Caol Ila 2005
Gordon & MacPhail Cask Strength Series
Sample: Gordon & MacPhail
Verkoster: Reinhard Pohorec
Es gibt Momente im Leben, die verlangen nach etwas Wärmendem – in jeder Hinsicht. Und bei einem Blick auf das vor mir stehende Etikett, lese ich alles, was ich wissen muss: Caol Ila, Check. Fassstärke, check. Es darf gekostet werden.
Nase: cremig süßliches Opening, ein Duft von Butterkeks, Marillenröster und ja, in der Tat, blumigen Noten, Lavendel ist da, auch etwas Lilie. Dahinter baut sich die große Wolke eines Islay-Giganten auf, schwer medizinale Aromen, grünlich, frisch, grasig nach Seetang, Jod, die Gischt schießt einem förmlich ins Gesicht, brackig-maritime Noten umwehen einen zweiten Anflug von Frucht, diesmal rötlicher, mehr Kirsche, die gemeine Räucherkirsche, möchte man fast meinen. Vanillezucker, Orangendrops und rohe Mandeln, auch dürfen kräutrige Highlights nicht fehlen, mentholisch-minzig, ein würzig wenngleich sehr balancierter, eindrucksvoller Eindruck in der Nase.
Gaumen: the proof is in the pudding, also ran an’s Gerät. Und da ist er, roh, erdig, unverfälscht, mit einer imposant-brachialen Ouvertüre. Der Alkohol ist deutlich spürbar, wenngleich nicht dominant oder spitz. Dazu mischt sich süßliches Getreide umrahmt von animalisch, fleischen Räucher-Spitzen. Verbrannter Brioche, dann wieder die dezente Salzlake, Oliven, unreife Banane von Noriblättern umwickelt. Noch einmal Karamell, Koriandersaat und etwas Kardamom. Und dann…? Stille. Jugendlich unerfahrenes Schweigen, möchte man mutmaßen?
Finish: irgendwo in all dem Spektakel reißt der Caol Ila ab und zieht sich ebenso schnell in seine Meereshöhle zurück, wie er aufgetaucht war. Es fehlt Substanz im Abgang, da ist zwar noch die Bitternote, die liegen bleibt, es huscht noch einmal eine Idee von Lapsang Souchong und Trockenfleisch durch den Rachen, aber insgesamt lässt das Finish ein paar Sehnsüchte unbeantwortet und den Wunsch auf mehr im Raum stehen. Grüntee und herber Kakao im Rückgeschmack.
Alles in allem: laut, impulsiv, kurz. Einmal mit vollen Kanonen die Sinne betören, doch dann geht es relativ rasch dem Ende zu. Eigentlich schade, hätte das fabulöse Intro doch gerne noch ein paar weitere Feuerwerke zünden dürfen. The wood makes the whisky, es bleibt jedenfalls ein Fragezeichen. Dem Caol Ila hätte jedenfalls ein bisschen mehr nicht geschadet, vom Wood, oder an Substanz, Reife, make your pick.
Mit den besten Spirits,
Reinhard Pohorec
Seit 2016 verzichten wir in unseren Tasting Notes auf numerische Bewertungen und geben unseren Eindruck nur mehr über die Beschreibung wieder. Wir tragen damit unserem Gefühl Rechnung, dass man mit einem starren Punkteschema Vergleiche forciert, die den Whiskys nicht gerecht werden. PS: Wir haben Geschmack. Unseren. Nicht Ihren. Unsere Verkostungsnotizen sind also kein richterliches Urteil, sondern unser persönlicher Eindruck.