Keine fünf Autominuten vom neuen, im Aufbau befindlichen Produktionsgelände der West Cork Distillers (siehe dazu den ersten Teil unserer Reportage) liegt die momentane Destillerie, die mit Ende des Jahres übersiedeln soll. Wer sich dort endlich die klassische Brennerei erwartet, der wird allerdings ebenso wenig fündig werden wie zuvor: Der erste Gedanke beim Anblick der Hallen tendiert in Richtung Altmetallhandel oder zu einer Werft für Fischerboote – wären da nicht die unzähligen Fässer, die neben, durch welche Prozesse auch immer, in allen Farben schimmernden Metallteilen stehen.
Auch diese Anlagen hier machen den Eindruck einer ewigen Baustelle. Das hat seinen Grund: Die Übersiedlung der Brennerei bedeutet nämlich nicht, dass das alte Gelände aufgegeben wird – die Expansion und die dadurch entstehende Platznot bedingt, dass auch jetzt noch gleich neben dem Hauptgebäude, in dem die Stills untergebracht sind, eine neue Lagerhalle errichtet wird.
Als das Bild entsteht, ist es Dienstag mittags. Auf die Frage, bis wann denn die Halle fertig sein solle, antwortet Mitgründer und Master Mind John O’Connell, der uns wieder über das Gelände führt: „Das sind Deutsche, die das bauen. Freitag.“
Wir werden informiert, dass hinter der Produktionshalle gerade gemälzte Gerste für die Produktion angeliefert wird. Ein riesiger Kipplaster steht dort und befüllt ein unterirdisches Depot mit seiner Fracht.
Schon während der Anlieferung wird die Qualität der Gerste kontrolliert. Trotz aller Technikbesessenheit, die wir in der Destillerie erlebt haben, geschehen solche Dinge noch mit der Hand. Shane Casey, Quality Manager bei West Cork Distillers, übernimmt das höchstpersönlich:
Gleich hinter dem Platz, an dem die Gerste geliefert wird, können wir einen Blick in das hiesige Warehouse werfen. Wie nicht anders zu erwarten, ist auch dieses so dicht befüllt, dass es schwierig wird, hinein und wieder heraus zu kommen:
Was uns auf Schritt und Tritt begleitet, sind Geräusche, die man eher einer Fabrik als einer Destillerie zuordnen würde. Man hört das Hämmern von Metall auf Metall, das Zischen von Dampf, das Knacken von Ventilen. Als wir dann die Halle mit den Stills betreten, wird aus den Geräuschen ein Rhythmus. Und der Blick fällt auf etwas, das für Musikbegeisterte wie das Steckboard eines frühen Moog-Synthesizers aussieht, aber eine der erstaunlichen Erfindungen von John O’Connell ist:
Auf der Flow Plate werden auf einfachste Art und Weise verschiedene Flüssigkeiten zwischen verschiedenen Tanks oder Anlagen umgeleitet – bei einer Anlage, die 24 Stunden am Tag im Betrieb ist und deren Teile gereinigt und gewartet werden müssen, eine unglaubliche Vereinfachung der Workflows und eine substanzielle Zeitersparnis.
Nicht minder erstaunlich ist eine zweite Erfindung der West Cork Distillers. Sie haben das Prinzip der ersten Pot Still im dreifachen Destillationsprozess grundlegend überdacht und revolutioniert. Das Ergebnis nennt sich in Johns nüchterner Diktion „TPS„, ein kurzer Blick darauf erklärt aber den Spitznamen „The Rocket„, mit dem sie überall fast ehrfurchtsvoll bezeichnet wird:
The Rocket verdient ihren Spitznamen aber nicht nur durch ihr Aussehen, sondernauch durch eine andere Tatsache: Sie schafft es, 1000 Liter Maische in nur sieben Minuten zu destillieren – das ist unglaublich schnell. Unweigerlich kommen einem da Bedenken, ob diese Schnelligkeit nicht zu Lasten der Qualität des Spirits geht. John winkt lächelnd ab: „Wir lassen uns in der zweiten und dritten Destillation mehr Zeit, als wir uns in der ersten sparen.“
Überzeugen davon, dass die Schnelligkeit nicht zu Lasten der Qualität geht, können wir uns mit dem, was aus dem eigenartig geformten Spirit Safe fließt: Der New Make, der hier mit 82% sprudelt, ist ungemein fruchtig, sauber, von höchster Qualität.
