Freitag, 22. November 2024, 02:06:08

Treffpunkt: The hidden distillery close to water – eine Trilogie über InchDairnie – Teil 1: Die Entstehung

Ein Gastbeitrag von Stefan Bügler - Teil 1/3

Unser Gastautor Stefan Bügler, dem wir schon vielbeachtete Artikel über ein Fest bei der Lindores Abbey Distillery, über Glen Scotia (Teil 1 und Teil 2), über St. Kilian (Teil 1 und 2) und einen über Springbank (Teil 1  und Teil 2) verdanken, hat für seine fünfte Kollaboration mit Whiskyexperts die Destillerie InchDairnie im Kingdom of Fife besucht, um dort tief in die Geheimnisse der für die Öffentlichkeit nicht zugängliche Brennerei einzutauchen.

Kommen Sie mit ihm und uns in die versteckte Brennerei in den Lowlands, die im Dezember 2015 zu produzieren begann, und lesen Sie in drei Teilen, was Inchdairnie so außergewöhnlich macht. Wir starten heute mit Teil 1, den zweiten Teil lesen Sie am Montag, das Finale dann am Dienstag:


Treffpunkt:  The hidden distillery close to water – eine Trilogie – Die Entstehung

Neue Brennereien

Der geneigte Abonnent von Whiskyexperts.net erhält gefühlt wöchentlich die Nachricht über die Entstehung einer neuen Whisky-Brennerei irgendwo auf dieser Welt. Derzeitiger Hotspot ist scheinbar Irland. Lange belegte Schottland diesen Platz mit sieben neueröffneten Brennereien in den 2000ern und 26 in den 2010ern, bei einer eröffneten und wieder geschlossenen (Loch Ewe) – ergibt das 32 neue Produktionsstandorte seit 2004.

In der Regel folgten die Schotten dabei einem Grundkonzept: es wird auf historische Gebäude zurückgegriffen, ggf. sogar mit Brennereivergangenheit. Mitunter gibt es neue Energiekonzepte und in der Regel ein Besucherzentrum und ein Fassprogramm flankiert vom Verkauf von Spirit/Gin/Vodka oder ausgewählten Whiskies anderer Brennereien, um die Zeit bis zur Vermarktung der ersten eigenen Whiskyproduktion finanziell zu überstehen.

Drei Ausnahmen fallen mir ein:

  1. Auf Lindores Abbey trifft zwar vieles o.g. zu, aber es gibt keinen bedeutsameren Ort für eine Brennerei als die Wiege des schottischen Whiskies (erste schottische Dokumentation der Destillation gemälzter Gerste durch Friar John Cor in Lindores Abbey für den König James IV. in den Exchequer Rolls von 1494). 
  • Die Mitchell’s eröffneten Glengyle im Jahr 2004 und sicherten als dritte Brennerei im Ort den Status der einst so stolzen Whiskyregion Campbeltown.
  • Man nehme ein Geheimnis, Gewässer, Wälder, Berge und ein Königreich und hat genug Stoff für ein Märchen. Die Geschichte von InchDairnie – das bedeutet so viel wie “geheime Brennerei nahe am Wasser” – ist jedoch viel moderner und industrieller. Die Brennerei liegt unweit der Lomond Hills im „Kingdom of Fife“ versteckt hinter vielen Bäumen und Verteilerkreisen.

InchDairnie – die geheime Brennerei nahe am Wasser

Nur wenigen ist der Name der Brennerei überhaupt schon bekannt. Bei meiner Vorrecherche fand ich vor allem zwei Worte, die häufig im Zusammenhang mit InchDairnie benutzt wurden: “Innovation” und “Geschmack”. Wie sich bei meinem Besuch zeigte, stehen diese Worte für ein innovatives Geschäftsmodell, eine neu durchdachte Produktion, umfassend analysierte Rohstoffe und eine neue vielfältige Geschmackswelt. Hört sich diese Definition für Sie märchenhaft an? Dann begleiten Sie mich zu einer Brennerei, die nicht viel länger im Geheimen bleiben wird.

Besucher, die den Weg zur Brennerei gefunden haben, treffen hinter dem weit geöffneten Tor schnell auf ein Schild auf dem steht

„Sorry, were are not open to visitors – we are busy making whisky.“

Ich fahre weiter, denn ich habe einen Termin. Aber spätestens jetzt wird klar, dass hier eine andere Whiskygeschichte geschrieben wird als anderswo in Schottland in diesen Zeiten.

Die modernen Produktions- und Verwaltungsgebäude sowie die Lagerhäuser strahlen gesundes Selbstbewusstsein aus, das ich auch sofort bei Ian Palmer wahrnehme. Er ist Gründer und Managing Director von InchDairnie. Rund 40 Jahre Erfahrung in der Whiskyindustrie vereinigt er mit seinen vorherigen Stationen bei Invergordon, Kyndal und Glen Turner (Glen Moray und Starlaw Distillery). Ian ist ein „Whisky Man“ durch und durch und so fällt es nicht schwer sofort im Thema zu sein.

