Wohl die Wenigsten werden zufällig auf einer Schottland-Reise die Nc’nean Distillery besuchen. Die Brennerei liegt auf der Halbinsel Movern im Drimnin Estate, und gehört somit zu den am westlichsten liegenden Whisky-Destillerien auf dem schottischen Mainland. Von diesem aus ist der direktere Weg, von der A82 bei Corran mit der Fähre nach Movern überzusetzen. Es sind dann noch immer knapp 70 km Fahrstrecke, die zum Ende hin enger und verschlungener wird.
Es war auch nicht die Lage der Brennerei, die in der Phase der Planung und Sondierung der Finanzierungsmöglichkeiten bei Manchen für ein leichtes Stirnrunzeln und Heben der Augenbrauen sorgte. Denn Annabel Thomas (unser aktuelles Exklusiv-Video mit der Gründerin der Nc’nean Distillery finden Sie hier) wollte nicht einfach nur eine weitere Whisky-Brennerei in Schottland. Für ihre neue Brennerei sollte ein mehrere Jahrhunderte als Farm genutztes Gebäude umgebaut werden. Und ihr Whisky muss nachhaltig und ökologisch herstellt sein. Was sich 2024 nicht mehr so ungewohnt anhört – die gesamte schottische Whisky-Industrie soll bis 2040 klimaneutral werden (wir berichteten) – war zu Beginn der 2010er Jahre noch eine mehr als außergewöhnlich Idee.
Es bedurfte einige Überzeugungskraft sowie Beharrlichkeit der ehemaligen Finanzmanagerin Thomas, um die Entwicklung und Realisierung der noch Drimnin Distillery heißenden Brennerei beginnen zu können. Vier Jahre dauerte der Prozess, von der Entwicklung der ersten Idee, bis zur vollständig abgeschlossenen Finanzierung Ende des Frühjahrs 2015. Die Umwandlung des alten Bauernhofs in eine nachhaltige Whisky-Destillerie konnte nun beginnen.
Mit ins Boot geholt werden konnte auch Dr. Jim Swan. Auch für den Einstein des Whiskys, The Single Malt Whisperer oder ultimate whisky troubleshooter war die Bio-Ausrichtung komplettes Neuland. Auf der ganzen Welt hatte er bereits entscheidend an der Entwicklung von Brennereien und ihren Whiskys gearbeitet. Doch die Umwandlung der traditionellen schottischen Farm auf Movern in eine ökologische Whisky-Brennerei war eine ganz neue und zudem andere Herausforderung.
Schwierigkeiten meistern und umschiffen
Bis zu ihrem Start gab es allerdings für die neue Whisky-Brennerei noch so manche Schwierigkeit zu meistern. Auch aufgrund der recht abgeschiedenen Lage in West-Schottland war es nicht einfach, ein Architektur-Büro und ein Bauunternehmer für das Projekt gewinnen zu können. Zudem musste für die Unterbringung und Verpflegung der Menschen, die die Farm in eine Destillerie umwandelten, auch gesorgt werden. Vor allem für letztes war Lorna Davidson zuständig. Sie war somit so etwas wie die erste Angestellte der sich entwickelnden Brennerei. Und dies wird später noch einmal eine Rolle spielen.
Zwei Wochen vor der ersten Destillation im März 2017 verstarb dann plötzlich Jim Swan. In seiner Jahrzehnte langen Tätigkeit in der weltweiten Whisky-Industrie half er unzähligen Brennereien bei der Entwicklung und Konzeption ihrer Produktion und ihres Whiskys. Bei der Nc’nean Distillery war von Anfang an dabei, er half und unterstützte bei der Gestaltung der Brennerei. Welchen Charakter und welche Aromen der Nc’nean-Whisky haben soll, und wie dafür die Reifung gestaltet sein muss, entwickelte er gemeinsam mit dem Team der Brennerei. Hierzu gehörte nun auch Gordon Wood als Distillery Manager. Er blickt auf eine jahrzehntelange Erfahrung in der schottischen Whiskyindustrie zurück und war zuvor bei Oban Distillery tätig. Diese verließ er 2017 und wechselte zu Nc’nean.