Sehen und hören Sie hier die Destillationsanlage von West Cork Distillers im Video – eine Fabrikation wie aus einem Steampunk-Universum. Und wenn Sie wissen wollen, wie es zu dieser Geräuschkulisse kommt: Man arbeitet in der „Rocket“ mit großem Druck und großer Hitze, und wegen der Umstände verbieten sich elektrische Pumpen und Ventile. Man benutzt deshalb mechanische Pumpen – und diese machen den Lärm.
Wir bitten die Crew der Destillerie noch zu einem Gruppenbild, bevor wir uns zu einer Demonstration des Ausbrennens eines Fasses wieder aufs Freigelände begeben:
Patrick Harnedy zeigt uns, wie ein Fass für die spätere Verwendung ausgebrannt wird. Der Vorgang dauert zwischen einer und vier Minuten, und wird mit einer Temperatur von 500 Grad vorgenommen. Kein Wunder, dass Patrick immer wieder mal der vom Wind an ihn herangetragenen Hitze ausweichen muss.
Nach dem Ausbrennen strahlt das Fass satte Bourbon-Aromen ab.
Man kann das Ganze übrigens auch mit Torf befeuern, erklärt Patrick, dann erhält der im Fass gelagerte Whisky eine leichte Rauchnote.
Zum Abend des Tages hin, der auch nach 22:30 Uhr in diesen Breiten um diese Jahreszeit nicht richtig dunkel werden will (siehe Bild oben), hatten wir noch die Gelegenheit, einige der experimentellen Fässer der West Cork Distillers zu verkosten. Patrick und Shane hatten uns dazu eine Auswahl an Whiskeys mitgebracht, die zunächst drei Jahre in Bourbonfässern und danach weitere drei Jahre in anderen Fässern wie Rotwein, Calvados, Rum, Rye, Cognac, oder im Black Cask, einem nochmals ausgebrannten Bourbon-Fass gelagert wurden.
Weiters gab es junge Proben aus einer Potstill-Destillation, allesamt noch unter dem Mindestalter von drei Jahren. Während die ersten drei von ihnen ihre Jugend noch überdeutlich zeigten, war das vierte eine riesige Überraschung: 31 Monate, rund, ausgewogen und trotz 63% sanft wie ein Lamm. Möglich machte das das 25 Jahre zur Sherryproduktion gebrauchte Fass, in dem der Spirit lagern durfte.
Zurück aber zu den sechsjährigen Whiskeys. Sie konnten in der gesamten Runde der Verkostenden mehr als nur gefallen. Für uns waren das Cognac-Fass und das Calvados-Fass herausragend, bei anderen konnte auch das Weinfass höchstes Lob einheimsen. Wir hoffen jetzt auf das Verhandlungsgeschick des deutschen Importeurs Kirsch Whisky, damit das eine oder andere probierte Fass nach Deutschland kommt – zu wünschen wäre es.
Zusammenfassend bleibt uns zu sagen, dass uns die innovative Ausrichtung von West Cork Distillers beeindruckt, und das, was wir verkosten durften, nicht minder. John O’Connell schafft mit seinem Team irischen Whiskey auf überzeugendem Niveau, trotz oder gerade weil man bei West Cork Distillers „out of the box“ denkt. Die typischen Destillerie-Klischees werden hier absolut nicht bedient, dafür ist West Cork Distillers für uns der Inbegriff der modernen Interpretation des Begriffes „handwerklich“.
Die irische Whiskeyszene ist im Aufbruch, und West Cork Distillers ist in punkto Innovation ganz vorne dabei.
(Ein Interview mit John O’Connell bringen wir morgen auf Whiskyexperts)
Im Sinne der Transparenz gegenüber unseren Lesern geben wir bekannt, dass wir die Reise zu West Cork Distillers auf Einladung und Rechnung von Kirsch Whisky, dem deutschen Importeur, unternommen haben. Kirsch Whisky hatte keinerlei Einfluss auf die Berichterstattung.