Die Idee entstand 2007

“Die Idee für InchDairnie kam mir etwa im Jahr 2007. Viele Firmen, die Malt Whisky produzierten, schränkten ihre Verkäufe an Dritte stark ein. Ein über lange Zeit gewachsener Wirtschaftszweig kleinerer „Blending Houses“ wurde so mehr und mehr vom Produktfluss abgeschnitten. Blends machen rund 90% des Whiskymarktes aus und selbst wenn man die Industriegiganten, die mehr oder weniger ihren eigenen Bedarf decken, herausrechnet, bleibt das Marktvolumen riesig. Also fragte ich mich: ‚wer wird diese Firmen in der Zukunft beliefern?’ Die Antwort auf die Frage reifte in mir in den darauffolgenden Jahren,“ erinnert sich Ian.

Das Ian sich überhaupt diese Frage stellte liegt spätestens in seiner zweiten Anstellung als Ingenieur bei der Invergordon Distillery vor etwa 28 Jahren begründet, nachdem er zuvor in der Greenwich Distillery in London arbeitete.

„Als junger Ingenieur hatte ich die Gelegenheit das Design von Brennereien in praktischer Tiefe zu studieren. Die Greenwich Distillery wurde von Frilli Srl. gebaut, einer italienischen Firma bei Sienna, die seit 1912 Brennblasen und sogar komplette Brennereien nach den Vorstellungen des Kunden fertigt. Dann kam ich über Invergordon zur Glen Moray Distillery, die auch Frilli Brennblasen nutzt. Bei Planung und Bau der Starlaw Grain Distillery von 2007 bis 2010 griffen wir auch auf die vielseitigen Italiener zurück“, berichtet sich Ian. Es sollte nicht seine letzte Begegnung mit Frilli sein.

Ein neues Brennereikonzept

Mit seiner Antwort im Kopf gründete Ian im Jahr 2011 John Fergus & Co., die später als Holding Company für InchDairnie Distillery fungieren sollte. Doch drei weitere Jahre dauerte es noch bis zum ersten Spatenstich. Eine Zeit, die Ian für die Konzeption nutzte: „Ich suchte nach innovativen Ansätzen für die Whiskyherstellung, um energieeffizient den bestmöglichen Geschmack zu erzielen. Dazu haben wir uns mit einem weißen Stück Papier hingesetzt und die Definition von Scotch Whisky aufgeschrieben. Wir haben dann jeden Produktionsschritt kritisch beleuchtet und neue Wege skizziert, eine Brennerei zu bauen und Whisky zu produzieren. InchDairnie entwickelte sich so Schritt für Schritt“, sagt Ian. „Freunde aus der Industrie und meinem privaten Umfeld machten sich allerdings Sorgen, ob ich mit dem innovativen Konzept nicht ein zu großes Risiko eingehen würde. Aber die meisten vergessen, dass das größte Risiko, das ich eingehen kann, ist, es nicht einzugehen. Denn durch Risikomanagement kann ich es minimieren. Ich bin Ingenieur, ich mag Strukturen und Rahmenkonzepte, die wir bei der Planung von InchDairnie und der heranreifenden Whiskies neu geschaffen haben.“

Das Resultat war ein stimmiges innovatives Brennereikonzept, durch das er 70% seiner zukünftigen Produktion schon an Blending Houses verkauft hatte, bevor der Bau von InchDairnie überhaupt begann. „Dadurch hatte ich den kompletten Betrieb der Brennerei finanziert und die Freiheit gewonnen, mit der verbleibenden Produktionskapazität von rund 500.000 Liter reinen Alkohols pro Jahr (LPA) eine Produktpalette nach meinen eigenen Vorstellungen zu schaffen: mit maximalem Geschmack“, sagt Ian.

Ian’s Businessplan hätte ich sehr gerne gelesen. Das Privileg hatte sein jetziger Investor und starker strategischer Partner MacDuff International Ltd. aus Glasgow. MacDuff ist ein „Blending House“ mit den Marken Grand Macnish, Lauder’s und Islay Mist, das zukünftig auch Malt Whisky aus der InchDairnie Distillery in seinen Blends verwenden wird.

“Wir haben im Jahr 2014 endlich mit dem Bau begonnen und uns natürlich die Expertise von Frilli gesichert. Es dauerte 18 Monate bis wir im Dezember 2015 mit dem Destillieren anfangen konnten. Kaum jemand aus der Industrie und auch nicht die Whiskyfans haben das mitbekommen, bis wir am 17. Mai 2016 offiziell InchDairnie eröffnet haben“, lächelt Ian. „Seitdem produzieren wir zwei Millionen LPA. Das bedeutet eine Produktion von je 40.000 Liter reinem Alkohol in 50 Wochen pro Jahr. Das ist für eine neue Brennerei eine unglaubliche Menge, die aber erst durch unsere Verträge mit den Blending Houses möglich wird. Wir haben das Produktionsgebäude zudem so gestaltet, dass wir unsere Kapazität mit relativ geringem Kapitaleinsatz und zwei weiteren Brennblasen noch verdoppeln können.“

Das Geheimnis um das innovative Geschäftsmodell hinsichtlich der Finanzierung von InchDairnie ist somit gelüftet.

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