Man kann 50 Euro auf den Tisch legen und dafür einen hervorragenden Whisky bekommen. Und für das Fünffache Inakzeptables. Umgekehrt geht das genauso. Es gibt einfach keine verlässliche Korrelation zwischen Preis und Geschmack. Und das ist eine der schönsten Sachen am Wasser des Lebens, finden wir: Man wird so häufig überrascht, dass es eine Freude ist (auch wenn es nicht immer eine Freude ist). In diesem Sinne viel Vergnügen mit unseren vier Whiskys, die wir zuletzt im Glas hatten, jeder auf seine Weise eine Überraschung:
Timorous Beastie, Highland Blended Malt, Douglas Laing, 46.8% Alk./Vol. (Sample: privat) – Der raspelt schon in der Nase Süßholz, dass es eine Freude ist. Malzzucker und eine leichte florale Note drängen sich vor, getragen von Honigtönen, die sich dann auch zuerst am Gaumen zeigen. Hochländisches Honigtöpfchen, das Fäden zieht, so satt ist der. Eine kleine Portion Würze zum Abgang gibt ihm noch einen kleinen Twist, er verabschiedet sich mit warmen Geüwrzen und einer milchigen Textur.
Das ängstliche Mäuschen ist gefährlich trinkbar und herrlich unkompliziert. Großes Like dafür!
-br-
Tomatin Earth, OA 2018, 46% Alk./Vol. (Sample: privat) – Ein getorfter Tomatin, der nichts mit dem Cu Bocan gemeinsam hat. Wo dieser mit exotischen Früchten unter dem Rauch spielt, hat der Earth vor allem malzige Süße. In der Nase allerdings hält sich nicht nur der Rauch zurück, auch die Süße und die wenigen fruchtigen Noten sind leise. Am Gaumen dominiert die Süße, der Torf allenfalls eine Fußnote, der erst zum Finish hin Bedeutung gewinnt, ist er doch die am längsten schwingende Note im Geschmacksorchester.
Ein Ruhiger. In seinem ganzen Habitus fast zu zurückhaltend – nicht so erdig, wie der Name vermuten hätte lassen…
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Tomatin 2007, Gordon & MacPhail Discovery, 43% Alk./Vol. (Sample: Gordon & MacPhail) – Gartenfrüchte in der Nase, und Süße, die an einen reifen Pfirsich erinnert. Am Gaumen wird dieser Whisky dann noch etwas weicher, bekommt schon fast etwas von einem Campino Sahnebonbon. Im Hintergrund sind leichte Bitternoten, eher komplementär als störend. Im Abgang dann die tropischen Früchte wie Ananas oder Kiwis und einige saure Drops dazu.
Insgesamt ein freundlicher, leichter, fast beschwingter Tropfen, Frühsommer im Glas. Einsteigerfreundlich.
-br-
Aberfeldy 1993, Gordon & MacPhail Connoisseurs Choice, 58.8% Alk./Vol. (Sample: Gordon & MacPhail) – Von der ersten Sekunde an vielversprechend. Klassische Sherrynase, satt Früchten, dunklen Beeren und Rosinen. Man erwartet Gutes und bekommt am Gaumen Außergewöhnliches. Weich und dicht, eine perfekte Balance von Datteln, Rumfrüchten und dezentem Holz. Der Alkohol: perfekt eingebunden. Getoppt wird das noch von einem traumhaft sanften, sämigen Finish voller Frucht in Nougat.
Ein excellenter Whisky aus dem Sherry Puncheon, von alter Schule und mit alten Tugenden. Grandios!
-br-
Die Bilder der Abfüllungen für den Artikel und dessen Titelbild haben wir mit freundlicher Genehmigung aus der Whiskydatenbank Whiskybase.com übernommen. Vielen Dank dafür!
Links zu allen bisher erschienenen Tasting-Splittern finden Sie im Verkostungsarchiv.
Mit „Tasting-Splitter“ wollen wir unsere Verkostungsnotizen mit einem neuen Format ergänzen. In lockerer Abfolge berichten wir von den letzten Whiskys, die wir hier in der Redaktion im Glas hatten. Das tun wir nicht mit ausführlichen Beschreibungen des Geschmacks im klassischen Sinn, sondern wollen es auf eine ungezwungene Art tun. Eher emotional als analytisch wollen wir einige Fragen beantworten: Welchen Eindruck hinterlässt der Whisky? Was fällt uns besonders auf? Wie haben wir ihn im Moment erlebt? Welchen Charakter zeigt er?
Auch bei „Tasting-Splitter“ gilt, so wie bei den (nach wie vor geplanten) Verkostungen einzelner Whiskys: Unser Geschmack ist so subjektiv wie der Ihre. Wir fällen daher keine Urteile, sondern geben unseren persönlichen Eindruck kund. In diesem Sinne: Viel Vergnügen damit!