Dienstag, 23. April 2024, 11:06:41

Deutsche Whiskyszene: Die Mälzerei Weyermann in Bamberg

30 Whiskys, 7 Destillerien, 1 Mälzerei – und dafür genau 3 Tage Zeit: Die WhiskyTour 2015 führte unsere Gastautoren Simon Weiß von whiskyerlebnisse.de und Christian Schrade von Heart-of-the-Run.de an einem langen Wochenende zu den deutschen Whiskybrennern. Das Ziel: Eindrücke, Einblicke und Einsichten von in und über die deutsche Whiskyszene. Ihre Berichte (Text: Christian Schrade) und Bilder darüber bringen wir mit freundlicher Genehmigung der Autoren auch auf Whiskyexperts. Heute: Mälzerei Weyermann in Bamberg.

„Bei Rotlicht kommen die Käfer aus der Gerste raus“, sagt Karl-Ludwig Rieck und hält die Lampe hoch, sodass man die rote Glühbirne sehen kann. Ist dann nur ein Tierchen in der Schale unter dem Sieb, in dem das Getreide liegt, geht ein ganzer Lastwagen mit Gerstenkörnern zum Lieferanten zurück. Denn da, wo ein Käfer ist, sind in der Regel auch viele seiner Freunde. Qualitätskontrolle, das ist schon eine Wissenschaft für sich in der weltweit größten Spezialmälzerei. Seit 135 Jahren weichen, keimen, darren und rösten die Bamberger auf ihrem aus altehrwürdigen Backsteingebäuden bestehenden Firmengelände Getreide – heutzutage vor allem Gerste und Weizen für die Bier- und Whiskyproduktion.

Käferkontrolle im Labor: "Da geht auch schon mal eine Lkw-Ladung zurück." Foto: Simon Weiß
Käferkontrolle im Labor: „Da geht auch schon mal eine Lkw-Ladung zurück.“ Foto: Simon Weiß

Washington, Wellington, Wladiwostok – das Malz aus Bamberg wird nicht nur in Deutschland von zahlreichen Whiskydestillerien geschätzt, sondern auch an Brenner und Bierbrauer in aller Welt verschickt. Weit über 100 Länder kommen so zusammen, erzählt Rieck, während er mit dem Finger über die große Weltkarte mit hunderten kleiner bunter Stecknadeln fährt. Und dabei sind noch nicht einmal alle aktuellen Kunden auf der Karte verzeichnet. „Wir müssten mal wieder ein paar neue Nadeln verteilen“, meint der Kundenberater, der uns am Vormittag durch die Mälzerei führt.

26 Tonnen pro halbe Stunde: Weyermann-Mitarbeiter Karl-Ludwig Rieck. Foto: Simon Weiß
26 Tonnen pro halbe Stunde: Weyermann-Mitarbeiter Karl-Ludwig Rieck. Foto: Simon Weiß

Während wir im Labor im untersten Stock der Familienvilla zuschauen, wie gerade die aktuelle Lkw-Lieferung an Gerste auf Verunreinigungen, Stärkegehalt und zahlreiche weitere Kriterien überprüft wird, fährt schon der nächste Truck mit Getreide auf den Hof. „Heute werden es wohl sechs Lastwagen werden“, sagt Rieck und klingt dabei so, als wenn das eine Halbtagsportion für den Betrieb ist. Ist ja auch Freitag, versteht sich. 30 Minuten braucht es, bis ein Laster leer ist. 26 Tonnen fließen wie aus dem Wasserhahn in ein Loch im Boden auf dem Hof und werden dann mit Förderbändern zur Reinigung geschickt. Dann folgt das Weichen.

