Neben den intensiven Inselwhiskys, Islay Malts, Sherrybomben der Speyside und eingesessen Platzhirschen wie Macallan oder Glenlivet, wird eine Region gerne übersehen oder etwas links liegen gelassen.
Am weitesten südlich und an England grenzend gelegen, werden die Lowlands im Norden von einer gedachten Linie zwischen dem Firth of Tay und dem Firth of Clyde begrenzt, oft wird diese auch einfach zwischen Edinburgh und Glasgow gezogen, die Highland Line.
Es herrscht nicht immer Einigkeit über die Kategorisierung schottischer Whiskies in verschiedene Regionen und die zunehmende Diversität von Stilistiken und Typizitäten macht es tatsächlich nicht leicht, eine für jeden stimmige Teilung zu schaffen. Historisch betrachtet, werden die Highlands, Islay und Campeltown eben durch die Lowlands zu den vier „main whisky regions“ vervollständigt.
Dabei gibt es auch in den Lowlands einige herausragende und sehr eigenständige Tropfen zu entdecken, und es sollte auch nicht vergessen werden, dass große „lost distillery“ Namen wie St. Magdalene oder Rosebank, deren verbliebene Abfüllungen heute für teures Geld gehandelt werden, dieser Region zuzuordnen sind.
Überdenkt man den Umstand, dass Whisky oft die Persönlichkeit seiner Umgebung und der dort lebenden Menschen widerspiegelt, sind die Lowlands vielleicht ein perfektes Beispiel – der Charakter der Whiskys wird generell als süßlich, weich, zugänglich und oft eher „unaufgeregt“ eingeordnet, grasig malzig, floral gilt als typisch. Und die Tatsache, dass bis vor kurzem nur noch drei Destillerien im südlichsten Teil Schottlands aktiv waren, mag nicht weiter förderlich sein für die Reputation und den Bekanntheitsgrad.
In die Lowlands einzutauchen und in der reichen Geschichte der border region zu wühlen, ist auch ein Tribut an die Ursprünge des schottischen Lebenswassers.
Voll von alten Kohlemine-Städten der viktorianischen Anwesen und Unmengen an Getreide, war das Gebiet nördlich der englischen Grenze wie geschaffen dafür, seinen Platz in der Whiskyhistorie einzunehmen.
In Glasgow und Edinburgh fanden sich zahlreiche glückliche Abnehmer für die Brände der Destillieren, deren Anzahl Mitte des 19. Jahrhunderts über 115 betrug.
Man errichtete mächtigere distilleries, größere stills, produzierte grain spirit in großen Mengen – übrigens gerne auch unter Beimengung von Weizen, Hafer, Mais. Praktischerweise fand sich auch ein ausreichender Vorrat an Kohle und machte somit die Verwendung von Torf für die Befeuerung unnötig.
Langsam aber sicher kristallisierte sich ein gewisser regionaler Stil heraus, dessen Nachwehen noch heute seh- und schmeckbar sind. Nicht vielen wird übrigens geläufig sein, dass ein stolzer Anteil des produzierten Getreidedestillats seinen Weg gen Süden machte und englischen Gin aufpeppte.
Auch der Blended Scotch Whisky hat seine Wurzeln in den Lowlands, aufgefüllt durch die Grain Destillerien, die zwar weniger dem phototauglichen wildromantischen Destillerieimage entsprechen und eher einer groß angelegten technischen Produktionsstätte gleichen, aber für die Whiskybranche generell einen immens wichtigen Beitrag leisten.
Viel Lebenswasser umspült also diesen Teil der Insel, wenig davon Single Malt. In den 80ern des 20. Jahrhunderts mussten – nicht nur im Süden – viele Destillerien ihre Tore schließen und stills stilllegen. Seltene Restabfüllungen lassen heute Sammlerherzen höherschlagen und geben Whiskyfreunden einen flüssigen Blick zurück in die Geschichte – auch in die gloriose Geschichte einer heute oft vergessenen Region – die Lowlands.
[box type=“shadow“ align=“aligncenter“ ]Aktive Destillerien 2013:
Single Malt: Ailsa Bay, Auchentoshan, Bladnoch, Daftmill, Glenkinchie, Annandale
Grain: Cameronbridge, Girvan, North British, Port Dundas, Strathclyde[/box]
Autor: Reinhard Pohorec arbeitet zur Zeit als Bartender im Savoy in London und beschreibt sich selbst als leidenschaftlicher Whiskygenießer. Er hat sich in seinem Berufsfeld auf den Purbereich und Whiskys spezialisiert und ist für whiskyexperts als Redakteur tätig.