30 Whiskys, 7 Destillerien, 1 Mälzerei – und dafür genau 3 Tage Zeit: Die WhiskyTour 2015 führte unsere Gastautoren Simon Weiß von whiskyerlebnisse.de und Christian Schrade von Heart-of-the-Run.de an einem langen Wochenende zu den deutschen Whiskybrennern. Das Ziel: Eindrücke, Einblicke und Einsichten von in und über die deutsche Whiskyszene. Ihre Berichte (Text: Christian Schrade) und Bilder darüber bringen wir mit freundlicher Genehmigung der Autoren auch auf Whiskyexperts. Heute: Aureum – der Whisky der Brennerei Ziegler
Der Fasskeller liegt hier in den oberen Etagen. Weniger Meter vom modernen Lastenaufzug entfernt, geht es von der kleinen Produktionsetage durch eine weiße Tür ins Heiligtum der Brennerei Ziegler. Wer das sehen will, der muss zunächst den Kopf einziehen, um sich nicht am steinernen Deckenbalken zu stoßen. Während wir die Treppen in den dunklen, feuchten Raum hinuntergehen, steigt uns ein sonderbarer Geruch in die Nase. Ein moderig-feuchter Duft kommt uns von den nassen, schwarzen Steinwänden entgehen. Dazwischen umströmen süßlich-fruchtige Aromen unsere Nasen. Typische Warehouse-Atmosphäre eben.
Während wir die großen Sherry- und Portweinfässer bestaunen, erklären uns Jürgen und Pascal Marré, wie darin elementare Bestandteile ihres Whiskys heranreifen. Aureum heißt ihr Produkt, bezogen auf die lateinische Bezeichnung für „golden“. So sieht der Whisky nachher im Glas aber nur aus, wenn er lange genug in den Holzfässern verweilte. Denn: Zuckerkulör, also geschmacksneutraler Lebensmittelfarbstoff, um ein einheitliches Aussehen zu gewährleisten, das kommt bei Aureum nicht in die Flasche. Stattdessen muss sich der Whisky seine Farbe durch den Kontakt mit dem Holz im Fass „erarbeiten“. Je größer das Fass, desto mehr Volumen hat es im Vergleich zur Holzoberfläche. Will heißen: Größere Fässer reifen langsamer. Kein Wunder, das die rund 500 Liter fassenden Behältnisse um uns herum schon fünf Jahre oder länger Whisky beherrbergen.
Was wir uns nur fragen: Wie kommen die großen Brocken denn hier runter in den engen Lagerraum, hinter dessen Wänden sich gleich das angrenzende Erdreich des Hangs befindet, an dem die Gebäude der Destillerie erbaut wurden. Mit einer Mischung aus Lachen und Seufzer deutet Destillateur Pascal Marré auf den linken unteren Rand des Türrahmens. Dort fehlen bereits einige Steine, die eine Fassrundung erkennen lassen. Neue Fässer einlagern – das geht bei Aureum also mit Türrahmen ausbauen und viel Muskelkraft einher. Zusammengefasst: „Fassmanagement ist bei uns brutal aufwendig“, erklärt Jürgen Marré. Natürlich liegt das auch daran, dass der Whisky von Aureum in mehreren Lagerräumen entlang der Brennereigebäude reift. Teils sogar auf der anderen Seite des Mains, der nur wenige Meter von der Destillerie entfernt durch den kleinen Ort Freudenberg fließt.
Um 15.000 Flaschen Aureum pro Jahr abzufüllen, müssen also einige der inzwischen 800 Fässer durch die sehr engen Keller und Hochlager bewegt werden. Zusätzliches Krafttraining brauchen die Mitarbeiter da nicht mehr. Je nach Abfüllung reift der Whisky zunächst jeweils ein Jahr in neuen Fässern aus Allier-Eiche. Das gleiche Destillat wird parallel in neue Kastanienfässer eingelagert. In Liebhaberkreisen ist genau das eines der „Alleinstellungsmerkmale“ von Aureum. Ein Cuvée oder Verschnitt aus diesen beiden Fassarten wird dann anschließend zur Endreifung in andere Fässer umgelagert. Welche dafür ausgewählt werden, ist die große Kunst des Whiskymachens, kommen doch nachher rund zwei Drittel des Geschmacks aus der Holzfassreifung.
Je besser das Fass, desto besser auch der Whisky – etwas vereinfacht zwar, aber so kann man es auf den Punkt bringen. Das richtige Holz auszuwählen braucht Erfahrung und ein glückliches Händchen bei der Beschaffung. Gute Fässer sind zurzeit teuer und rar. Auf Expertise und gute Kontakte ist man bei Ziegler durchaus stolz, das merkt man im Gespräch mit Jürgen und Pascal Marré. Natürlich hat man es durch das Mutterunternehmen WeinWolf beziehungsweise dessen Mutterkonzern, den Wein-Riesen Hawesko, einfacher, an herausragende Fässer für die Whiskyreifung zu gelangen. Besonders zum Vorschein kommt das bei den limitierten Sonder-Abfüllungen, wie bei dem inzwischen vergriffenen Single Malt Whisky, der seit 2008 sechs Jahre lang in Fässern des weltbekannten Weingutes Château d’Yquem lagerte. 809 Flaschen waren da schnell ausverkauft.
Zum Glück ist Nachschub in Sicht, verrät uns Jürgen Marré, während wir uns auf ein paar ausgewählte Proben Aureum in die schweren, braunen Ledersessel neben einer der Brennblasen im Destillations- und Verkostungsraum setzen. Natürlich baut die Brennerei Ziegler auch beim Nachfolger der Sonder-Edition auf Weinfässer mit Weltruhm. Dieses Mal stammen sie aus dem Château Lafite-Rothschild in der Nähe von Bordeaux. Um die 800 Flaschen wird es davon geben, wahrscheinlich mit 47 % vol., damit man den Whisky nicht kühlzufiltrieren braucht. Ab diesem Prozentsatz wirkt der Alkohol als natürliches Anti-Trübungsmittel. So behält der Whisky seinen klaren Charakter, auch wenn er mal etwas kühler wird.
Zu viel Wärme, das ist sowieso keine gute Sache, findet Jürgen Marré. 16 Grad Celsius, das ist seine optimale Trinktemperatur für einen guten Whisky. Da kann man im Notfall auch mal mit einem Eiswürfel nachhelfen, wenn man einen viel zu warmen Dram serviert bekommt, rät Marré. Aufgewärmte Nosinggläser, ähnlich wie die heiße Tasse beim Espresso? „Quatsch. Da kommt der Whisky gar nicht zur Geltung“, wiegelt Marré ab. Man sollte sich beim Whisky eben nicht an kurzlebigen Trends orientieren, rät der Senior-Brennmeister.
Wer sich erfolgreich eine Jahrgangs-Range aufbauen will, wie man es bei Aureum vor hat, der sollte sowieso nicht in Jahren denken, sondern besser in Jahrzehnten, lässt Marré seinen Anspruch durchblicken. Und der ist hoch in Freudenberg: Es gehe nicht darum, irgendeinen guten deutschen Whisky zu brennen. Ziel ist es, einen Spitzenwhisky zu kreieren, der es mit anderen Top-Destillaten auf internationaler Ebene aufnehmen kann. „Wir dürfen uns nicht zu sehr auf regionale Grenzen konzentrieren. Solange der Whisky wirklich gut gemacht ist, kann es doch egal sein, aus welchem Land der kommt.“