Mittwoch, 24. April 2024, 21:11:42

Wir verkosten: Glen Scotia 1992, 48,7%, Pearls of Scotland

Die Geister, die ich rief…

Flaschengeister mögen durchaus ein dem Whiskytrinker bekanntes Phänomen sein, aber dass gleich die ganze Destillerie von halbtransparenten, grünlich schimmernden Pseudo-Vergangenheitsbewältigern beseelt sein soll, hat Pepp! Bei einem Business Deal schwerst betrogen und hinters Licht geführt, stürzte sich Duncan MacCallum in den 1930er Jahren in die Fluten des Campbeltown Loch. Er war einer der früheren Besitzer Glen Scotias, jener Brennerei, die bis heute von ihm auf- oder heimgesucht wird. Nun, so will es zumindest die Legende, und wer wären wir, solch Dinge in Frage zu stellen? Aber zurück zum Thema, die Geschichte Glen Scotias ist ja auch so bewegt genug, glücklicherweise fließt der „new make“ heute wieder, und es gibt – wie auch im hier vorliegenden Fall – neben ein paar Official Bottlings, schöne unabhängige Abfüllungen zu entdecken. Der deutsche Importeur, die HEB Heinz Eggert aus Bremen, hat uns freundlicherweise ein Sample zur Verfügung gestellt.

You can’t beat experience…

Mehr als 30 Jahre Erfahrung im Whiskybusiness sind ein wertvolles Asset, Jim Gordon hat wohl so ziemlich alles gesehen, was man in der Branche sehen, lernen, kosten und verkaufen kann. Es liegt in gewisser Weise nahe, dass sich irgendwann der Wunsch regt, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. So geschehen mit der Gordon & Company (Distillers) Ltd., die er mit seinem Sohn betreibt, und die als erste Serie mit Pearls of Scotland zu beeindrucken weiß. Von Hand abgefüllt, kommen die Whiskys in natürlichster Form und Fassstärke in die Flasche. Man möchte eine Bandbreite an Stilen, Destilleriecharakteristika und Geschmäckern vermitteln.

poscgsc1992

Pearls of Scotland, Glen Scotia, 48,7% vol.
distilled 1992, bottled 2014,
Cask #35

Nase: kräftig duftig, blumige Noten zu Beginn, etwas Kamille, Sauerampfer, Lorbeer, dann grüner Apfel, etwas Salbei und Senfsaat, es braucht ein Weilchen bis sich auch Rauch und dunkler Schiefer behaupten können, dezent holzig, aber für sein Alter erstaunlich primärfruchtig, frisch, lebendig, helle Zitruszeste, Blütenhonig mit Salz bestreut, salted caramel, immer von einem leichten „savoury“, maritimen Touch unterlegt, eine spannende Nase, die einiges zu bieten hat nach etwa fünfzehn Minuten dann kommen die Reifenoten deutlicher, etwas staubig, antiquierter Möbelduft, Samt, Zigarrenkistchen

Gaumen: salzig, straff, sehr kompakter Druck am Gaumen, wiederum die Frische von Limette, etwas Toffee und diesmal roter Apfel, wilde Noten von Seegras, einem Hauch Meereswasser und dann Vanille, phenolische Untermauerung, saftiger Zug, das Holz wunderbar integriert, vollmundig, wärmend, dann Noten von Propolis, Bienenwabe, Muskatnuss und rosa Beeren ein schöner Aromenbogen, ein Texturspiel, das sich über den Gaumen zieht

Finish: lange anhaltend, spicy und den Körper belebend, immer mit diesem Hauch salzig-sauer-zitruslastig, noch einmal schlägt die Apfelnote durch, mit etwas Zimtzucker, noch einmal sagt die Meeresbrise „hallo“ und noch einmal erinnere ich mich an die füllige Vanillenote, den dezenten Torfrauch und die Dichte und Üppigkeit dieses Whiskys

Alles in allem: ein sehr harmonischer, reifer aber nicht holziger Whisky, rundum gelungen und ein komplexes Erlebnis. Der Malt wirkt etwas Old School, im besten Sinne, aber immer mit lebendig frischer Note, gutem Zug am Gaumen und einer faszinierenden Entwicklung. Zeit und Muße, wie so oft, sind diesem Glen Scotia respektvollst entgegen zu bringen.

Mit den besten Spirits
Reinhard Pohorec

Unsere Partner

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