Freitag, 19. April 2024, 21:16:49

Wir verkosten: St. Magdalene Rare Old 1975 GM

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Selten sind sie geworden, die noch anzutreffenden und zu verkostenden St. Magdalene’s aus Linlithgow, einer Destillerie, die nach ihrer Schließung teilweise abgerissen und hauptsächlich in Appartements umgewandelt wurde. Diese unabhängige Abfüllung von Gordon & MacPhail stammt aus den 70ern und wurde mit circa vierunddreißig Lenzen auf die Flasche gezogen.

Nase: Malzig, blumig und mit vollem Getreideimpact legt er los der Whisky, Honig, richtiggehend dunkler Waldhonig, Butterkaramell, gekleidet in einen Mantel aus speckig rauchigen Noten, die immer deutlicher werden, Würze brandet auf, und langsam entwickeln sich die Alterstöne, wie ein feiner Lederbezug, Trockenobst, benetzt mit Möbelpolitur (das meine ich äußerst positiv), Datteln, schwarze Oliven, ein Sortiment aus Rosinen und Feige, plötzlich aber auch wieder frische Akzente, Zitrus, Limettenzeste, gelbe frische Frucht im Wechselspiel mit den Dörrfrüchten, Marille, Mandel, etwas Moos, ein unglaublich farbenprächtiger, ausgeprägter Reigen von Jugend und Alter, in fantastischer Harmonie, Finesse mit der stets präsenten rauchig, leicht torfigen Hintergrundmusik, die drohend den Finger hebt.

Gaumen: Langsam, geschmeidig und mit einer cremigen Fülle wälzt sich der Whisky über Zunge und Gaumen, frische Getreidenoten, weiß rauchige Holznoten, das Opening zeigt einen dezenten Süßehauch, Vanille, creamy oily, bittere Vanilleschote, Salzkaramell, wird immer trockener und würziger, Wacholder stimmt in den Chor ein, Zimt, Sternanis, Macis kitzelt die Geschmacksknospen, kandierter Ingwer, wieder Honig, aber auch die Frische ist noch da, das Holz nie dominant oder überaltert, wunderbar ausgewogen, wie in der Nase auch am Gaumen verspielt, ein Hin und Her aus Jugendlichkeit und perfekter Reife, prickelnd am Gaumen.

Finish: Er will und will nicht weggehen, dieser charmante aber dennoch fordernde Touch von cremiger Vanille, rauchig torfige Ölakzente, Earl Grey und auch grünfruchtige Eindrücke bleiben schier unendlich liegen, war die Süße anfangs spürbar und entwickelte sich dann eher die trockene Würze, so kommen die Wellen wie eine belebte Meeresbrandung immer wieder angerollt, im ständigen Dialog miteinander.

Alles in allem: St. Magdalene ist für mich einer der außergewöhnlichsten und größten Lowlandmomente, die es zu verkosten gibt, und es ist nicht nur die Verklärtheit, die diesen Malt ob seines Status als lost distillery so zauberhaft macht, dies ist ein perfektes Exempel, wie Finesse und filigrane Noten von voller Wucht und Power untermalt werden können, mit Geduld und Perfektion zu einem idealen Reifestatus gebracht, Rauch und Torf dürfen auch in den Lowlands mitspielen…

Mit etwas mehr Alkohol als den 43% vol., die G&M dieser Abfüllung angedeihen lässt, wäre der Whisky vielleicht noch das kleine Quäntchen weiter gegangen, aber dieser Malt ist auch so ein dream-dram, dem man sich stundenlang widmen kann Manchmal darf und muss man halt auch bei dem schottischen Lebenswasser sentimental werden dürfen, ein Trauerlied auf St. Magdalene, ein von uns gegangener Schatz einer Destillerie, ein Lowlander, wie er spannender kaum sein könnte.

Verkoster: Reinhard Pohorec arbeitet zur Zeit als Bartender im Savoy in London und beschreibt sich selbst als leidenschaftlicher Whiskygenießer. Er hat sich in seinem Berufsfeld auf den Purbereich und Whiskys spezialisiert und ist für whiskyexperts als freier Kolumnist tätig.

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