Zu den Kriterien, die unser Whisky des Monats erfüllen muss, gehören eine uns überzeugende Qualität, ein annehmbarer Preis und eine hohe Verfügbarkeit. Und ab und zu stellen wir Ihnen eine Destillerie vor, deren Abfüllungen diese drei Attribute erfüllt, und der wir insgesamt etwas mehr Beachtung wünschen. So wie in diesem Monat. Denn für den Mai empfehlen wir den Glencadam 10 yo.
Was tun?
Unser Plan sah wie folgt aus:
Wir küren den Glencadam 10 yo zu unserem Whisky des Monats im Mai 2021, und präsentieren unseren Lesenden und Followern zugleich eine Brennerei, die weit mehr als außerhalb des Fokus der Whisky-Genießenden liegt. Und völlig zu unrecht.
Denn:
Ihr breit aufgestelltes Portfolio bietet Abfüllungen mit Altersangaben von 10 bis 25. Ihre Malts in der Standard Range kommen alle mit 46 % Vol. in die Flaschen. Sie sind weder kühlfiltriert noch gefärbt, und dies wird auf der Umverpackung sowie der Flasche auch noch deutlich und sofort erkennbar vermerkt (sehr wichtig für den deutschsprachigen Single Malt Markt). Formal bringt Glencadam also alles mit, was ein Single Malt Scotch Whisky mitbringen sollte, wenn er im deutschsprachigen Raum geschätzt werden möchte. Und diese kleine, bisher von sehr vielen übersehende Perle an der schottischen Ost-Küste stellen wir Ihnen vor – hier und jetzt. Das war unser Plan.
Wenigstens bis zum vergangen Dienstag. Dann überraschte uns Kirsch Import. Sie vermeldeten Zuwachs aus den Highlands (wir berichteten). Neu im Portfolio des Spirituosen-Importeurs: Glencadam Single Malt Scotch Whisky. In einem Video-Live-Stream am Abend präsentieren zwei, zum feierlichen Anlass des Tages nach eigenem Ermessen passend und ihren Möglichkeiten entsprechend eingekleidete, Kirsch-Mitarbeiter das nun in Deutschland über Kirsch Import zu beziehende Portfolio der Destillerie. Wir waren entsetzt.
Denn eigentlich sahen wir uns in der Rolle der Perlentaucher und Trüffelschweinchen, die in den Weiten und Tiefen der großen Welt der Whiskys und Whiskeys die unentdeckten Schätze finden und einem dankbaren Publikum vorzeigen. Und nun dies. Was also tun?
Bei einer erneuten Durchsicht unseres „Whisky des Monats“-Archiv entdeckten wir dann zum Glück: Bereits im Mai 2014 wählten wir mit dem Glencadam 12yo Portwood Finish eine Abfüllung dieser Brennerei aus. Wir sind beruhigt, dass wir die uns selbst zugedachte Rolle bereits erfüllten und bleiben bei unserem ursprünglichen Plan: Sieben Jahre später wird erneut ein Glencadam Whisky des Monats, im Mai 2021 ist es der Glencadam 10 yo. Und wir mussten wir uns dafür nicht umziehen.
Es dauert halt
Was sind schon sieben Jahre? Diese relativieren sich erst recht bei einer Brennerei, die 1825 von George Cooper gegründet wurde und in ihrer Geschichte bis zum Jahr 2000 nichts als Besitzerwechsel vorweisen kann. In diesem Jahr wurde sie von den Eigentümern Allied Domecq eingemottet. Drei Jahr später ging die Brennerei in Brechin dann in Besitz der Angus Dundee Destillers, allmählich kamen die Dinge so langsam ins Rollen.
Glencadam 15 yo hieß 2005 die erste Brennerei-Abfüllung unter den neuen Besitzern und war der erste Schritt auf ein Portfolio mit Destillerie-Abfüllungen. Drei Jahre später wurde diese dann re-designed, der Glencadam 10 yo kam hinzu, und in den folgenden Jahren weitere die Bottlings, die das heutige Portfolio von Glencadam bilden. So etwas dauert halt.
Zeit in Anspruch nimmt auch das Besucherzentrum. Ende 2018 veröffentlichten die Angus Dundee Destillers erstmals ihre Idee eines Visitor Centers für Glencadam (wir berichteten). Sie investieren hier einen „einen erheblichen siebenstelligen Betrag“, ohne diesen konkret zu benennen. Sechs Monate später erteilte das Angus Council die benötigten Baugenehmigungen. Die Brennerei wird dann mit einem Besucherzentrum sowie einem Shop und einem Restaurant aufwarten können. Im gleichen Jahr begannen zwar auch die Arbeiten, doch die Fertigstellung wird sich noch, wie die Angus Dundee Destillers verlautbarten, erst in den nächsten Jahren sein, ohne dieses konkret zu benennen (wir berichteten). Während einer weltweiten Pandemie dauert so etwas halt erst recht.
Nun zum Wesentlichen
Normalerweise verlieren wir keine Worte über die Farbe unserer monatlich ausgewählten Whisk(e)ys. Wir können Farbe weder riechen noch schmecken, und genau um diese beide Eindrücke geht es uns hier. Doch beim Glencadam 10 yo müssen wir eine Ausnahme machen und seine blasse Farbe erwähnen. Da ungefärbt und deshalb in seiner natürlicher Farbe, schließen wir hier auf eine ausschließliche Verwendung von ehemaligen Bourbon-Fässer. Wahrscheinlich sind manche der verwendeten Fässer auch bereits in ihrem Zweiteinsatz. Und auch das Aromenprofil lässt uns darauf schließen. Von Start her frisch, blumig und citrus-fruchtig, zeigt der Glencadam 10 yo sich in der Nase eine deutlich Präsenz ohne Aufdringlichkeit. Zum hintergründigen Anflug von Mandeln gesellt sich die Andeutung frischer junger Eiche und ein wenig Vanille. Am Gaumen verändert der Glencadam 10 yo kaum. Mit gleicher unaufgeregter Präsenz zeigt er sich hier, eine deutlichere Fruchtsäure vermittelt Erfrischendes. Im Finish erwarten wir hier jetzt natürlich kein Feuerwerk, und passenderweise erhalten wir es auch nicht. Recht lang nachhallend zeigt der Glencadam 10 yo etwas mehr Würze als Süße, und ändert auch zum Ende nichts am bisherigen, recht gepflegten Auftritt.
Der Glencadam 10 yo war bisher eher vereinzelt erhältlich, ohne durch eine weite Verbreitung bestochen zu haben. Wir gehen davon aus, dass sich dies zumindest in Deutschland mit dem neuen Vertriebspartner verbessern wird. Preislich bewegen wir uns mit diesem Single Malt, der das Zeug zu einem regelmäßigen Begleiter im hoffentlich kommenden wunderbaren Sommer hat, bei etwas über 30 €. Und wenn jemand einen wunderbaren Sommer verdient hat, dann wohl wir alle.
Ertsmal schönen 1 Mai !
Und der beste Whisky ist der nicht #hype Whisky ..also der nicht im Fokus Whisky/Brennerei!
So und nun genug des #hype . . .