Donnerstag, 26. Dezember 2024, 21:16:01

Meet The Spirit of Skye – ein Besuch bei Torabhaig

Die Menschen sind der wahre Spirit einer Brennerei - ein Bericht von unserem Gastautor Stefan Bügler

Nach längerer Zeit können wir Ihnen wieder einen Gastbeitrag von Stefan Bügler präsentieren – diesmal geht es im Rahmen seiner „Treffpunkt“ Serie nach Schottland auf die Isle of Skye, genauer gesagt zu Torabhaig. Auf Einladung von Marussia Beverages in Hamburg, dem Importeur der Produkte der jungen Destillerie im Süden der Insel, besuchte er die Brennerei, um vor allem mit den Menschen zu sprechen, die für den Whisky dort verantwortlich sind. Aber auch der Produktionsprozess und die Eigenheiten von Torabhaig werden im Artikel beleuchtet. Viel Vergnügen damit!

Alle Bilder im Artikel Copyright Stefan Buegler.


Der Spirit des Teams der Torabhaig Distillery auf Skye ist außergewöhnlich und tief beeindruckend.’ Unisono sagten dies die Mitarbeiter von Marussia Beverages in Hamburg, anlässlich der Pre-Release Party des Torabhaig Allt Gleann im Sommer 2021. Sehr gerne folgte ich deshalb der Einladung, um vor Ort in der Brennerei diesem Spirit nachzuspüren. Treffpunkt: ‚Spirit of Skye’!

Wie gemalt wirkt der Blick auf Torabhaig – umrahmt von Wolken, Wiesen, Bäumen, Meer und den Bergen auf dem schottischen Festland – der sich plötzlich auftut, als das Auto die kleine Anhöhe hinunter rollt. Er ist wie ein Versprechen für einen außergewöhnlichen Besuch. Selbst der Weg vom Parkplatz zum seeseitigen Eingang der Brennerei, die in einem nur noch selten zu findenden U-förmigen Farmsetting aus dem 19. Jahrhundert residiert, ist nicht minder atmosphärisch. Er gibt zudem den Blick frei auf das nahe Caisteal Chamuis (Knock Castle), dessen Besitz seit dem 14. Jahrhundert immer wieder zwischen den Clans der MacLeods und der MacDonalds wechselte.

Vor etwa 200 Jahren fungierte die Burgruine dann quasi als Steinbruch zum Aufbau der Farmgebäude und ist heute Namensgeber für einen Scotch Blend von Mossburn Distillers.

Gerade noch mit der Verarbeitung des Gesehenen beschäftigt, begrüßt mich schon das sonnig strahlende Lächeln einer wahren Gastgeberin: Anne O’Lone Sie leitet das Besucherzentrum von Torabhaig und lässt sofort ein Gefühl von Heimeligkeit aufkommen, so als wäre sie schon immer hier gewesen.

Meet Anne O’Lone, Visitor Centre Manager

Bei Torabhaig seit: Juni 2017

Vorheriger Beruf: arbeitete zuletzt für eine lokale Zeitung

Auf Besucher wartet ein sehr persönliches Erlebnis, denn nur maximal acht Personen werden gemeinsam durch die Brennerei geführt. Heute ist die Distillery Tour noch privater. Nach einleitenden Worten über die Whiskyherstellung und die Geschichte von Torabhaig erklimmen wir die Treppe, die in die Produktion führt. An der Mash Tun mit 1,5t Kapazität arbeitet gerade Douglas ‚Dougie’ Stewart, ein Distiller der ersten Stunde. Als er 2016 zum Jobinterview kam war er wenig zuversichtlich.

Meet Douglas ‚Dougie’ Stewart, Distiller

Bei Torabhaig seit: Januar 2017

Vorheriger Beruf: Ingenieur, arbeitete zuletzt auf Ölbohrinseln in der Nordsee

„Ich bin Ingenieur, war damals schon über 50 und arbeitete schon längere Zeit auf einer Bohrinsel in der Nordsee. Endlich wollte ich wieder näher an meinem Zuhause auf Skye arbeiten, aber Erfahrung in der Whiskyindustrie hatte ich keine. Zwar stand in der Anzeige, dass man kein Vorwissen bräuchte, doch geglaubt habe ich es erst, als ich eingestellt wurde. Scheinbar hat meine Nase einfach gepasst”,

freut sich Dougie noch immer und überprüft die Rohrleitungen.

