Auch in der von Tradition und Geschichte geprägten Whisky Industrie Schottlands lassen sich immer wieder „Trends“ und marktorientierte Entwicklungen erkennen. Besonders in den letzten Jahren versuchte man durch limitierte Abfüllungen mit einer wunderbaren Hintergrundgeschichte das Käuferinteresse zu wecken, in kleinen batches produziert, aus besonderen Fässern, speziellen Bereichen eines warehouses selektioniert, in einem eigenen Weinfass gefinished.
Eine anderer – und durchaus lobenswerter – Ansatz ist, Whiskys mit höherem Alkoholgehalt, ohne Kühlfiltration und ohne des Einsatzes von Karamell zur Farbkorrektur abzufüllen – eine klare Hinwendung zu einer natürlicheren Präsentation des Produkts und zu Whiskyliebhabern, die Geschmack und Fülle ihres Lebenswassers schätzen.
Die älteste Destillerie der Insel Islay – jaja, diese Altersfeilscherei – begann 2009 mit Lancierung des Bowmore Tempest, rund 12.000 Flaschen, deren Inhalt für ein Jahrzehnt in first-fill bourbon barrels schlummern durfte und zwar im No. 1 Vault direkt am Wasser. Anschließend werden die Fässer noch verheiratet und dürfen sich miteinander anfreunden, bevor es durch die Abfüllanlage geht – non chillfiltered, mit knackigen 55,1% vol. Alkohol, eine Symbiose der eingangs beschriebenen Tendenzen.
Erst kürzlich durften wir eine tasting note des ersten Batches auf Whisky Experts vorstellen, ein Blick in die Vergangenheit, ein selten gewordener Whisky (man sieht, das Konzept geht auf), und mittlerweile ist bereits das Batch #4 auf den Markt gekommen, dem ich mich in der heutigen Verkostung widmen darf. Besonders interessant sind nun sowohl ein Einblick in die unterschiedlichen Beschreibungen und tasting notes, die ich nur jedem Whiskyliebhaber ans Herz legen kann und die immer ganz ehrlich und subjektiv sind, aber auch die Veränderung einer Whiskyserie über die Jahre und diversen Batches hinweg.
Bowmore Tempest Batch #4, 10y, 55,1 % vol.
Nase: Druckvoll, süße Vanille, frisch, Lemoncurd, amerikanische Eiche in Reinkultur, Karamell, Rosinen und etwas Lakritz, laktile Töne von Joghurt kommen auf, hellweißer Rauch, Sägespäne und dezenter Lackcharakter, Basilikum, jetzt wird die Geschichte „speckig“, Hustenzuckerl, Menthol wird immer deutlicher, frischgezupfte Minze, Pfirsich, eine bowmoretypische exotische Fruchtkomponente, die aber nie ganz gegen das Holz ankommt, Macadamianüsse, geschälte Mandeln, salzig dropsige Erinnerungen an Seegras in Kombinationen mit blumigen Zitronenzesten.
Gaumen: Drückend, imposante Frischenote von dieser Menthol-Minz-Paarung, die schon in der Nase da war, in Vanille und Salzkaramell getaucht, holzig stängelige Jugendlichkeit, beginnt süß, bleibt mit Rauch und Tirolerspeckanmutungen liegen, immer noch hält sich diese Buttertoffeesüße, insgesamt aber fein und schlank im Body, kein Schwergewicht, war das Opening noch etwas feurig aufflammend, zieht sich ein recht weicher, sanfter Ton dahin, Alkohol fein verwoben. Mit Wasser wird die Geschichte verspielter, vor und zurück wiegen die Aromen, jetzt kommen auch Kräuter ins Spiel, trockenere Akzente, Petersilie, cremig aber immer noch schlank.
Finish: Die Süße bleibt und bleibt, etwas Wasser bringt dann trockenere Noten, würzige Akzente und Aromen von Rosinen, Vanille-Karamell-Pudding, dazu Liebstöckel etwas Koriander und Pistazien, mittlere Länge mit etwas Potenzial nach oben.
Alles in allem: Ein kraftvoller Whisky, klar, die Jungspundakzente deutlich im Vordergrund, einzig der sehr schlanke Körper des Whiskys und die angedeuteten Muskelpakete wirken nie ganz in Harmonie zueinander, dafür ist das Holz von ausgezeichneter Qualität und das Spiel aus Alkohol, Gerbstoff und Aromatik balanciert.
Verkoster: Reinhard Pohorec arbeitet zur Zeit als Bartender im Savoy in London und beschreibt sich selbst als leidenschaftlicher Whiskygenießer. Er hat sich in seinem Berufsfeld auf den Purbereich und Whiskys spezialisiert und ist für whiskyexperts als freier Kolumnist tätig.