Bevor aus Maische Whisky wird, muss aus Malz und Wasser Maische werden. Und wie man aus Getreide und Wasser Malz macht, das können wir eindrucksvoll im sogenannten Keimkasten sehen. Der liegt hinter einer massiven Stahltür, die mit einem großen Hebel geöffnet werden muss, und sieht wie ein großes Schwimmbecken aus. Darin ruhen 120 Tonnen Gerste, übereinandergeschichtet auf 1,30 Meter Höhe, und keimen in Ruhe vor sich hin. Ganze fünf Tage lang dauert das, bei extrem hoher Luftfeuchtigkeit. Schwimmbadatmosphäre halt. Damit die Keimlinge sich nicht ineinander verhaken wie Grassamen, die zu einer festen Rasendecke verwachsen, muss regelmäßig umgeschichtet werden. Das passiert mit einem langen Stahlrahmen, an dem sich zahlreiche Rührschnecken befinden – ähnlich wie bei einem elektrischen Teigrührer für die Küche. „Wenn wir das nicht regelmäßig machen, wächst das schneller zusammen als man gucken kann“, sagt Rieck. Damit das nicht passiert, sichern Notstromversorgung und ein hauseigener Rund-um-die-Uhr-Elektriker-Service die riesige Gerstenmenge. Bei rund 500 Euro Wert pro Tonne durchaus verständlich.

Ist die Gerste „fertig gekeimt“, hat sie also die für die Vergärung nötigen Enzyme gebildet, wird der Keimungsprozess in großen Trocknungskammern, den Darren, unterbrochen. Denn für die Whiskyproduktion muss noch genügend Malzzucker im Korn übrig bleiben. Wartet man zu lange, geht zu viel Kraft bei der Bildung des Keimlings verloren. Gedarrt wird mit heißer Luft, bei Weyermann auch mit Buchen- und Eichenrauch. „Torf gibt’s bei uns nicht in der Darre“, das kommt bei Rieck wie aus der Pistole geschossen. Man merkt, wir sind nicht die ersten, die danach fragen. „Das sollen lieber die Schotten machen, die haben damit mehr Erfahrung“, gesteht unser Tour-Guide. „Außerdem wäre es viel zu aufwändig, den Torfrauch wieder aus unseren Anlagen zu bekommen. Das setzt sich regelrecht fest.“

Röstmalz, dunkel wie Kaffeebohnen: würzig, angenehm bitter, fruchtig und getreidig. Foto: Christian Schrade
Röstmalz, dunkel wie Kaffeebohnen: würzig, angenehm bitter, fruchtig und getreidig. Foto: Christian Schrade

Stattdessen haben sich die Bamberger auf etwas anderes spezialisiert: Geröstetes Getreide, sogenanntes Röstmalz, das ähnlich wie beim Rösten von Kaffeebohnen in riesigen Trommeln erhitzt wird – bei Weyermann fast so hoch, dass es sich ohne Rotation selbst entzünden würde. Das Ergebnis: kleine, dunkelschwarze Körner, die teils starke Gewürz- und Bitteraromen aufweisen, zusammen mit intensiven Frucht- und Getreidenoten, die sich beim Knabbern des Malzes langsam im Mund entfalten. Bringt man das gekeimte Getreide direkt in die Rösttrommeln, ohne es zu darren, schmilzt der Malzzucker direkt im Korn. Voilà: karamellisiertes Malz.

Neue Brennanlage im Besucherzentrum: Platz für mehr als 550 Liter Maische. Foto: Simon Weiß
Neue Brennanlage im Besucherzentrum: Platz für mehr als 550 Liter Maische. Foto: Simon Weiß

Neben „normal“ gemälzter Gerste werden letztere Spezialvarianten auch gerne in geringen Mengen von Whiskybrennern für ihre Maische verwendet, berichtet Rieck. Das gibt dem Destillat hinterher besondere Karamell- und Rauchnoten. Die erzeugen die Bamberger seit wenigen Wochen auch in der eigenen Whiskydestillerie. Diese steht hochglänzend und vollständig aus Kupfer gefertigt im Besucherzentrum und wurde bisher nur zwei Mal benutzt. 550 Liter Volumen fasst die Brennblase, 90 Prozent Rauchmalz und 10 Prozent karamellisiertes Malz ist das Mischverhältnis für den bisherigen Hausstil. Wie viel der 95.000 Tonnen Malz der Jahresproduktion dann dort destilliert werden sollen, das kann Rieck noch nicht sagen. Im neuen, noch leeren Fasslager ist aber reichlich Platz. Zeit, eine Stecknadel für Bamberg auf der deutschen Whiskykarte hervorzukramen.

 

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