„Alle Arbeiten für die ein Ingenieur gebraucht wird, die erledige natürlich ich, aber ich mache auch alles andere, was immer getan werden muss”,

verabschiedet sich Dougie in Richtung Malzmühle, die allerdings für Besucher nicht zugänglich ist.

Die komplette Produktion konzentriert sich in einem langen relativ schmalen Raum, der in seiner Größe und Höhe aus Denkmalschutzgründen nicht veränderbar war. Das hatte Einfluss auf Höhe und Form der Brennblasen, zudem konnten final nur acht statt der geplanten neun Gärbottiche eingepasst werden.

Dort zieht David ‚Davy’ McKellar gerade eine Probe nach einer Vergärung von mindestens 72 Stunden und gibt wenig später den Wash zur Destillation frei.

„Ich war früher Dachdecker in Glasgow und mich zog es nach Skye. Jetzt hier bei Torabhaig in diesem Team zu arbeiten macht mir riesig Spaß. Die Mashingseite mit ihrem Rohleitungssystem ist sehr komplex und herausfordernd, denn auf den falschen Knopf zu drücken wäre fatal. Würde es mir passieren wäre mir die Schadenfreude sicher – da sind wir gut drin – aber wir haben eine sehr gute Fehlerkultur und würden das sofort gemeinsam lösen. Es ist ein tolles Team mit einem unglaublichen Spirit, das gemeinsam ausgebildet wurde und praktisch gelernt hat. Manche etwas früher, manche ein paar Monate später”,

sagt Davy und ist sichtlich happy.

Meet David ‚Davy’ McKellar, Distiller

Bei Torabhaig seit: Mai 2018

Vorheriger Beruf: Dachdecker

Donald „Doc” Livingstone ist das neuste Teammitglied, der am Ende des Prozesses etwa 900l Rohbrand in Fassfüllstärke von 63,5% Alc.vol. aus einer Charge destilliert. Er ersetzte David MacDonald, einen der „ersten Neun”, der wie geplant zurück auf seine Heimatinsel Harris ging. Doc war damals schon als Tourguide Teil der Torabhaigfamilie.

„Doc hat im Innenhof der Brennerei ein Konzert gegeben und ich kannte ihn schon lange. Wir suchten gerade Tourguides und da habe ich ihn einfach gefragt, ob er gerne bei uns arbeiten wolle und er hat zugesagt,”

erinnert sich Anne.

Meet Donald ‚Doc’ Livingstone, Distiller

Bei Torabhaig seit: Juni 2019 als Tourguide, seit November 2021 als Distiller

Vorheriger Beruf: Folk Musiker (Gitarre, Mandoline, Fiddle)

Den Musiker erkenne ich sofort in Docs Präsenz, aber seine geniale Stimme wirft mich fast um:

„Ich habe damals viele Konzerte in den Highlands gespielt. Auf dem Weg nach Hause war ich dann oft müde und habe mehr als ein Dutzend Wildunfälle gehabt. Das wollte ich so nicht mehr. Die Chance bei Torabhaig kam zur rechten Zeit denn ich interessierte mich schon lange sehr für Whisky. Das habe ich auch gerne ausgelebt, wenn ich Besucher detailreich durch die Produktion geführt habe. Da kam es doch zu dem ein oder anderen Stau,”

lächelt Doc verschmitzt. In dieser Zeit hat er schon viel über die Herstellung gelernt und wurde so schleichend zum Neuen im Team der Neun.

Ein Distiller erster Stunde ist Niall Culbertson, der, wie auch Dougie, im Januar 2017 den ersten Tropfen New Make durch den Torabhaig Spirit Safe fließen sah. Doch seine Geschichte auf dem heutigen Brennereigelände begann schon viel früher als er schon als Siebenjähriger auf der damaligen Farm spielte und hier mit 15 – Ende der 90er Jahre – Schafe scherte. Über ein Chemiestudium, den Einzelhandel und den Tourismus kam er schließlich zu Torabhaig und ist glücklich, auf Skye einen Vollzeitjob zu haben.

Meet Niall Culbertson, Distiller

Bei Torabhaig seit: Januar 2017

Vorheriger Beruf: arbeitete im Einzelhandel und Tourismus

„Ich genieße die Arbeit im Team. Wir ticken zwar alle anders, aber das macht es wirklich aus. Wir hatten im ersten Jahr überhaupt keinen Krankheitsausfall und auch jetzt ist das minimal. Das zeigt wie gut unser Spirit ist.”