Aus Drimnin wird Nc’nean
Nachhaltige und ökologische Produktion waren von Anfang an Kern der neuen Destillerie. Mit dem neuen Namen kam noch ein weiterer hinzu. Der Name Drimnin Distillery wurde abgelegt, der Neue ist angelehnt an Neachneohain, Königin des Spirits und Beschützerin der Natur in gälischen Legenden. Anfänglich wurde Neachneohain zu Ncn’ean gekürzt. Doch es stellte sich eine gewisse Schwierigkeit bei der korrekten Aussprache heraus. Durch die Verschiebung des Apostroph wurde es leichter, und so heißt die Brennerei nun Nc’nean Distillery.
Mit Holzschnitzeln zum Whisky
Unter den Aspekten der nachhaltigen und ökologischen Herstellung des Whiskys ist ein wichtiges Herzstück die Herkunft der verwendeten Energie. Die Nc’nean Distillery setzt hier einen Biomasse-Brenner ein, dieser wird gespeist mit wood chips. Die Bäume dieser Holzschnitzel stammen von Bäumen aus örtlichen Wäldern, die wieder neu gepflanzt werden. Die Anlage der Firma Kohlbach aus Wolfsberg/Kärnten sorgt für die Energie, die die beiden Stills benötigen (5.000 Liter fasst die Washstill, die Spritstill 3.500 Liter). In Verbindung mit der mash tun mit einem Fassungsvermögen von 1 Tonne und den vier wash backs aus Edelstahl mit je 8.000 Liter ergibt sich ein Produktionskapazität von 95.000 Litern.
Auf Ainnir folgt Nc’nean’s Organic Single Malt
Im Spätsommer 2020 konnte die Nc’nean Distillery bereits ihren ersten Whisky vorstellen. Denn das mit Dr. Jim Swan entwickelte Brennerei-Konzept sah die Herstellung zwei unterscheidbarer Malt Whiskys vor. Eine Rezeptur ist auf kurze Reifung und Lagerung ausgelegt. Bei der Anderen benötigt der Whisky insgesamt dann mehr Zeit in den Fässern. Den ersten länger gereiften Ncnean Malt Whisky dürfen wir 2027 erwarten.
Der Premieren-Whisky Ainnir war auf 1.320 Flaschen limitiert, für diesen Malt wurden fünf Fässer aus den Anfangen der Produktion ausgesucht und abgefüllt. Dieses Bottling war über die Website der Brennerei erhältlich, und binnen 24 Stunden auch bereits ausverkauft.
Mit Batch .01 des Nc’nean’s Organic Single Malt erschien dann fast zeitgleich die erste Abfüllung, die zudem das Flaggschiff der Brennerei darstellt. Das Bottling drückt bereits den eigenen Anspruch bei den Themen Nachhaltigkeit und ökologische Produktion aus. Die Gerste stammt aus kontrolliert biologischem Anbau, der Whisky erscheint in einer 100% recycelten Klarglas-Flasche. Der Whisky kommt in diese mit 46 % Vol., ohne Kühlfiltrierung und ohne Färbung. Auf der Nc’nean-Website sind die technischen Details jeder Abfüllung einsehbar. Und wem auf der Flasche eine Altersangabe fehlt, findet hier dann auch die gesuchten Zahlen, mit denen sich das Alter errechnen lässt.
Um Nc’nean’s Organic Single Malt, der mittlerweile auch in einer fassstarken Version erscheint, gestaltete die Destillerie nun ihr Portfolio. Unter dem Namen Aon finden sich Single Cask Bottlings, in der Reihe Huntress präsentiert Nc’nean jeweils im Frühjahr das Ergebnis einer ihrer Experimente mit verschiedene Hefesorten sowie unterschiedlicher Fass-Auswahl.
Im Herbst erscheinen dann jährlich die Quiet Rebels. Hier kreiert jedes Mitglied des Teams in der Reihenfolge der Dauer der Betriebszugehörigkeit, individuell und nach eigenen Vorstellungen, ihr eigenes Bottling. Quiet Rebel No.1 war selbstverständlich Gründerin Annabel Thomas.Iihr folgte Lorna Davidson (wir schrieben ja zu Beginn, dass ‚erste Angestellte‘ noch einmal wichtig wird). Distillery Manager Gordon Wood eigene Abfüllung erschien im Herbst 2023, in vergangenen Jahr war Amy Stammers, Head of Sustainability, an der Reihe. In diesem Jahr dürfen wir dann allerdings zwei Quiet Rebels erwarten. Doch mehr sei an dieser Stelle noch nicht verraten.