Eine Destillerie in der Destillerie (mehr Infos dazu hier) – klingt komisch, ist aber in Schottland gar nicht so übermäßig selten, wie man vielleicht glauben könnte. Passend zu der Einführung und den Hintergrundanekdoten über die manchmal dezent vernachlässigte Lowland Region, möchte ich ihnen heute einen Malt vorstellen (Inverleven Gordon & MacPhail, distilled 1991, bottled 2012, „distillery labels“ 40% vol.) und verkosten, dessen bewegte Historie in einem eigenen Artikel detaillierter ausformuliert werden muss, und den man heute nur mehr findet, wenn man sehr genau sucht und weiß, wo man graben muss. Aber das ist – wie gesagt – eine andere Geschichte…
Nase: Grünlich grasiges Opening, malzige Aromen im Spiel mit Vanille, Custard, etwas vegetabil (im positiven Sinne), Rosmarin neben Sellerie, getrocknete Früchte, Rauch entwickelt sich und verschafft sich Gehör, sanfter Duft von Streichhölzern, frische Sägespäne, alles eingebettet in Manukahonig, helles Karamell und Toffee, Banane, sogar etwas Kokos, umschmeichelt von feiner Ingwerschärfe, Marille und sanfter Pfirsichtouch, Apfeltabak, grüner Granny Smith, Zitronenfrische wieder Lagerfeuer-rauchig-romantisch, etwas Menthol, eine interessante, verspielte und für den Alkohol erstaunlich eindrucksvolle Nase.
Gaumen: trockener Beginn, Sägespäne, frische Prise von smoky barbecue, auch etwas Torf und Vanille, Butterbrot, Brioche, Pfirsich ja richtiggehend peach melba, fantastisch weich, rund, balanciert, keine Explosion am Gaumen und kein Monster-Malt, aber von einer sehr fein gezeichneten Finesse.
Finish: langer Nachhall von Liebstöckel, Rosmarin und Thymian, etwas Vanillesüße und wieder dieses sanft rauchig karamellige, Rosinen, Trockenpflaumen im Abgang, Alkohol wunderbar eingebunden, schmeichelndes Spiel aus Süße, Pfeffer und Pikanz, getragen von malziger Toffeenote, etwas letzte Konsequenz und längerer Zug fehlen.
Alles in allem: Filigran, balanciert, in seiner Finesse sehr schön gemalt, spannend, kein Brüller, kein Mike Tyson, viel eher eine Claudia Schiffer, grazil, warum man diesen Malt auf 40% vol. Alkohol herabsetzen musste ist mir ein Rätsel und lässt den Gesamteindruck etwas dahin-verwässern, schade, mit 46% oder Fassstärke wäre das ein Knaller-Whisky. Auch so sehr schön aber nicht ganz vorne dabei!
Aber jetzt mal ehrlich, was für ein wunderbarer Geschichtsschluck, welch eine Story, die man sich bei Tisch über diesen Whisky erzählen kann – und am Ende ist es das, was einen guten Dram ausmacht. Teilen, genießen, in Erinnerungen und Geschichten schwelgen und Spaß haben.
Verkoster: Reinhard Pohorec arbeitet zur Zeit als Bartender im Savoy in London und beschreibt sich selbst als leidenschaftlicher Whiskygenießer. Er hat sich in seinem Berufsfeld auf den Purbereich und Whiskys spezialisiert und ist für whiskyexperts als freier Kolumnist tätig.
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