Diesem Spirit kann man sich tatsächlich nicht entziehen. Anne scheint dies zu merken und schlägt gleich noch eine weitere Kerbe ins Holz:

„Unser Master Blender und Director Neil Mathieson hat von Anfang an die Philosophie vertreten, engagierte Mitarbeiter mit dem richtigen Spirit einzustellen. Das Fachliche haben ihnen dann langjährige Experten aus der Industrie beigebracht. Das Team hat sehr schnell viel Verantwortung tragen dürfen und daran ist es gewachsen. In 2019 kam dann die Idee für den Journeymen’s Dram. Jedes Jahr wird im September die reguläre Produktion für sechs Wochen gestoppt. Dann dürfen zwei Distiller ihre eigenen Vorstellungen umsetzen und einen neuen Rohbrand mit je 10.000l erschaffen. Die Malzart, die Hefe, Fermentationszeiten und die Fahrweise der Brennblasen mit eigenen Cut Points ist den Distillern überlassen.”

Ich finde, ein derartiges Gesellenstück ist eine tolle Sache und frage Dougie, Davy, Doc und Niall – die Four of Nine -nach ihren Ideen. Das Ergebnis hat für mich eine sehr interessante Symmetrie, denn ihre Rezepte waren deckungsgleich mit meiner Wahrnehmung ihrer Persönlichkeit. Das ist eine individuelle stimmige Facette, die ich bisher nur bei kleinen Brennereien z.B. von Olli Lange (Kymsee) oder Ralf Hauer (Saillt Mór) wahrgenommen habe. Und zu Dougie passt seine fast diebische Freude, dass sein Rohbrand der bisher teuerste war, denn die Kombination von Gerste und Hefe brachte die geringste Ausbeute hervor.

Der Slogan „Shaped by Skye” bekommt für mich  so sehr lebendigen Inhalt. Die einzelnen Persönlichkeiten, die das Team formen, das den New Make Spirit destilliert, die Brennerei, die Bucht und das Meer, der Torabhaig Whisky muss einfach so schmecken, wie er schmeckt und das bei Sonnenschein oder Regen. Das bringt mich zu der Frage, wie die Distiller die Erstausgabe – den Torabhaig Legacy 2017 – erlebt haben. „Tatsächlich hat es wirklich gedauert, bis wir eine Flasche zu Gesicht bekamen, denn die Lieferungen gingen zunächst an die Kunden in aller Welt, ein Fakt, der schon wirklich toll ist. Wir haben seit 2017 den reifenden Spirit immer mal wieder verkosten können, also hofften wir auf ein tolles Ergebnis. Die erste Flasche zu sehen, das war schon Besonders,” sagt Niall. Dougie beschreibt es einfach mit „Wow

und hatte wie Davy Schmetterlinge im Bauch. Gemeinsam sehen es alle vier als Ergebnis, das aus einer intensiven Teamarbeit entstanden ist und das sie nie vergessen werden.

Der Innenhof

Der 19. Februar 2021, der Tag an dem die Erstabfüllung Torabhaig Legacy 2017 herauskam, wird auch bei dem leider kamerascheuen Graham Raymond immer im Gedächtnis bleiben. Er war um 5 Uhr morgens im Büro und verließ es erst wieder über 20 Stunden später.  „Die E-Mails kamen aus aller Welt. Jeder wollte eine Flasche haben. Allerdings hatten wir keine einzige, da wir bewusst über unser Händlernetzwerk verkaufen wollten. Dorthin habe ich alle mit persönlicher Antwort weitergeleitet. Als endlich die erste Flasche nach Torabhaig kam, war das für uns alle ein wirklich emotionaler Meilenstein”, funkelt die Erinnerung in Grahams Augen.

Meet Graham Raymond, Peat Elite Club Manager

Bei Torabhaig seit: Januar 2018

Vorheriger Beruf: Verwaltung Finanzwirtschaft, Logistik, zuletzt Bootstouren auf Skye

Und Meilensteine gab es für ihn einige. Nachdem er von Anne eingestellt wurde, arbeiteten sie gemeinsam an der Eröffnung des Visitor Centre, die im März 2018 erfolgte. Neben allem Organisatorischen, das täglich anfällt, übernahm er das Management des Torabhaig Peat Elite Clubs.

