die Impression am Gaumen, mit Üppigkeit und Druck! Kaum ein Whisky ist so oppulent cremig, chewy, wachsig und elegant, das Mundgefühl stets von einer unverwechselbaren Größe. Auch hier wiederum das Spiel aus Meeresnoten, Zitrusfrische, Fülle und Süße, unterlegt von etwas Holz, Custard und Oberscreme sowie diesem Hauch Rauch, der alles zusammenzuschweißen scheint.
Als Standardabfüllung, und oft klingt dieses Wort für manch engstirnige Whiskytrinker schon leicht anrüchig, ist der Clynelish 14y eine exzellente Wahl. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist ausgezeichnet und man trifft auf eine unglaublich verlässliche, sehr solide Qualität. Die Komplexität, Vielfalt und Extravaganz des Whiskys ist auch für erfahrene Genießer immer wieder eine neue Reise wert.
A wee dram, and a great story
Ob man im 18. Jahrhundert, wie es Sagen erzählen, wirklich Gold rund um die Destillerie und in den Wasserquellen gefunden hat, sei dahin gestellt. Bedenkt man aber auch Clynelish’s Funktion als einer der Lead Malts von Johnnie Walker Gold Label Reserve, so ergibt sich wieder ein interessantes Gesamtbild. Eine gute Geschichte, über die man bei ein paar Gläsern schmunzeln kann, ist es allemal.
Genauso wird es wohl ein Mysterium bleiben, ob es wirklich die foreshots und faints receiver sind, die für die wachsige Signatur verantwortlich zeichnen, ob die Cremigkeit von der still-Form, Prozessen bei Fermentation oder Destillation kommt, und wo die Lagerung ihre Spuren hinterlässt.
Doch es sind genau jene Mythen, die ein Kribbeln aufkommen lassen, die einem Whisky zusätzlich Persönlichkeit, Angreifbarkeit und Charakter verleihen, und findet man oft einen Anknüpfungspunkt, eine Sympathie, die sich am Papier und besonders auch im Glas findet.
Oft kann das eine Liebe fürs Leben werden und bleiben, eine Brennerei und ein Malt, die einen begleiten, fast ein bisschen, wie nach Hause kommen.
Mit den besten Spirits,
Reinhard Pohorec