„Wir möchten wie beim Brennereibesuch ein persönliches Erlebnis für unsere derzeit 400 Mitglieder schaffen. Deshalb erhalten sie bei ihrem ersten Besuch eine VIP Tour, verschiedene Möglichkeiten in Zoom-Meetings direkt mit dem Distillery Team zu kommunizieren sowie zwei Single Cask Abfüllungen jährlich. Egal wie groß unser Club noch wird, wir werden  keine Small Batches abfüllen, sondern einfach ein ähnliches Single Cask zusätzlich abfüllen. Das Single Cask Erlebnis soll auf jeden Fall erhalten bleiben.”

Die Fassauswahl ist demnächst sogar in nächster Nähe möglich. Denn in der Bucht entsteht ein Lagerhaus (s. Foto von Niall), das die Peat Elite, die Journeymen’s Fässer und einige Spezialitäten beherbergen soll.

Meet Bruce Perry, Global Brand Manager

Bei Torabhaig seit: 2014

Vorheriger Beruf: war schon immer mit Getränken beschäftigt, sogar in der Karibik

„Mit dem Lagerhaus schließt sich die Entwicklung unserer Brennerei”,

sagt Global Brand Ambassador Bruce Perry treffender Weise in der Burgruine Caisteal Chamuis. Er sah die Gebäude 2014 in ihrem damals traurigen Zustand.

„Hier eine Brennerei zu errichten, das war von der Lage her ein ‚no brainer’, bei den Gebäuden bedurfte es aber einiger Phantasie. Bevor wir auch nur den ersten Tropfen Torabhaig destilliert hatten, war der Plan für den Hausstil und das Fassmanagement natürlich fertig, denn die Langzeitstrategien für 2030 und später müssen am Anfang getroffen werden. Trotzdem stellten wir uns natürlich die Frage, ob wir die Theorie auch in die Praxis würden umsetzen können. Wir wollten keinen medizinischen, sondern einen floralen, fruchtig, süßen Torfstil, der für die Insel Skye steht. Das wollten wir unter anderem mit unseren Tube & Shell Condensern mit maximalem Kupferkontakt, der langsamen Fahrweise der Brennblasen und hohen Cut Points für den Rohbrand erreichen. Als wir die ersten Probeläufe verkosteten, war unsere Zuversicht sehr sehr groß”,

beschreibt Bruce die Anfänge der Destillation. Bestätigt wurde sie Jahre später durch Dave Brooms 5-Sterne Votum für den Torabhaig Legacy 2017.

„Die weit schwierigere Abfüllung war für mich allerdings der Torabhaig Allt Gleann, denn natürlich wollten wir das Votum unserer Erstabfüllung unbedingt bestätigen. Das haben wir. In der Tat hat sich der ‚well tempered peat’ einfach phantastisch entwickelt. Der bestandene Praxistest ist deshalb so wichtig, da die Produktion der ersten neun Monate ist ein Abbild unseres Weges zum Torabhaig 10 Years old ist”,

freut sich Bruce.

Nach First Fill ex-Bourbon Fässern (Legacy 2017) und einem Mix aus First und Refill ex-Bourbon Fässern (Allt Gleann) darf für die noch folgenden weiteren zwei Abfüllungen spekuliert werden.  Nachdem die erste Club Reserve des Torabhaig Peat Elite Clubs ein Sherry Finish war, das geschmacklich voll überzeugte, ist mein Tipp ein Mix aus ex-Bourbon und Sherry Fässern für die dritte Abfüllung der Legacy Serie. Bruce konnte ich damit allerdings nur ein vielsagendes Lächeln entlocken.

A new star is born’ schrieb Dave Broom als Schlusswort seiner  ersten Torabhaig Tasting Note. Am Ende dieses langen, schönen und berührenden Tages, bringt es diese Feststellung absolut auf den Punkt. Meine Eindrücke sind jedoch soviel facettenreicher und tiefer als es diese fünf Worte je ausdrücken könnten. Es ist ein wunderschöner Ort, mit tollen Menschen mit einem unvergleichlichen Spirit. Die daraus destillierte Essenz ist der Torabhaig in meinem Glas, der mich nach Hause begleitet hat, genauso wie das strahlende warme Lächeln von Anne O’Lone und der Spirit des gesamten Teams. The Spirit of Skye!

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